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Gruppenreise nach und durch Kappadokien

                                 November 2009

 

 

 

 

     Veranstalter: BigXtra Touristik GesmbH im Auftrag ÖAMTC- Reisen

     Reiseleitung:  Seldcuk Demirhan

 


 

 

 

                              Text und Fotos: Irene Kohlberger

 

 

Ankunft im Hotel Alva Donna

 

Am Abend  des Anreisetages landen wir in einer fünf Sterne Anlage der  Küstenregion Antalya. Ein riesiges Haus, worin man sich leicht verlieren kann. Allerdings ist alles gut beschriftet und wenn man sich konzentriert, schafft man es ohne Nachfragen aufs Zimmer zurück zu finden.

Obwohl die Höhe und Weitläufigkeit der Gesellschaftsräume eher zur Hitze des Sommers passen, fühlt es sich trotzdem angenehm an, weil man von den Balkonen in Grünanlagen schaut und letztendlich das Meer erblickt.

 


     

Perge,

wurde im 11. Jh. v. Chr. durch griechische Siedler gegründet. Im 6.Jh. fiel die Stadt, die an dem damals schiffbaren Fluß Kestros auch einen Hafen besaß, an das persische Großreich. 333 v. Chr. machte sie Alexander d. Gr. zu seinem Hauptquartier in Pamphylien. In der ersten Hälfte des 2. Jh. v.Chr. lebte dort der Mathematiker Apollonias, der zu seiner Zeit geachteter war, als Archimedes. Seine größte Bedeutung erhielt Perge jedoch als Kultstätte der Artemis Pergaia, in der die kleinasiatische Muttergöttin Kybele weiterlebte. Zwar hat Paulus 48 n. Chr. hier eine erste Christengemeinde gegründet, doch fiel die Blütezeit des Artemis Kults in das 1. Jh. n. Chr., so dass das Christentum sich in der Stadt nicht durchsetzen konnte. Damals hatte Plancia Magna, die Tochter des römischen Proconsuls M. Plancius Varus, die Ämter der obersten Artemis-Priesters und des Demiurgos ( höchster städtischer Beamter) inne. Auf sie geht der Bau der prächtigen Agora und der Kolonnadenstraße zurück. Während die Stadt in byzantinischer Zeit als Bischofssitz mit drei Basiliken noch zu den größten Pamphyliens zählte, lebten dort im 15. Jh. nur mehr ein Turkmenenstamm mit etwa 70 Zelten.

 

Perge ist eine Stadt, die Paulus auf seiner ersten Missionsreise besuchte. Dazu heißt es in der Apostelgeschichte: Von Paphos (in Cypern) fuhr Paulus mit seinen Begleitern ab und kamen nach Perge in Pamphylien. Johannes aber trennte sich von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück. Sie selbst wanderten von Perge weiter und kamen nach Antiochia in Pisidien. (Apg 13,13/ 14,1)

 

Bevor wir an der ummauerten Stadt ankommen, begrüßt uns linker Hand  das griechische Theater und rechts ein unglaublich gut erhaltenes Stadion. Gut erhaltene griechische Theater gibt es immer wieder: am griechischen Festland, sowie in den Kolonien Sizilien, Spanien und Nordafrika. Auch in der Türkei gibt es einige weitere griechische Theater, wie z. B im nahegelegenen Aspendos, wo noch heute regelmäßig Theater- und Musikaufführungen stattfinden.

Demgegenüber lässt sich im Zirkus Maximus in Rom  nur eine Grasfläche ausmachen, die sich auf seitlichen  schrägen Rampen fortsetzt. Dasselbe lässt sich auch in Olympia beobachten, während hier die Rundung des Stadions  durch  sehr gut erhaltene Sitzreihen aus Stein umfangen wird, die sich entlang der Längsseiten fortsetzen. Die äußeren Umfassungsmauern sind fast vollständig erhalten und durch eine Reihe von Eingängen durchbrochen. Die Eingänge fügen sich harmonisch in die Mauern und öffnen sich in Rundbogen, die sich nach innen konisch verengen. Durch diese konnten die Zuschauer zu ihren Plätzen und durch die größeren mittleren  Eingänge auch  Pferde und Wagen in das Stadion gelangen.

Es erstaunt mich dieses gewaltige Bauwerk nahezu unversehrt erhalten zu sehen, insbesondere die freiliegenden Steinblöcke der Sitzreihen, die andernorts von späteren Geschlechtern mühelos abgebaut und zu neuen Gebäuden verwendet werden konnten.  Doch in der Nähe von Perge gab es offensichtlich zu allen nachfolgenden  Zeiten nur kleine Siedlungen, die kaum den Ergeiz entwickelten großangelegte Bauten zu errichten, die dem Maß dieser Steinblöcke entsprochen hätten. Daher wird uns hier und heute der Anblick eines gut erhaltenen Stadions geschenkt.

Das griechische Theater ist nicht zu besichtigen, weil es gerade restauriert wird, aber im Stadion können wir später herumwandern.

 

 

Wir betreten die Stadt durch die römische Toranlage, die von einem riesigen Turm, flankiert wird. Daneben erhebt sich im Verlauf der Umfassungsmauern das hellenistische Tor.

 

  

 

Das erste beeindruckende Bauwerk, das wir näher in Augenschein nehmen ist die Römische Badeanlage. Sie mutet mich sehr vertraut an, weil diese Anlage in allen wichtigen römischen Städten relativ gut erhalten ist. Über der Erde sind Teile der gewaltigen Kuppelkonstruktionen erhalten geblieben, unter der Erde die  Heizungsanlagen, in  der bereits bekannten Weise aufgemauert, die in architektonisch einfallsreicher Weise die warme Luft zu den  Baderäume leitete.

 

      

 

 

Zwar nicken von den Gewölben die grünen Blätter von Schlinggewächsen herunter, doch bleibt der gewaltige Eindruck bestehen, den diese Mauern noch heute ausstrahlen. An den Wänden ist auch manchmal die Marmorverkleidung erhalten, die in einem bestimmten Abstand von den Ziegelmauern abgerückt ist, um den Durchzug von heißer Luft zu ermöglichen, die zur Erwärmung der Wände genutzt wurde. Sie wussten sich zu erfreuen und zu genießen die Alten Römer

 

Wir wandern weiter und gelangen zur Palästra und der römischen Agora. Und hier erleben wir Ähnliches, wie draußen beim Stadion. Rund um die Palästra sind in geschlossener Reihe die Säulen wiedererrichtet, die hier gefunden wurden. In der Mitte des quadratischen Platzes ist ein rundes niedriges rundes Bauwerk zu sehen, dessen Funktion mir allerdings unbekannt bleibt.

Die Agora zeichnet sich nicht nur als Steinfundament im umgebenden Gras ab, sondern es gibt noch die Mauern der Läden und nicht selten ein gut erhaltene Vorderwand mit steinerner Türumrahmung.

 

 

Die Straßenmosaike sind auch noch vorhanden, aber unsichtbar, weil sie, um sie zu schützen, von den Archäologen wieder mit Sand bedeckt wurden. Neben der römischen, erhebt sich die griechische Agora, die römische mit korinthischen, die griechische, mit jonischen Säulen geschmückt.

 

 

 

Dazwischen gibt es noch Einzelheiten zu bewundern, wie z. B. das Geschäftsschild eines Fleischhauers.

 

 

Später wandere ich allein die Kolonnadenstraße hinauf in Richtung Akropolis. Auf dieser Straße breiten die Frauen der Umgebung ihre Strickereien aus und versuchen die Touristen zum Kaufen zu bewegen. Ich versuche mich zu konzentrieren und wandere den Spuren von Paulus nach, der auf dieser Straße sicherlich auch auf und ab gegangen ist.

Am Ende der Kolonnadenstaße erhebt sich das Nymphäon. Ein römischer Bau – wie zu erwarten – der die Wasser des Stadtkanals sammelte und in Stufen in das gemauerte Kanalbett leitete. Heute gibt es hier kein Wasser mehr – nur die aufwendigen Bauten mit einer liegenden Brunnenfigur, die den lokalen Flußgott Kestros darstellt.

 

  

     

 

 

 

Es ist sonnig und über mir wölbt sich der blaue Himmel. Ich freue mich hier zu sein und benütze die Zeit mich in die Welt von damals zu träumen, wo die Erde noch warm war, von der menschlichen Gegenwart des göttlichen Logos.

 

Die Wasserfälle von Kursunlu

 

Der Eingangsbereich des weitläufigen Parkes, der die Wasserfälle umgibt, ist schlichtweg enttäuschend, weil man den Eindruck von eingesperrter Natur gewinnt, die sich mit asphaltierten Wegen und viel zu vielen Besuchern herumschlagen muss.

Auf dem Weg zu den Wasserfällen entstehen in meinem Kopf  Bilder von strömenden Wasserfällen von  Österreich, die sich allerdings kaum so gemütlich besuchen lassen, wie es hier offensichtlich der Fall ist. Und wenn ich ehrlich bin, erwarte ich mir von den Wasserfällen von Kursunlu überhaupt nichts. Doch meine Arroganz verwandelt sich in blanke Bewunderung, als wir in den Talkessel hinuntersteigen, den das Wasser  über lange Zeiträume hinweg geschaffen hat. Zweifellos sind die zwei Wasserfälle, die sich in einen dunklen aber völlig klaren See ergießen,  keine besonders wasserreiche Exemplare, aber sie tun ihr bestes und werden im Gegenzug von der üppigsten Pflanzenwelt umrahmt, die ihresgleichen sucht.

Die Blattkaskaden, schillern  in allen Grüntönen, vernetzen sich zu wolkenförmigen Gehängen, die - umspielt von feinen Wasserschleiern - den dahinter aufragenden Felsen in festlicher Weise umkleiden. Es sind viele Leute da, fotografierend und bewundernd. Aber das stört mich kaum – so gewaltig und eindrucksvoll, so völlig anders und neu erscheint mir diese Landschaft, die ihre sehr weiblich wirkende  Kraft, einfach an alle verströmt

 

 

Später  folge ich dem gewundenen Pfad an der linken Seite des Flusses, der aus dem See nach Osten strömt und erblicke in regelmäßigen Abständen eine sich  wiederholende  Szenerie: üppig wucherndes Pflanzenwerk, dazwischen Felsen, worin sich in kleinen Höhlungen das Wasser sammelt und etwas weiter entfernt den großen Spiegel eines Sees, der über kleinere Felsbarrieren nach unten abfließt. Es gibt demnach kein kontinuierliches Gefälle sondern nur ein stufenförmiges – das aber die schönsten Ergebnisse zeitigt, indem die durchflossenen Seen Forellen und vielen anderen Tieren eine saubere Heimat zur Verfügung stellen und den Pflanzen rundum zu üppigem Wachstum verhelfen.

Die meisten dieser Pflanzen würden wir in unseren gemäßigten Zonen nur im Palmenhaus sehen können – doch hier wuchern sie und bauen sich ihr eigenes Zelt zum Leben.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Fahrt über den Taurus

 

 


Es ist noch sehr früh am Morgen, als wir aufbrechen um mit dem Bus nach Kappadokien zu fahren. Zunächst geht es noch eine Weile an der Küstenstrasse entlang, wo eine intensive landwirtschaftliche Nutzung  deutlich wird.

Es gedeiht hier alles, von Erdnüssen bis zu Zitrusfrüchten, jegliche Gewürze bis zu den altehrwürdigen Olivenbäumen. Wir erfahren durch Selcuk auch Einzelheiten zu landwirtschaftlichen Nutzung. Dreimal wird in diesen südlichen Küstengebieten geerntet und es gibt auch keinen Wassermangel in der Türkei. Im Gegenteil, man versorgt Cypern mit einer unterirdischen Pipeline mit  notwendigem Wasser und steht zum selben Thema mit Israel in Verhandlung.

Beeindruckend hört sich auch an, dass in bestimmten Regionen noch Seidenraupenzucht möglich ist, dass die türkische Baumwolle am Weltmarkt am begehrtesten ist, dass die Kaschmirziege sich in der Gegend um Ankara am wohlsten fühlt und es mit hoher Wollqualität dankt.

Weiters steht die Türkei mit seiner Haselnussproduktion an der Spitze der exportierenden Länder, usw. Im Grunde braucht die Türkei nichts von außerhalb, außer Gold und technisches Wissen. 

Das Taurusgebirge (türkisch Toros Dağları) ist ein über 1000 km langes System von Gebirgsketten in Vorderasien. Es beginnt im Südwesten der Türkei, wo es großteils der Mittelmeer-Küste folgt, und verläuft nördlich von Syrien bis zum Vansee. Im Mittel- und Ostteil stellt das Taurusgebirge die zerklüfteten Ausläufer des anatolischen Hochlands dar, aus dem der Euphrat in die Ebenen von Syrien strömt. Auch der Göksu und der Tigris entspringen im Taurus.

 Der höchste Berg, der Demikazik ist 3756 m hoch. Römer und Venezianer haben auch dieses Gebirge um seine Humusdecke gebracht.

 

Das alte Lied, es ist auch hier angestimmt, allerdings mit dem Unterschied, dass die Türkei ein groß angelegtes Wieder -  Aufforstungsprogramm beschlossen hat. Und weiter oben, bzw. am halben Weg über das Gebirge,  begrüßen uns noch die biblischen Bäume, die in den Hymnen so oft vorkommen, die Zedern.

Ihre waagrechten Äste unterscheiden sie deutlich von den Fichten, die hier in einigermaßen zusammenhängenden Flächen unsere Fahrt begleiten.

     

 

Zu den Raststätten wäre anzumerken, dass man darin alles bekommt.

Tee, Speisen, Früchte, Nüsse, Kleidung, Ziergegenstände und sogar Bücher.

Am Rückweg werde ich eine englische Ausgabe einer Auswahl von philosophischen Schriften des Mevlana finden und mitnehmen.

Auch fehlt nicht der obligatorische  Kinder – Spielplatz, der verlassen und unbenützt daliegt, wie auch bei uns, weil die Eltern unterwegs kaum Zeit und Muße haben ihren Sprösslingen „Spielplatzzeit“ zu gewähren.

Insgesamt wirken die Raststätten hier weniger „hygienisch“, aber menschlicher, wie vieles in der Türkei.

       

 

 

 

 

 

 

 

 

Nach dem Mittagessen, das wir in einer umgebauten Karawanserei einnahmen, geht es weiter durch die Ebene von Konya Richtung Osten. Dabei handelt es sich um die Kornkammer der Türkei und so wirkt die Ebene auch. Stundenlang geht es durch abgeerntete Getreidefelder. Und wir verstehen den Witz,  der in der Türkei üblicherweise die Runde macht, wenn jemand verstört daherkommt, „Bist in der Ebene von Konya an einen Baum gefahren?“

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Karawanserei von Sultanhani

 

Unter den Seldcuken wurden entlang der Seidenstrasse riesige Gebäude errichtet, die gesichert durch hohe Mauern und entsprechende Besatzung, den reisenden Händlern Sicherheit und Gastfreundschaft gewährten.

 


In Abständen von 30 km, einer Tagesreise für  Kamele, wurden die Karawansereien errichtet, die den ankommenden Reisenden für drei Tage kostenlosen Unterkunft und Verpflegung gewährten. Zudem gab es dort alle Handwerker, die man für die Betreuung der Tiere und Menschen brauchte, ein Hamman für Männer und Frauen und vor allem eine riesige Lagerhalle für die sichere Unterbringung der mitgebrachten Waren. Zeitig in der Früh wurden alle Insassen geweckt und aufgefordert ihre Waren zu prüfen, ob noch alles da und unversehrt war, erst dann wurde das große und mächtige Holztor geöffnet, um die reisenden Kaufleute für ihre Weiterreise zu entlassen. In jeder Karawanserei gab es eine kleine Moschee, d.h. dass auch für ihre religiösen Bedürfnisse wohl gesorgt war.

 

Am Abend saßen die Kaufleute zusammen und lauschten den Geschichten und Abenteuern der Anderen oder den Märchen und Sagen, die von den Geschichtenerzählern berufsmäßig vorgetragen wurden. Marco Polo gibt in seinen Reiseberichten eine farbige Schilderung vom Leben in der Karawanserei des 13. Jh.

Heute stehen nur mehr die Gebäude von damals – zum Teil restauriert und manchmal auch belebt durch verschiedene kulturelle Einrichtungen oder wie im Fall der Karawanserei von Nevsehir, als Heimstätte für Sufis.

 

 

Ich wandere durch die gewaltigen Räume der Lagerhalle, die nur von einem spärlichen Licht erhellt wird, das durch eine südliche Fensterausnehmung fällt. Fotografieren erscheint mir sinnlos, weil das Blitzlicht meiner kleinen Digitalkamera vor der gewaltigen Ausdehnung

der Räume kapitulieren muss. So bleibt mir nur das Schauen und Herum-wandern, das Berühren der alten Wände und das Spüren der überwältigenden Architektur.

Die großen Steinblöcke sind fast ohne Fugen verarbeitet und bilden hohe Pfeiler, die schließlich in ein gewaltiges Gewölbe münden. Alles verbindet sich zu einer harmonischen Einheit und ich bin sicher, dass die Größenverhältnisse ob gewollt oder ungewollt, dem  Goldenen Schnitt  gehorchen.

Ich bin allein hier drinnen und ich erinnere mich an meine nächtliche Wanderung durch den Säulenwald von Karnak, der großen Tempelanlage im ägyptischen Luxor. Auch damals erlebte ich  ein Gefühl der Ehrfurcht, dass sich mit Faszination und  Selbstentgrenzung verband, das ich immer wieder erleben darf, wenn die künstlerische Kraft ihren gültigen Ausdruck findet; egal ob es die Musik,  Malerei, das Theater oder den Tanz betrifft, wahrer künstlerischer  Ausdruck trifft mich und alle Menschen, die sich diesem Erlebnis öffnen wollen.

 

 

 

Vor mir liegt ein weiter Hof und stelle mir das Leben im 13. Jh. hier vor. Es ist nicht ganz leicht, aber ich nehme Anleihen an meinen Erfahrungen in den Basaren von Marokko, und an den Malereien des 19. Jh., die sich mit diesen Themen gerne beschäftigten. Allerdings oft in sehr einseitiger Weise, weil schon damals die europäische Sicht des Orients mehr der Fantasie des Malers entsprach und weniger der Realität. In Krems gab es eine Ausstellung von Gemälden zu diesem Thema. Neben den opulenten Straßenszenen und fantasierten Haremsvorstellungen (Einen Harem wirklich zu betreten, war für einen fremden Mann zu allen Zeiten ein todeswürdiges Verbrechen und ist es vermutlich bis heute) gab es hier eine bunte Sammlung von Bildern zu orientalischen Szenerien.

Die Fotos der Haremsdamen, die vermutlich von einer Frau fotografiert wurden, sprachen allerdings eine ganz andere Sprache. Kleine fast kugelförmige Gestalten, in schwarze Kaftane gehüllt, das Haupt mit schwarzen Tüchern bedeckt, blicken hier zurückhaltend und ernst in die Kamera. Von Glamour und spielerischer Leichtigkeit fehlte hier jede Spur und wahrscheinlich ist es wirklich der Fantasie europäischer Männer zu verdanken, dass in Filmen und Malereien ein völlig anderer Eindruck vom Haremsleben entstehen konnte. 

Das Gewimmel der männer-dominierten Gesellschaft kam auf den Fotos aber ganz gut zum Ausdruck.

Allerdings fehlen bei allen visuellen Dokumentationen – was auch als ein gravierendes Manko der TV-Berichterstattung verzeichnet werden muss – die anderen sensorischen Eindrücke, wie Lärm und Musik oder der Geruch bzw. Gestank, der  Mensch und Tier in enger Nähe immer umgibt.

Wenn man diesen Vorstellungen weiter nachhängt, dann erscheint die Tatsache, dass die Gottesmutter Maria, in der Herberge „keinen Platz mehr fand“  zwar symbolisch als eine gravierende Form der Ablehnung, weil sie alleingelassen wurde und sich niemand um ihren Zustand kümmerte. Doch scheint mir aus heutiger Sicht ein leerer Stall mehr Intimität zu bieten, als die „Matratzenlager der Karawansereien“, die es zu Zeit Jesu sicher schon gegeben hat. Allerdings kaum in seldcukischen Stil, sondern in Form von einfachen Lehmbauten, wo Lärm, Gestank und unvorstellbare Enge herrschte.

 

Die Karawanserei von Nevsehir  besuchen wir zwei Tage später, und zwar am Abend zu einem ganz besonderen Ereignis: dem liturgischen Tanz der Sufis, in unserer Verständnisweise, der „tanzenden Derwische“. Grundsätzlich entspricht die architektonische Anlage dieser Karawanserei der von Sultanhani.

Auch hier ist das Eingangsportal nach innen abgestuft und mit Säulen verziert, die an unsere romanischen und gotischen Kirchenportale erinnern. Allerdings ist im europäischen Raum das Tympanon der Portale, d.h. das Bogenfeld über dem Tor, mit Figuren und Szenen aus dem Neuen und Alten Testament geschmückt, während hier die Muschelverzierung vorherrscht. Dieser Tympanonschmuck findet sich an den Moscheen und den Koranschulen immer wieder, d.h. dass wir es dabei mit einem  allgemeinen Stilelement der  islamischen Architektur zu tun haben.

 

Es ist eine ernste Architektur, die uns hier begegnet – funktionell auf den  Verwendungszweck ausgerichtet, aber dennoch nicht kalt, sondern in kleinen Details wunderschön und ansprechend. Darüber hinaus ist es genuine islamische Architektur, getragen von einem Gemeinschaftsgefühl, das sich auch in der Ausstattung der Lebensräume widerspiegelt.

Ein Blick in die Gasträume von damals zeigt uns einen mehr langen, als breiten Raum, der ringsum mit Bänken ausgestattet ist, die mit Teppichen und Polstern belegt sind. Davor kleine Tische zum Servieren von Speisen und Getränken, die ohne Schwierigkeiten getragen und verschoben werden können. Kein unnötiges Möbelstück findet sich hier, nur Raum zum  Gespräch und zur gemeinsamen Feier.

 

                            

Das Eingangsportal zum ehemaligen Warenlager ist auch hier reich mit Muscheldekoration geschmückt. Doch innen empfängt uns eine ganz andere Atmosphäre, als in Sultanhani. Dieser Raum ist immer mit Leben erfüllt – mit einem besonderen Leben - das uns später die Sufis mit ihrem Tanz veranschaulichen werden.

 

                   

       

Die Sufis suchen durch tägliche regelmäßige Meditation (Dhikr) Gott nahe zu kommen oder mit Gott schon im irdischen Leben eins zu werden.

Kommen Sufis einem solchen Zustand nahe, geraten sie oft in Trance, wobei dies lediglich ein Nebeneffekt ist und nicht wie manchmal angenommen das Ziel des Dhikr. Der Sufismus bietet also dem Suchenden nicht zuletzt durch den Dhikr eine Möglichkeit, das Göttliche in sich zu finden, bzw. wiederzuentdecken. Die Sufis glauben, dass Gott in jeden Menschen einen göttlichen Funken gelegt hat, der im tiefsten Herzen verborgen ist. Gleichzeitig wird dieser Funke durch die Liebe zu allem, was nicht Gott ist, verschleiert, genauso wie durch die Aufmerksamkeit gegenüber den Banalitäten der (materiellen) Welt, sowie durch Achtlosigkeit und Vergesslichkeit. Laut dem Propheten Muhammad sagt Gott zu den Menschen: „Es gibt siebzigtausend Schleier zwischen euch und Mir, aber keinen zwischen Mir und euch.“

Die „Vervollkommnung des Dhikr“ ist seit je her ein hohes Ziel der Sufis. Als eine wichtige Bestrebung gilt, den Dhikr immer wieder zu wiederholen, sodass er  inmitten aller anderen (weltlichen) Aktivitäten weiter im Herzen verbleibt. Dies entspricht einem „ununterbrochenen Bewusstsein der Gegenwart Gottes“. Letzteres wird „Dhikr des Herzens“ genannt, während die nach außen hörbare Form als „Dhikr der Zunge“ bezeichnet wird.

Während des Dhikr rezitieren die Sufis bestimmte Stellen aus dem Koran und wiederholen eine bestimmte Anzahl der göttlichen Attribute (im Islam neunundneunzig). Ein Dhikr, das bei allen Sufis angewandt wird, ist das Wiederholen des ersten Teils der Schahada („Glaubensbekenntnis“) ilāha illā-llāh, zu Deutsch „Es gibt keinen Gott außer Gott“ oder „Es existiert keine Macht, die es wert ist, angebetet zu werden, außer Gott“. Darüber hinaus kennen die meisten Orden ein wöchentliches Zusammentreffen, bei dem neben der Pflege der Gemeinschaft und dem gemeinsamen Gebet ebenfalls ein Dhikr ausgeführt wird. Je nach Orden kann dieser Dhikr auch Musik, bestimmte Körperbewegungen und Atmungsübungen beinhalten.

Wir erleben an diesem Abend den Tanz der Derwische, der unterbrochen von kurzen Gebetspausen, von einer besonderen Musik begleitet wird, die den Namen „spirituell“ sicher verdient. Es ist einfaszinierendes Erlebnis und ich weiß nicht wie es geschieht, aber unwillkürlich werden wir oder besser werde ich, in den Zauber dieser besonderen Meditation hineingezogen und spüre, wie Menschen egal welcher Religion sie angehören, wenn sie im tiefsten Herzensgrund zu Gott gelangen wollen, ähnliche Wege gehen müssen.

Im Wesentlichen symbolisiert der Tanz eine besondere Form der Gottesbegegnung, die in ihrer  absoluten Form, erst nach unserem leiblichen Tod erfolgen kann. Um diese Wahrheit auszudrücken, benützen die Sufis Symbole, wie z. B. die hohe Filzmütze, die den Grabstein symbolisiert, den schwarzen Mantel, der das irdische Leben darstellt und das weiße Untergewand, das unserem Totenhemd entspricht. Das Totenhemd am Körper, den Grabstein am Kopf, so beginnen die Sufis ihren Meditationstanz, wobei ein Arm nach oben zu Gott und zum  Himmel weist, während der andere zur Erde zeigt.

Der Schejk behält seinen schwarzen Mantel an und gibt Acht, dass die Tanzenden in den richtigen Bahnen des Tanzes bleiben. In einem der Tanzabschnitte symbolisiert er die Sonne, worum die Planeten - die tanzenden Sufis -  kreisen. Die begleitende Musik berührt mein europäisch geschultes Ohr in besonderer Weise und ich glaube, dass alle Zuhörer ähnlich bezaubert sind wie ich.

Es dauert ungefähr eine Stunde, bis die Tänzer ihre liturgische Handlung und ihre Gebete vollendet  haben. Daraufhin  kleiden sie sich wieder in ihren schwarzen Umhang und verlassen still die Tanzfläche, die für kurze Zeit als Schauplatz einer tranzendenten Verbindung zwischen Mensch und Gott, zwischen den Tanzenden und den Zuschauern gedient hatte. 

Wir verlassen den beeindruckenden Raum und werden draußen mit einem besonderen Tee gestärkt. Noch ganz verzaubert möchte ich bleiben und mit den Sufis plaudern, aber das ist unmöglich.

 

Die sieben Ratschläge von Mevlana Rumi

 

1)     sei hilfreich und freigiebig wie ein Fluß

2)     sei mitleidig und barmherzig wie die Sonne

3)     sei bedeckend, wie die Nacht, beim Verschulden anderer Leute

4)     sei wie ein Toter bei Wucht und Nervosität

5)     sei bescheiden und schlicht wie die Erde

6)     sei nachsichtig wie das Meer

7)     entweder sieh aus, wie du bist oder sei wie du aussiehst.

 

Diesen Text fand ich später auf einer Ansichtskarte und habe ihn als wunderbare Lebensregel empfunden. Er stammt vom Gründer des Sufiordens.

Kappadokien

 

Entstehung und Geschichte

Vor Tausenden von Jahren hatte die aus dem Vulkan Erciyes ausströmende Lava etwa 20.000 Quadratkilometer Land bedeckt. Nach Erlöschen des Vulkans waren Lava und Asche über hunderte von Jahren einer starken Erosion  durch Wind und Wasser ausgesetzt. Als Ergebnis dieser Erosion wurde die Erde ständig weniger und die widerständigeren Felsen schälten sich heraus. Auf ihren Spitzen blieben kleinere Felsbrocken liegen und so entstanden die berühmten Feenkamine.

Siedlungspuren finden sich hier seit dem Neolithikum (Jungsteinzeit). So konnten eine als „dicke Frau“  (Muttergöttin) bekannte Statuette hier geborgen werden, daneben zierliche Schmuckstücke, farbige Keramiken sowie Scherben von Tonkrügen und Tonschalen, die   dem Zeitraum von 3500 v. Chr.  zugeordnet werden konnten.

Nördlich von Nevsehir fand sich Küchengerät aus der frühen Bronzezeit, wie z. B. Spindeln für Webstühle und Gewichte für die Tonbrennerei.

Durch Verschmelzung der Kulturen der Protohethiter und der regionalen Nesa- Bevölkerung entstand das Großreich der Hethiter, das mit seiner Hauptstadt Hattusas bis 1200 v. Chr. bestand.

Im 12. Jh begannen in Anatolien Aufstände, die Feuer und Zerstörungen begleiteten, an denen das Hethiterreich zerbrach. Nach dem Zusammenbruch des Hethiterreiches zerfiel Anatolien in Fürstentümer und blieb lange Zeit herrenlos. Im achten vorchristlichen Jahrhundert gewannen die in Zentralanatolien angesiedelten Phrygier die Oberhand.

Über die Herkunft der Phrygier, ihre erste Niederlassung in Anatolien und ihren Aufstieg zur Macht, gibt es keine gesicherten Theorien. Laut Herodot sollen sie über den Bosporus  von Europa eingewandert  sein.

Nach den Phrygiern gehörte Kappadokien einige Zeit zum Reich der Meder, das Mitte des sechsten vorchristlichen Jahrhunderts plötzlich zusammenbrach. 547 v. Chr. fiel ganz Anatolien den Persern zu. Das Land wurde in Provinzen aufgeteilt, die von Satrapen regiert wurden. Die Perser nannten das Land Katpatukya, was „Land der schönen Pferde“ bedeutet.

333 v. Chr. brachte Alexander der Große einen Teil Südkappadokiens unter seine Herrschaft, setzte einen persischen Satrapen ein, um danach seinen Eroberungszug in Richtung Südosten weiter zu verfolgen. Etwa ein Jahr später wurde Ariarethes I. mit Unterstützung des Volkes zum König von Kappadokien. Obwohl sich das Reich unter seiner Herrschaft im Norden bis zum Schwarzen Meer und im Osten bis zum Euphrat erstreckte, gelang es Perdikkas, einem Stiefsohn Alexanders, Kappadokien erneut an sich zu reißen. Als Alexander der Große starb, war kein Erbe vorhanden und das Riesenreich begann zu zerfallen. Die alexandrinischen Kommandanten, in der Geschichte als Diadochen bekannt, konnten der Aufgabe, das Reich in Einheit und Zusammenhalt zu verwalten, nicht gerecht werden. Es wurden kleine Königreiche und Fürstentümer gegründet, die in ständigem Streit untereinender lagen. Ariathetes II. ein Apotivsohn von Ariathetes I.,  konnte 301 v. Chr. sein von den Nachfolgern des Alexanders besetztes Territorium befreien und  seinem Land wieder Ruhe schaffen. Unter seinen Nachfolgern wurde das Gebiet erweitert.

Ariathetes V. berief  griechische Künstler und Wissenschaftler an seinen Hof. Zu seiner Zeit entwickelten sich besonders die Orte Kayseri und Kemerhisar zu ausgesprochenen griechischen Städten, wo die hellenistische Kultur gepflegt wurde. Nach dem  Tod Ariatethetes V. geriet das Reich immer mehr unter den Einfluß Roms. In der Folgezeit stritten sich Rom und das Pontische Reich um Kappadokien, das dabei mehrmals  die Herren wechselte und viel Schaden erlitt. Unter Cäsar wurde die Region 17. v. Chr. römische Provinz.

Bereits in den Anfangszeiten des Christentums haben sich die Angehörigen der verfolgten Religion hierher zurückgezogen. Kleine Kirchen und Gebetsräume wurden an hoch aufragende Flusstäler oder an anderen schwer zugänglichen Stellen errichtet, um sich von den immer wieder aufflackernden Verfolgungen der römischen Kaiser zu schützen. Nach dem Toleranzedikt, das 313 n. Chr. von Kaiser Konstantin erlassen wurde, erlebte das Christentum in Kappadokien  eine frühe Blüte. Große Heilige, wie Basilius v. Cäsarea

( Kayseri) oder Gregor von Nazianz (Nehesvir), Gregor von Nyssa  wirkten hier und ließen viele Klöster und Kirchen bauen.

Im 7. Jh. wurde das Byzantinische Reich zur Bühne umwälzender äußerer und innerer Ereignisse: in Arabien war der Islam geboren, der die Grenzen des byzantinischen Reiches bedrängte. Damals nannten die  Christen, die vor dem Ansturm der Araber im Tal von Göreme Zuflucht gefunden hatten,  das Tal Göreme, was soviel wie „du siehst mich nicht“  bedeutet.

Infolge eines Erlasses des byzantinischen  Kaisers Leo III. begann im Jahre 726 n. Chr. der Bilderstreit, der über 100 Jahre dauern sollte und in dessen Verlauf der Einfluss von Kirche und Klöstern wesentlich geschwächt wurde. Bildliche religiöse Darstellungen wurden verboten, Kirchen und Klöster geschlossen.

Erst Kaiserin Theodora hob das Bilderverbot im Jahre 843 auf. Danach wurden in Göreme, in den Tälern Ihlara und Soganli neue Kirchen gebaut, die mit biblischen Szenen geschmückt wurden. Die schönsten Kirchen und Fresken sind in diesem Abschnitt der byzantinischen Ära entstanden. Ab 1071 geriet Anatolien unter die Herrschaft der Seldcuken, wobei die byzantinische Religion nicht angetastet wurde. Kirchen und Moscheen wurden zur selben Zeit errichtet und symbolisieren das friedliche Miteinander beider Religionsgemeinschaften. Nach den Seldcuken begann für Anatolien wieder eine Periode der Fürstentümer, wobei die Herrscher in Kappadokien mehrmals wechselten. Mit dem Aufstieg der  Osmanen fand in Anatolien keine nennenswerte kulturelle Entwicklung mehr statt und die Landschaft wurde zu einer Region von  Bauern und Hirten.

 

 

 

Uchisar

 

Uchisar ist das erste Ziel unserer Erkundungsreise durch Kappadokien. Ursprünglich waren die Häuser des Dorfes nur um die Festung herum gebaut. Wegen der Erosion der oberen Gebäude und des Bevölkerungswachstums, zieht sich das Dorf heute aber mehr den Hügel hinab.

Uchisar hat das Modell kleiner Pensionen im eigenen Haus entwickelt, das sich in der Folge als glorreiche Idee erwies. Viele der ausländischen Touristen übernachten hier und genießen den Anblick der pittoresken Landschaft vor ihrem Hotelfenster aus. Und die Nachfrage wächst. Heute findet sich mitten im Dorf eine Hotelanlage, worin mehrere Häuser einbezogen sind. Ein japanischer  Industriellen kaufte vor Jahren einige der abgesiedelten Häuser auf, renovierte und errichtete einen zusammenhängenden Hotelkomplex, dessen Originaliät seinesgleichen sucht. Das Hotel ist durch japanische Gäste immer voll in Betrieb und entsprechend teuer sind auch die Zimmer.

Wir bewundern die Anlage von außen und wandern weiter, durchqueren die Ortschaft, wo es  noch einige Häuserruinen gibt, die jetzt nach der Eröffnung der Autostrasse über den Taurus, nur für horrende Summen zu haben sind.

 

Lange monologisiert Selcuk über diese Entwicklung und die verpasste Gelegenheit. Er hätte vor 20 Jahren zugreifen sollen, damals als die Häuser noch nichts kosteten, aber damals  war Kappadokien verkehrstechnisch fast unerreichbar….

Wir verstehen ihn, weil jedem  von uns das Gefühl von verpassten Gelegenheiten zutiefst vertraut ist.

 

      

 

Wir wandern weiter und gelangen zu einem Feenkamin, der seinem Besitzer zu einem kleinen Einkommen verhilft, weil er Tee und Kaffee, Raki und Fruchtsaft an die Touristen ausschenkt. Wir rasten unter einem Marillenbaum, der noch immer in seinem hellen Grün dasteht – weil er den Kummer von kalten Nächten und scharfen Winden nicht kennt, und genießen unsere Rast.

Später erklettere ich mir die Innenräume des Feenkamins. Wie erwartet, ist der unterste Raum ein orientalisches Wohnzimmer, mit Teppichen am Boden und  gepolsterten Bänken an den Wänden. Die kleinen aus dem Tuff herausgehauenen Fensteröffnungen  tauchen den Raum in ein angenehmes

warmes Licht.

 

 

        

 

Die Küchenzeile ist nach europäischen Maß bemessen,  ein wenig klein geraten. Ein Gaskocher mit zwei Flammen neben einem Spülbecken – ein Kasterl, wo Vorräte und Geschirr eingeräumt sind und ein Teller- bzw. Gläserbord, gelten hier als ausreichende Kücheneinrichtung und mir wird wieder einmal klar, wie bescheiden und einfach man leben kann.  Im ersten Stock gibt es ein weiteres kleineres Wohnzimmer und im dritten Stock ein Schlafzimmer.

 Alle Stockwerke sind durch Eisenleitern zu erreichen und durch eiserne Falltüren voneinander zu trennen. Fein ist dieses Gebäude angelegt. Und ich stelle mir vor, dass man Kindern, die ein eigenes Zimmer brauchen, einfach  eine Schaufel und entsprechendes Werkzeug in die Hand drückt und sie auffordert, ihr Zimmer selbst auszugraben.

 

                  

Göreme

 

In dem Avcilartal, das sich unweit von Ürgüp befindet, lenken sehr interessante Feenkamine die Aufmerksamkeit des Betrachters auf sich. Schon Paulus betrachtete Göreme für die Ausbildung von Missionaren als sehr geeignete Umgebung. Göreme war damals vermutlich viel ausgedehnter als heute. Vom sechsten bis neunten Jahrhundert war dieser Ort eines der größten Zentren der Christenheit und zählte über 400 Kirchen, wobei auch  die umliegenden Orte, wie Zelve, Uchisar, Cavusin…der Kirchenprovinz Göreme zugezählt wurden.

 

Die bedeutendsten erhaltenen Kirchen und Klöster finden sich heute im Bereich des Avcilartales in unmittelbarere Nähe des gleichnamigen Dorfes Göreme.

Wie zu erwarten, ist das ehemalige Klostergebiet für den Tourismus eine wichtige Station, wo strenge Regeln gelten. So dürfen Gruppen nur wenige Minuten in den bemalten Kirchenräumen verweilen – ein Zeitraum, der mir als Kunsthistorikerin der Byzantinischen Zeit, schwer zu schaffen macht. Ich mache mich daher allein auf und beginne die Kirchen zu besuchen, deren Fresken ich vor gut vierzig Jahren zum ersten Mal auf Dias erblickt habe.

Und ich darf sie betrachten, so lange ich will, die kunstvollen Malereien des

13. Jh. Ich begrüße die Bilder der Verklärung, die  wehenden Gewänder der Apostel, wie sie Christus nachschauen, der über ihren Köpfen im Himmel verschwindet. Ich sehe das Abendmahl am runden Tisch und die Geburtsszene. Unzählige Engelsdarstellungen und den Pantokrator von  Göreme, der sehr sanft und barmherzig aus der Zentralkuppel herabblickt. Der Stil der Malereien wechselt von Kirche zu Kirche. Manchmal erreicht der Maler hohe künstlerische Ausdruckskraft – manchmal rühren mich die Bilder durch die Schlichtheit ihrer Linienführung, die aus einem gläubigen Herzen kommt, aber die Geheimnisse der byzantinische Malschule nie ergründet hat.

 

 Die Barbara Kirche

Ich beginne meine Wanderung bei der Barbarakirche, die rechter Hand vom Eingang des Freilichtmuseums aus dem Felsen herausgehauen wurde.

Der Grundriss folgt dem Typus der Kreuzkuppelkirche, die von zwei gegliederten Langräumen gebildet wird, die sich in der Mitte kreuzen und teilweise oder ganz durch Kuppel überwölbt sind. Die Ausbuchtungen an den „Balkenenden“ nennt man Apsiden, die normalerweise nach oben mit Halbkuppeln abgeschlossen sind. Hier in der Barbarakirche gibt es drei Apsiden, die teilweise bemalt sind. Überhaupt erscheint mir diese Kirche als gelungenes Beispiel für die Dokumentation des Bilderstreites. Obwohl im 11. Jh. der Bilderstreit schon überwunden war, hat man diese Kirche nur sparsam freskiert. In der Hauptapsis ist Christus, als Pantokrator dargestellt, und zwar thronend in ganzer Gestalt.

 

                       

 

 

Daneben gibt es noch ein paar Heilige zu sehen, wie die Hl. Barbara, den Erzengel Michael

und den Hl. Theodor. In der Hauptsache ist der Kirchenraum aber mit geometrischen Motiven in rotbrauner Farbe und nachgezeichnete Mörtelfugen geschmückt, die den Zeiten des Bilderverbotes voll entsprochen hätten.

 

El Elmali (Apfel) Kirche

 

Die Fresken in der Apfelkirche bestechen durch ihre farbliche Leuchtkraft. Auch erscheint mir die Hand, aus der die Fresken stammen, akademisch geschult, weil einerseits der Kanon der Bildinhalte genau eingehalten  und darüber hinaus die Figuren in klaren Proportionen und realistischen Bewegungen wiedergegeben sind. Auch entspricht die Raumaufteilung den Prinzipien  der byzantinischen Bildsprache.

 

Auferweckung des Lazarus

 

 

        Viele der  Darstellungen haben allerdings durch den Vandalismus späterer Generation stark gelitten:

 

Pantokrator der Zentralkuppel                                                 Deesis (Christus, Maria und Johannes der Täufer)

Es ist eine anheimelnde Kirche, diese Apfelkirche, die ihren Namen von einem runden Gegenstand hat, den Jesus auf einem der Wandbilder in der Hand hält, was aber mit Sicherheit kein Apfel ist, sondern die Weltkugel.

 

Die Bemalung des Kirchenraumes folgt hier, wie auch in der Cariklii und der Tokali Kirche, einem  Programm, das bis heute in den Kichenräumen der orthodoxen Kirche eingehalten wird und bis auf kleineren Abweichungen bindend ist. Worin die geistigen Wurzeln dieses Programms bestehen, soll im folgendem kurz umrissen werden.

 

"An den Wänden der Kirche, auf der Scheidewand (Ikonostasis) und sogar in der Wohnung der Gläubigen haben die Bildnisse als Zeugnis und Lehre genau so viel Wert wie die heiligen Schriften. Da die Gestalten aber diesen Sinn tragen, müssen sie in einer Haltung, die ihrer Würde entspricht, dargestellt sein, frei von aller malerischen Alltagsumgebung, jenseits der Zeit und anscheinend auch jenseits der Atmosphäre, in der wir leben.

 Diese Auffassung versagt dem Künstler jede Phantasie des Schaffens; sein Ideal muss darin liegen, die vollkommenste Wiedergabe eines Typs zu leisten, der einer Tradition von Schönheit und Wahrheit entspricht."

"Trotz solcher Erklärungen [Bilderlehre] lehnten noch immer viele Christen, vor allem in den Ostprovinzen des Reiches, gegenständliche religiöse Kunst ab, weil sie ihr als Götzendienerei misstrauten. Die alte jüdische Tradition war immer noch stark. Die Monophysiten, die zum großen Teil Semiten waren, glaubten, die Natur Christi sei einzig und allein göttlich. Sie durften daher nicht zulassen, dass er bildlich dargestellt wurde. Kaiser Leon III., der schließlich das Bilderverbot aussprach, stammte von der Ostgrenze des Reiches. Aufgehoben wurde das Bilderverbot hundert Jahre später, von Kaiserin Theodora.

Johannes Damaskenos (gestorben vor 754) hat die theoretische Grundlage geschaffen, die für die gesamte weitere byzantinische Kunst richtungsweisend wurde. Die Menschwerdung Gottes weist den Weg, auf dem die menschliche Seele zu der wahren Erkenntnis Gottes gelangt. Sichtbare Abbilder Christi in seiner menschgewordenen Natur tragen dazu bei, uns zu seinem wahren Wesen zu führen und sind daher der Verehrung würdig, zumal sie ja ohne ihn nicht existieren könnten, wie auch ein Schatten nicht sein kann ohne den Körper, der ihn verursacht. Die Verehrung  gilt jedoch  nicht dem dargestellten Gegenstand sondern dem Urbild. Die einzige Art der Ehrerbietung sollte daher die Proskynese sein, der respektvolle Kniefall vor heiligen Reliquien oder geweihten Gegenständen und vor Menschen, die - wie der Kaiser - göttliche Autorität symbolisieren.

Der Bilderstreit hat grundlegende Bedeutung für die byzantinische Kunstgeschichte. Er führt zu einer Formulierung der offiziellen Kunsttheorie, die in Kraft bleiben sollte, solange das byzantinische Reich bestand, und die der byzantinischen Mentalität vollkommen entsprach."

Die Bildtheorie

Bei der byzantinischen Mosaikdekoration ist zwischen dem Mikro- und dem Makrokosmos zu unterscheiden. Der Ausdruck "Mikrokosmos" bezieht sich auf bildimmanente Gestaltungs-mittel. Der Begriff "Makrokosmos" betont die Beziehungen eines Bildes zu seiner Umgebung. Das können sein: Die Beziehung verschiedener Bilder untereinander, zur Architektur und besonders das Verhältnis zum Betrachter, der eigentlich  „Teilnehmer" am Geschehen ist.

Dem byzantinischen Künstler geht es mehr um den Makrokosmos als um den Mikrokosmos. Die gesamte Dekoration einer Kirche bildet ein organisches, nicht zu teilendes Ganzes, dem man durch Einzelbetrachtung der verschiedenen Bilder nicht gerecht werden kann. Dieses "Gesamtkunstwerk" ist nach bestimmten, festen Regeln aufgebaut, die nicht nur eine formalistisch-ästhetische Aufgabe sondern auch eine theologische erfüllen. Das formale wie theologische Prinzip hat zur Aufgabe eine Beziehung zwischen der Welt des Betrachters und der Welt dessen, wofür die Bilder stehen, herzustellen. Ziel ist also nicht, dass der Betrachter objektiv einem Bild gegenüber steht, sondern dass er aktiv in das Bildgeschehen miteinbezogen wird

 Wie Gottvater den Sohn hervorbrachte so etwas Ähnliches bringen die Heiligen Bilder hervor. D.h. wie Jesus in menschlicher Hülle das Göttliche  manifestiert hat, so manifestieren die Bilder in wertvoller und reiner, materieller Hülle das Göttliche bzw. Heilige.

 Das Göttliche durchdringt alle Stufen des Seins bis hin zu den Bildern, deren Verehrung auf das Urbild übergehen.

Damit eine solche Beziehung zwischen Heiligem und Bild und Betrachter bestehen kann, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein:

1.   Das Bild muss die richtige Stellung im Bildprogramm (i.e. Hierarchie) einnehmen.

2.   "Ähnlichkeit"  muss gegeben sein. Das heißt, die charakteristischen Züge und Attribute müssen in Einklang mit authentischen Quellen stehen (z. B. zeitgenössische Portraits oder Beschreibungen der dargestellten Heiligen, Bibeltexte oder apokryphen Schriften).

3.    Dadurch entstand mit der Zeit, was als "abstrakter Verismus" bezeichnet werden könnte. Wenn das Bild "Ähnlichkeit" besitzt ist es auch eindeutig lesbar, was durch Inschriften verstärkt wird.

4.   Das Bild muss "klar" sein. Es muss eindeutig sein, nichts darf den Betrachter von der Hauptsache ablenken. Am besten wird dies durch Frontalität der Figuren und Weglassen der erzählerischen Details (stattdessen neutraler Goldgrund) erreicht.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt,  entsteht eine magische Identität zwischen Bild und Urbild. Aus dem Prinzip der magischen Identität folgt das der Verehrungswürdigkeit (Venerabilität) des Bildes, da die Verehrung nicht dem Bild selbst dient, sondern durch die magische Identität auf das Urbild übergeht. Dies unterscheidet die Ikone vom Idol, denn das Idol ist eine Welt in sich selbst und die ihm zuteil werdende Verehrung dient dem Idol selbst, die Ikone dagegen ist nur Mittler zwischen Mensch und dem Göttlichen.

In szenischen Darstellungen behindert allerdings die geforderte Frontalität die Interaktion der Figuren, besonders da in dieser Kunst bildimmanenter Raum nicht anerkannt war. Doch auch für dieses Dilemma fanden die byzantinischen Künstler mehrere Lösungen:

1.   In szenischen Darstellungen, in denen nicht die Aktion selbst, sondern eine einzige Person wichtig war, konnten die Nebenpersonen im Profil dargestellt werden (z.B. Himmelfahrt, Taufe Christi, ...).

2.   "Böse" Charaktere konnten im Profil dargestellt werden, da eine Verehrung durch den Betrachter nicht notwendig war.

3.   Eine Mischung aus Dreiviertelansicht und Profil, bei der beide Augen sichtbar blieben, wurde eingeführt. Damit konnten die Figuren gegenseitig Kontakt aufnehmen, ohne dass die Beziehung zum Betrachter durchbrochen wurde.

4.   Da bei dieser Art der Dreiviertelansicht die Figuren sich nicht direkt anschauen konnten, und immer ein toter Winkel blieb, wurde dieser fehlende Blickkontakt durch Bewegung ausgeglichen. Die Figuren bewegen sich dann z.B. mit heftig wehenden Gewändern aufeinander zu.

5.   Die ideale Lösung war, den architektonischen Raum mit in die Darstellung einzubeziehen. Dadurch konnten sich zwei Figuren, wenn sie an zwei sich gegenüberstehenden Wänden abgebildet waren, trotz Frontalität anblicken. Beide so wichtigen Aspekte waren somit aufs Beste gelöst. Durch die Aufhebung der Trennung von Bildraum und physischem, architektonischem Raum agiert der Betrachter im gleichen Raum, in dem auch die Ikonen stehen und wird damit noch mehr in das Bildgeschehen miteinbezogen.

Die Schmuckplanung, das Dekorationssystem

Die Bilderverteilung in den Kirchen richtet sich nach einem Programm (festgelegt seit 11. Jh.):

Gottvater tritt nicht auf (höchstens eine Hand, i.e. als Symbol); Christus sind die höchsten Gewölbe vorbehalten, in der Kuppel (oder Apsis) tritt er als strenger Christos Pantokrator (Herr des Weltalls und oberster Richter) auf; über dem Altar ist die Ausgießung des heiligen Geistes, die Himmelfahrt oder Bilder zum Thema der Hetimasis ("Vorbereitung" auf die Wiederkehr Jesu: bereitstehender leerer Thron mit den Attributen der Leidensgeschichte Jesu); auf der Rundwand der Apsis findet man Szenen aus der Eucharistie; Eine Deësis (Thronender Christus mit Maria und Heiligen) findet sich in verschiedenen Teilen des Sanktuariums. Maria ist oft in der Wölbung der Apsis abgebildet, stehend oder auf dem Thron sitzend, als Theotokos Hodegetria, als Wegweiserin, bietet sie den Gläubigen das Kind dar, begleitet von Erzengel Michael und Gabriel.

Der Ostteil der Kirche wird von Szenen aus dem Alten Testament ausgeschmückt.

Im Oberteil der Kirche (Trompen, Pendentive, Gewölbe der Kreuzarme) sind zwölf den großen Festen des Kirchenjahres entsprechende Ereignisse dargestellt: Verkündigung, Geburt, Darstellung im Tempel, Taufe, Verklärung, Erweckung des Lazarus, Einzug in Jerusalem, Kreuzigung, Auferstehung in Form des Niederfahrens zur Hölle, Himmelfahrt, Ausgießung des heiligen Geistes und Mariä Himmelfahrt.

Die Hierarchie ist festgelegt: Jesus - Propheten und Apostel - Evangelisten - Heilige - Märtyrer - Bischöfe.

 

 

 

Mein altes Wissen zum Bildverständnis der  byzantinisch orthodoxen Kirchen, helfen mir viel bei der Betrachtung der fast vollständig ausgemalten Kirchen, wie die Karanlik (Dunkle) Kirche, die Cariklii, (Sandalen) Kirche und zuletzt in der wunderbaren Tokali (Spangen)Kirche.

Die dunkle Kirche ist – wie der Name schon sagt, nur durch ein kleines Fenster erhellt, d.h. dass die Farben der Fresken kaum ausgebleicht sind. Allerdings ist das Fotografierverbot mit Blitz für mich ein Grund zum Traurigsein, in Anbetracht der Zerstörung, die durch ständiges Blitzlicht an den Fresken entstehen würde, muss ich zufrieden sein, dass ich hier sein darf und die Bilder in meinem Kopf und in meinem Innern speichern kann.  Die Qualität, d.h. der künstlerische Rang der Fresken in der aus dem 13. Jh. stammenden Kreuzkuppelkirche ist sehr, sehr hoch. Die Regeln der Bildgestaltung werden alle befolgt, aber wie….

Die Gestalten werden hinter ihrer liturgischen Haltung gleichsam lebendig. Die vier Engel, die Christus zum Himmel tragen entsprechen dem Bildkanon, aber  welche Dynamik spricht aus ihrer Haltung!

Die Gesichter der Apostel  entsprechen keineswegs einem Typus, sondern sind individuell verschieden gemalt- der Maler hatte zweifellos lebendige Personen vor seinem geistigen Auge, als er die Apostel malte, dasselbe gilt auch für Gestalten der Propheten und der Patriarchen des alten Bundes.

 

               

 

Wenn man die „alten Kunstwerke“  anschaut, dann sind sie nicht Kunstwerke, weil sie alt sind, sondern nur dann wenn sie durch ihre künstlerische Kraft  mit Form und Inhalt der dargestellten Gegenstände und Personen, einen neuen lebendigen Kosmos erschaffen.

Wie das geschieht, dass ist zu allen Zeiten anders. In der Karanlik Kirche entwickelt sich ein Bilderzyklus, der trotz der überkommenen Kompositions-regeln, den Betrachter „hineinzieht“ in das Geschehen der christlichen Tradition, aber und vor allem, durch die geistige und künstlerische Durchdringung der dargestellten Szenen und Figuren. Die künstlerische Kraft und meinem Gefühl nach nur diese wird das erreichen, was den ursprünglichen Überlegungen zugrunde lag: die magische Identität zwischen Urbild (z.B. Christus, Gottesmutter Maria, Heilige…) und deren  Abbild unmittelbar herzustellen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Yilani (Schlangen) Kirche

 

Ein anderer Weg wird in der Yilani (Schlangen) Kirche begangen. Wahrscheinlich nehmen die meisten Besucher diese Kirche gar nicht wirkliche wahr. Diese Kirche ist nur ein rechteckiger Raum mit einer gewölbten Decke. Im Kircheninnern befindet sich ein Grab und die Wände sind teilweise bemalt. Linker Hand sind Konstantin und Helena zu sehen, rechter Hand die Bilder vom Hl. Basilius, Hl. Thomas und Onouphrios.

Die Geschichte des seltsamen Heiligen Onouphrios ist schnell erzählt. Ursprünglich sei dieser Heilige eine Dame des leichten Gewerbes gewesen, die Art ihres Lebens überdrüssig geworden war und  Gott um Schutz und Hilfe gebeten habe. Gott habe ihr diesen Wunsch erfüllt, indem er ihr zu einem Bart und einem hässlichen Aussehen verhalf.  Das Fresko zeigt deshalb ein halb männlich, halb weiblich aussehendes Wesen.

 

 

 Helena und Konstantin finden das Kreuz Christi

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hl.Onouphrios

 

Der Hl. Onesimus, der Hl. Georg und der Hl. Theodor sind weiter Gestalten, die eine der Längswände schmücken. Und wenn man genauer hinschaut, dann sieht man, dass es mit der gestalterischen Kraft  des Freskenmalers nicht sehr weit her war. Die Beine der Pferde lassen gravierende anatomische Mängel erkennen. Dasselbe gilt auch für die Heiligenfiguren. Allerdings wird ein sorgsamer  Betrachter die Eindringlichkeit spüren, womit uns die Augen der Heiligen anschauen und spüren, wie uns die Kraft der dargestellten Szene in das Geschehen mit hinein zieht.

 

 

     

 

 

Warum das so ist, können wir nicht erklären. Hier webt ein Geheimnis, das mit dem Maler und Gott zu tun hat. Dieser hat nicht in Konstantinopel studiert - er hatte offensichtlich auch keine Ahnung von einem Bildkanon - d.h. er wusste noch nichts von den Regeln, wie und wann die Kirchenwände gemalt werden durfte. Er malte einfach seine Lieblingsheiligen und schuf in  unnachahmlicher Weise Bilder von transzendenter Kraft.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die Cariklii (Sandalen)Kirche

 

Die  Sandalen Kirche ist das letzte Glied in der Kette der Felsenkirchen in Göreme- Freilichtmuseum. Heute betritt man die Kirche über eine Eisenleiter, weil die ursprünglichen Steinstufen längst ein Opfer der Erosion geworden sind. Die Kirche hat drei Apsiden und wird von vier Kuppeln überwölbt. Der Freskenschmuck stammt aus dem 13.Jh. und gleicht den Bildern aus der Dunklen Kirche.

Durch ihre kleine Ausdehnung erhält die Kirche einen besonderen Zauber, der auch durch die laute japanische Gruppe nicht zerstört werden kann. Ich versinke in der Betrachtung der wunderschönen Bilder, vielleicht geradeso, wie es die Maler ursprünglich wollten: der Betrachter soll mit den Augen des Herzens schauen und in den Szenen der Bildern sich selber wieder finden. Wenn niemand im Raum ist, dann gelingt es mir gut die religiöse Atmosphäre zu spüren, auch wenn  über die Jahrhunderte hier nicht mehr gebetet wurde.

 

    

Jesus, Petrus, Johannes und Jakobus am Berg der Verklärung

 

 

 

Einzug in Jerusalem

 

           

 

Judaskuss

 

 

Die Tokali (Spangen) Kirche

 

Draußen neben dem eigentlichen Freilichtmuseum findet sich  das größte Kunstwerk von Göreme: die Tokali  Kirche. Sie ist der größte Felskirchenbau der Region und besteht aus vier Baueinheiten: der kleinen, einschiffigen Yeni (neuen Kirche) und der nördlich der Yeni Kilise liegenden Seitenkapelle.

 

 

Die Eski Kilise, die heute wie der Eingang zur Neuen Kirche wirkt, ist ein einschiffiges Tonnengewölbe, dessen Apsis dem Bau der neuen Kirche zum Opfer fiel. Ein Bilderzyklus aus dem 10.Jahrhundert mit Darstellungen aus dem Leben und Wirken von Jesus Christus schmückt die Wände und die Kuppel. Der Bilderzyklus beginnt am rechten Flügel neben dem Eingang und zieht sich, nur unterbrochen von den Gewölbevorsprüngen, an der ganzen Wand über den linken Flügel wiederum bis zum Eingang hin. Im rechten Flügel sind oben die Verkündigung, der Besuch Marias bei Elisabeth, die Reise nach Bethlehem und die Geburt von Jesus dargestellt. Im linken Flügel auf derselben Höhe, folgen der Besuch der Weisen aus dem Morgenland, der Mord an den Unschuldigen Kindern, die Flucht nach Ägypten, Jesus im Tempel und die Ermordung des Zacharias.

 

 

 

 

 

 

Wunderberichte und Passionsgeschichte

 

Im mittleren Abschnitt sind eine Reihe von Wunderberichten dokumentiert. Im unteren Abschnitt des rechten Flügels folgen das Abendmahl, der Verrat, Jesus vor Pilatus und nach links hin, der Kreuzweg nach Golgotha, Kreuzigung, Kreuzabnahme, Einbalsamierung, die Frauen am leeren Grab und Himmelfahrt. Darunter findet sich die Darstellung von vielen Heiligen. Die Freskierung  folgt demnach  ganz genau den Richtlinien der byzantinischen Ausmalungsregeln. Darüber hinaus wird klar, dass die gemalten Szenen in der alten Kirche noch viel einfacher gestaltet sind und eine unmittelbarere Malweise verraten, als die Bilder der Neuen Kirche, die einen hohen Grad von Perfektion erkennen lassen.

 

 

 

In der Neuen Kirche arbeitete und malte ein Meister seines Faches. Ich vermute, dass er sogar in der Hauptstadt seine künstlerische Ausbildung bekommen hat.

Die Feinheit der Gesichtszeichnung, die komplizierten Bewegungen und die üppige Dekoration der Kleidung verraten Kenntnisse, die nicht in der ländlichen Umgebung von Göreme gewonnen wurden.

 

           Verkündigungsszene/ Aufopferung im Tempel

 

 

                       

                          Christi Himmelfahrt

 

              

                        Szenen aus dem NT

        

Kindheitsgeschichte von Jesus

 

Cavusin

 

In dieser Ortschaft machen wir Rast bei der „berühmten“ Aischa, die ein Weingut verwaltet und die unser Reiseführer Seldcuk gut kennt. Es gibt neben Wein aber auch Granatapfelsaft, der außerordentlich gut schmeckt. Oben an den alten Lavawänden grüßen Häuser und Kirchen herab. Beim Näherkommen erweisen sich aber die meisten Gebäude als Ruinen. Zudem sind die Zugänge zu den höheren Etagen meist unpassierbar und ich schaffe es nicht zu der Nicophoras Kirche vorzudringen. Erst später sagt mir ein Einheimischer, dass die Kirche nur von der nördlichen Seite her zu erreichen ist und ich bin traurig.

 

     

 

Aber die anderen warten und wir wollen noch weiter nach Pasabag, wo wir die interessantesten Felsformationen betrachten können. Wären die Formationen  nicht so hoch, dann könnte man sich in eine Zwergenstadt versetzt denken, wo Pilze als Häuschen dienen. Hier sind es aber ordentliche Wohnungen, die aus den  Feenkaminen herausgearbeitet wurden

 

 

    

 

Pasabag

 

Aber die Anderen warten und wir wollen noch weiter nach Pasabag, wo wir die interessantesten Felsformationen betrachten können. Wären die Formationen  nicht so hoch, dann könnte man sich in eine Zwergenstadt versetzt denken, wo Pilze als Häuschen dienen. Hier sind es aber ordentliche Wohnungen, die in aus den  Feenkaminen herausgearbeitet wurden.

 

     

  

 

 

 

            

 

 

 

 

 

 

 

 

Ballonfahrt über Avcilar und Umgebung

 

Der Tag der Ballonfahrt ist heute. Schon früh am Morgen – es ist noch dunkel – holen uns kleinen Busse ab und bringen uns vor die Stadt. Das Startfeld liegt in der Nähe von Avcilar und wir verbringen die Wartezeit gemeinsam mit vielen anderen Touristen und beobachten die Vorbereitungen zur Ballonfahrt. Später werden wir nach Reiseleitern oder Hotel zusammengerufen und zu „unserem“ Ballon gebracht. Noch können wir uns nicht vorstellen, wie so viele Leute untergebracht werden sollten.

Spannend wird es dann in der unmittelbaren Nähe der Ballons. Hier wird eine gewaltige Gasflamme in das Innere des Ballons gehalten und  beeindruckend schnell füllt sich der gewaltige Raum mit heißer Luft.

 


Mittlerweile ist es dämmrig geworden und in einiger Entfernung erhebt sich schon der erste Ballon von der Erde. Bei uns dauert es noch einige Zeit bis die letzten Leinen verknotete sind und sich die Gondel leicht vom Boden anhebt.

Für weniger Geübte ist das Einsteigen fast unmöglich, weil die Anziehungskraft der Erde stärker auf die Körper wirkt, als die Gelenke an Beweglichkeit freigeben. Daher werden einige Passagiere einfach hineingehoben. Drinnen ist es eng und nicht besonders gemütlich –aber was macht das schon. Langsam erhebt sich die Gondel über den sicheren Grund – steigt höher und schwebt mit uns  nach Westen?  So genau weiß ich das nicht… die Sonne geht im Osten auf und sie geht in unserem Rücken auf, d.h. wir schweben vermutlich nach Nordwesten.

Die leichte Orangefärbung - „Als die rosenfingrige Eos erwachte“, wie es bei Homer  heißt - d.h.  als sich der Horizont in helle Orangetöne kleidet, schweben wir schon einige Meter über dem Boden. Es ist fast windstill und wir ziehen  über dem Boden dahin – ein völlig ungewohntes Bewegen, so knapp über der Erdoberfläche extrem langsam dahin zugleiten. Doch bald habe ich mich daran gewöhnt und bin nur mehr ganz Auge für alles was um mich und unter mir zu sehen und zu erleben ist.

                   


          Das Geräusch des metallische Gesummes der Funkanlage  könnte ich zwar locker entbehren, aber man kann ja nicht alles haben.

 


 

Mit normalen Worten kann man das Gefühl des Schwebens und der merkwürdigen Freude nicht beschreiben, wenn man einige Meter über den Wipfeln der  Pappeln in der Ihlara Schlucht schwebt oder in einiger Meter Entfernung, an den Feenkaminen vorbeisegelt.

 

 



Die Struktur der Felder, wo sich die kleinen Sträucher zu Teppichmuster zusammenfügen haben es auch in sich und der Blick hinüber zu den „Pyramiden“ von Avcilar lässt keine Wünsche offen. Es ist einfach wunderbar  von hier oben diese einzigartige Landschaft zu bewundern. Zuletzt überfliegen wir noch eine surrealistisch gestaltete Flußlandschaft und ziehen hinüber zu einem abgeernteten Feld, wo kleine Transporter mit Anhängern auf uns warten.

 


 

Tatsächlich landet unser Kapitän die Gondel auf einem der Anhänger und schon  ist unser Abenteuer auch  wieder zu Ende.  Ich glaube, dass ich  hier eine der interessantesten und erlebnisreichsten Stunden meines Lebens zugebracht habe.

Nach den wichtigsten Bergungsarbeiten stoßen wir mit Sekt und  der Ballonmanschaft an und bekommen noch ein Zertifikat für die „Verdienste um den Fremdenverkehr in Kappadokien“ – nein - sondern ein Zertifkat für unseren Mut ----

Ich bin glücklich und dankbar, dass ich diesen Morgen erleben durfte….

 

 


 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Taubental

 

Im Hotel gibt es wieder reichlich und köstliches Buffetfrühstück und später geht es dann in ein besonders liebliches Tal- das Taubental. Den Namen hat es von weißen Tauben, die hier gezüchtet werden und in der Luft einen Salto nach hinten machen können. Eine atavistische Fluchtbewegung, die sie heute zur Unterhaltung der Touristen produzieren oder eben nicht. Mir tun die Viecher leid, die hier zum Gaudium der Touristen ihre Flugkünste zeigen müssen.

Doch so ist das Leben.

 



 

Ich wandere vorbei an dem Taubenschlag und den touristisch genützten Bretterbuden und wandere hinunter Richtung Talsohle. Und hier erschließt sich mir das erste Mal die absolute Schönheit dieses Landstriches in überschaubarer und intimer Weise. Rechts auf einem Felsvorsprung  öffnet sich eine kleine Höhlenwohnung, die längst abgesiedelt ist. Links von mir begrüßt mich ein Apfelbaum mit lastenden Zweigen, voller roter Äpfel. Rechter Hand öffnet sich das Tal in sanften Windungen nach Osten. Die Sonne beleuchtet die ockerfarbenen Wände und das Laub der  Pappeln und taucht sie in ein geheimnisvolles Licht. Überhaupt wirkt  das Licht hier unten wie ein Zauberstab,  der alles magisch berührt und verwandelt.  Ich tauche ein in diese Atmosphäre und möchte  nur bleiben und bleiben.

Meine Blick wandert nach Norden und hier erfasse ich wieder das gewohnte Bild: Feenkamine, wohin man schaut und dazwischen Flecken von hellgrünen Bäumen und winzigen Anbauflächen.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bei den Teppichhändlern

 

Doch bald geht es wieder weiter zur Teppichmanufaktur.

Dort erfahren wir alles über die Bemühungen in Kappadokien durch die Professionalisierung der Teppichknüpfung den Frauen am Land ein Zusatzeinkommen zu verschaffen. Wir erfahren auch einige Details zur Seidenraupenzucht, des Abziehens der Seidenfäden von den Kokons und das Spinnen der Fäden.

 


           Zwei Frauen beim Teppichknüpfen

In den Räumen der Teppichmanufaktur erfahren wir interessante Einzelheiten zur  Professionalisierung der Teppichherstellung, die durch modernes Management 

den Frauen am Land ein verlässliches Zusatzeinkommen zu verschaffen versucht. Auch erzählt man uns Einiges über die Seidenraupenzucht, die in Nordanatolien noch immer gepflegt wird. Darüberhinaus wird uns das Abziehen der Seidenfäden von den Kokons und das Spinnen der Fäden am  Beispiel gezeigt. Auch wie ein Teppich geknüpft wird, demonstrieren uns zwei junge Frauen, und zwar arbeitet die eine mit Seide und der andere mit Wolle.

Im nächsten Raum erleben wir eine sehr lebendige und anschauliche Verkaufs-präsentation, die wunderschöne Teppiche vorstellt. Gleichzeitig wird uns Wein der Region, Tee und Raki serviert. Eine sehr gute Vorbereitung, um die die Kaufhemmungen abzubauen.   

          

Darüberhinaus erfahren wir Einzelheiten zu den Zeiträumen, die zur Herstellung der einzelnen Teppiche benötigt werden und  dass die Frauen in ihren Heimatdörfern in eigenen Ateliers die Teppiche herstellen. Schließlich landet jeder von uns gemeinsam mit einem sympathischen Verkäufer in einem der Verkaufsräume, wo wir uns für das eine oder andere Exemplar der wunderbaren Teppiche entscheiden konnten.

 

Im Kameltal

 

Weiter geht es zum sogenannten Kameltal. Wahrscheinlich hat man den Namen von der überdimensionierten Steinformation abgeleitet, der am Eingang des Tales aufragt.

Doch es gibt noch viel andere Steinfiguren hier, die Wind, Sand, Sonne und Kälte aus den ursprünglichen Lavamassen herausgearbeitet haben. Alle laufen herum und versuchen die Figuren zu deuten. Und ich denke über die merkwürdige Tendenz des Menschen nach,  die Dinge unserer Umgebung in bekannte Kategorien einzuordnen. 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

      

 

 

Avanos

 

Weiter fahren wir jetzt nach Avanos und betrachten  aufmerksam  den roten Fluss, von dem wir schon vor vielen Jahren im Geschichtsunterricht gehört  haben, den Fluss, den Krösus überschritt, um ein „großes Reich“ -  sein eigenes-  zu zerstören, wie es ihm das Orakel von Delphi vorausgesagt hat. Gelichzeitig ist der  Fluss Hanis auch der längste Fluss der Türkei.

 

    

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Im Zelvetal

 

Schließlich landen wir in einem noch unbekannten Tal, und zwar in der Nähe von Zelve. Drei Täler münden hier  auf einem  großen flachen Areal, das von Sträuchern wild bewachsen ist. Eigentlich ist es eine Besonderheit, dass wir hier sind, weil Zelve nicht zu den absoluten High-lights Kappadokiens gehört.

Für uns wird es aber eine wunderschöne Wanderung, mit Überraschungen und Besonderheiten. So treffen wir unversehens noch ein altes Getreidemahlwerk an und  bewundern  alte Einbauschränke, die einfach aus dem  Tuffmaterial herausgearbeitet wurden. Die Region wurde erst 1950 vollständig abgesiedelt, d.h. dass die alten Wohnungen noch ein wenig von der  Atmosphäre ausstrahlen, die die Menschen von damals zurückließen.

 

 

 

 

 

 


      Alte Mühle


 Hauseingang

 

Ich suche, wie immer, nach einer bestimmten Kirche, die ich nicht finden werde, aber dafür stolpern wir alle gemeinsam in eine Art Wehrkirche, die in riesigen Dimensionen aus dem Stein herausgearbeitet wurde. Sie ist nicht bemalt – aber dafür gab es zweifellos in Kriegszeiten hier eine Feuerstelle und Lagerräume, die das gemeinsame Überleben von Belagerungen erleichterten.

 


   Versteckter Kircheneingang


   Inneres der Wehrkirche

 

Wie auch in anderen Regionen Kappadokiens, lebten hier Moslems und Christen einträchtig zusammen. Davon zeugen die Reste von Kirchen und Moscheen, die hier trotz massiver Zerstörung immer wieder zu entdecken sind. Nachdem die Christen das Tal verlassen hatten, siedelten hier nur mehr  türkische Moslems. Allerdings nahm die Erosion immer bedrohlichere Formen an, die schließlich die Bewohner dazu zwang das Tal zu verlassen.

Ein Teilstück des Tales ist derzeit nicht zu betreten, da weite Teile der Talwände, darunter auch eine bemalte Kirche, einfach eingestürzt sind. Der Anblick der zerborstenen Geländeformationen mutet bedrohlich, fremd und unwirklich an. 

Doch dann  findet der Fuß eine Treppe - mitten in den Trümmern. Völlig gleichmäßige Treppenstufen liegen hier aufgereiht und führen ins Nichts. Doch es ist fein, diese  nach Menschenmaß konstruierte Treppe hinunter in den Talgrund zu schreiten.

 


Wir verabschieden uns vom Zelvetal und fahren zurück zum Hotel.

Unterwegs grüßt uns  der  schneebedeckte Erciyes in der Abenddämmerung, dessen vulkanische Tätigkeit diese wunderschöne und faszinierende Landschaft geschaffen hat.

 

 

 

Folkloreabend

 

Am Abend erleben wir einen Folkloreabend in einer neuerbauten (herausgegrabenen) Vorstellungshalle, mit dem klingenden Namen „Uranos“

Wir betreten das Gebäude durch einen weiten Gang mit gewölbter Decke. Rechts öffnet sich ein anheimelnder Raum, mit gepolsterten Wandbänken ausgestattet – davor kleine Beistelltischchen - und mitten im Raum ein großes Feuer im offenen Kamin. Hier wäre gut sein, aber wir müssen weiter zum großen Festsaal, wo das obligatorische Programm auf uns wartet. Der Raum, der uns empfängt, könnte als gekuppelter Zentralbau durchgehen.       

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

     

 

Vor uns erstreckt sich ein quadratischer Zentralraum mit gewölbter Decke. Vor uns und links und rechts sind große Nebenräume herausgearbeitet, die in den Zentralraum münden. Die Nebenräume schließen dort aber nicht in einer Ebenen an, sondern führen in Rampen von der tiefer liegenden Bühne empor. Im Grunde wirkt das Ganze wie ein steingewordenes Zirkuszelt. Und so ist es auch gedacht, weil die auftretenden Gruppen, die Tanzvorstellungen und Musikeinlagen auf diese Weise von den aufsteigenden  Plätzen gut gesehen und gehört werden können. Wir werden auch mit kleinen Speisen bewirtet und bekommen alles Trinkbare im Überfluss serviert.

Das seltsame Amphitheater ist bis auf den letzten Platz besetzt. Es sind Menschen aus den verschiedenen Teilen Europas hier und eine ganz große Gruppe von japanischen Touristen.

Die Vorstellung beginnt und wir erleben eine humorvolle Darstellung von Hochzeitsvorbereitungen, durch eine Gruppe von jungen Tänzern. Der Bräutigam  wird von seinen Freunden rasiert und die Braut mit einem roten Schleier bedeckt, den sie erst lüften wird, wenn er ihr der Bräutigam ordentlich schweren Goldschmuck überreichen wird.

Später werden wir von Seldcuk über die Hochzeitsbräuche in Kappadokien aufgeklärt. Im Gegensatz zu den jungen Leuten in Istanbul, die ähnlich, wie bei uns sich ihre Partner frei wählen können, wird in Kappadokien noch oft der traditionelle Weg der Hochzeitswerbung  beschritten.

Zeigt ein junger Mann Interesse an einem jungen Mädchen, dann besucht die Familie des jungen Mannes die Familie des Mädchens und orientiert sich über  die familiären Hintergründe und auch über das Mädchen selbst, ihr Aussehen, ihre Persönlichkeit, ihre Ausbildung, ect. Über diese Erfahrungen wird dann familienintern beraten. Ist man mit dem Mädchen einverstanden, dann kommt es zu einem zweiten Besuch bei der Familie des Mädchens. Diesmal ist der junge Mann mit dabei. Und während dieses Besuches kommt es zur Entscheidung. Das verehrte Mädchen kocht für die Gäste Kaffee und auch für den jungen Freier. Schmeckt der Kaffee des jungen Mannes ganz normal, so wie bei den anderen Gästen, dann hat sie ihn abgewiesen – schmeckt er anders, versalzen oder bitter, dann hat sie ihn erhört. Mir gefällt diese merkwürdige Umkehrung der Kaffeesprache, obwohl sie bei oberflächlicher Betrachtung sicherlich unlogisch wirkt. Die ganze Prozedur erscheint mir in erster Linie dazu angetan, um die Ehre der beiden Familien zu bewahren. Im Grunde ist ja nichts gesprochen, nichts versprochen worden und beide Familien haben sich nichts vergeben.

Dass das ganze Dorf von den Vorgängen ohnehin weiß, das tut vordergründig nichts zur Sache. Wichtig ist nur, dass vor dem heimlichen Ehrentribunal nichts passiert ist.

Wenn die Kaffeeentscheidung gefallen ist, ist die Verlobung des Paares der weitere logische Schritt. Nun dürfen sie offiziell zu zweit ausgehen und sich vergnügen, ABER und jetzt kommt das große Aber, immer in Begleitung eines 7 oder 8 - jährigen Bengels, der die Aufgabe hat, das junge Paar niemals aus den Augen zu lassen.

Bis zur Hochzeit verlebt das Paar eine Art Zwischenzustand des schon  und doch nicht, der  europäischen Jugendlichen kaum zugemutet wird, weil die Devise: 

alles, gleich und total bei uns alle Lebensbereiche durchdrungen hat. Und  ob diese europäische Haltung grundsätzlich vorzuziehen ist, bleibt allerdings eine offene  Frage.

Nach dem scherzhaften Hochzeitsvorbereitungen, tanzen vier Burschen einen kaukasischen Tanz – immer in Reihe – immer alle aufeinander bezogen – sehr dizipliniert und voll tänzerischer Spannung. Daran merke ich, wie sehr sich die europäischen Formen des Gesellschaftstanzes von dieser urtümlichen Tanzform unterscheiden. Hier geht es nicht um spielerische Belange, die Annäherung von Frau und Mann im festlicher Umgebung. Hier geht es um Begegnung zwischen Natur und Mensch – um eine existentielle Begegnung, die über Jahrhunderte tradiert und in Formen des Tanzes gegossen wurde.  Eigentlich ist tanzen – diese Art des Tanzens Männersache – und zwar ebenso wie die Reihentänze der Griechen, die bis heute diese Tradition pflegen. Zweifellos tanzen die Burschen hier für ihre finanziellen existentiellen Grundlagen und vor einem zahlenden Publikum. Begleitet von einer außergewöhnlich guten Musikgruppe, tanzen sie in erster Linie für sich, da Ausdruck und Kraft des Tanzes mich unmittelbar ergreift. Bloße Schaustellung von Bewegung und Tanz hat keine unmittelbare Wirkung – sie ist in sich gespalten und verschlingt nur Kraft.

Die Bauchtänzerin, die den nächsten Programmpunkt bestreitet „trägt nur vor“. Sie schafft es nicht mehr in sich selbst zu versinken – sie tanzt einfach eine Show. Ich verstehe gut, dass sie hier einfach ihre Bewegungen abspult, denn wen soll sie hier durch künstlerischen Ausdruck  begeistern? Wird doch der Bauchtanz so gründlich missverstanden, wie es nur immer möglich ist. In seiner künstlerischen Form getanzt, ist der Bauchtanz eine Ergebnis eines inneren Spannungsaufbaus und entsprechender Lösung. Ein Tanz, der in ganz kleinen Bewegungen  und als Körpersprache zum Ausdrucksmittel von menschlichen Emotionen wird, die mit direkter sexuellen Erregung soviel zu tun hat wie ein Liebesgedicht von Goethe mit einem Pornofilm. Gewiss es ist schwer von beiden Seiten, einerseits für die Tänzerin, die  einem Publikum etwas mitteilen soll, was dieses nicht verstehen kann und andererseits entsteht für die Zuschauer das Problem, dass sie hier einen erotisch agierenden Körper vor sich haben, dessen Sprache sie im Kontext ihrer eigenen Erfahrungen nur in direkt erotischem Sinn interpretieren können. Für mein Empfinden hat sich Aischa, oder wie sie hieß, sich die Sache ein bisschen zu leicht gemacht. Ihre Bewegungen waren grob und herausfordernd, sie tanzte mit wenig Spannung und Konzentration und gab den männlichen Zuschauern das, was sie offensichtlich von ihr erwarteten.  Auch die Tatsache, dass sie Männer zu sich auf die Bühne holte und mit den ungelenken Nordeuropäern die Bauchtanzbewegungen probierte  – berührte mich mehr als unangenehm. Doch im nachhinein verstehe ich ihre Intention. Damit hat sie  offensichtlich  subtile Rache genommen – um diejenigen, die sie hier offensichtlich zwangen, ihre Kunst für Geld an ein unverständiges Publikum zu verschwenden, der Lächerlichkeit preiszugeben.

Am Ende des Abends gab es noch eine besondere Art von Musik, vielleicht beschreibbar als Verschmelzung von anatolischen Melodien und europäischer Rhythmik. Auf jeden Fall war es wunderbar danach zu tanzen und sich zu bewegen…

 

 

 

 

 

Nach Antalya

 

Wieder durchqueren wir den Taurus und berühren dabei einige Raststätten, wo wir alles wieder finden, was wir bei der ersten Durchquerung dagelassen haben. Es stehen noch ebenso getrocknete Früchte und Nüsse.

 

Ich treibe mich in diesem Ambiente herum und lande zufällig bei einem kleinen Bücherbord. Es gibt hier die „Weisheitsliteratur“, wie in europäischen Raststätten auch: Liebes und Kriminalromane auf türkisch, Comics, die recht lustig gezeichnet sind aber trotzdem  unverständlich für mich bleiben und es gibt eine Sammlung von Weisheitssprüchen des Sufilehrers Rumi, und zwar in englischer Sprache. Gesammelt und herausgegeben wurden die Texte von Erkan Türkmen, dem Vorstand der Literaturabteilung, der Universität Konya. Ich freue mich und beginne sofort zu lesen. Und während ich lese, geht mir immer mehr auf, dass die Texte der wirklichen Heiligen, die sich in einer gnadenvollen Weise schon hier und jetzt von ihren persönlichen Vorlieben, ihren Bedürfnissen und Neigungen immer mehr entfernen, sich immer mehr ins Gebet versenken und die Nähe Gottes suchen, sehr ähnliche Erfahrungen machen. So unterscheiden sich die niedergeschriebenen Erkenntnisse des Gottsuchers Rumi nicht so wesentlich von jenen, die  Mystiker unserer Religion überliefert haben. Diese Erkenntnis befreit und bestätigt, dass die tiefe innere Beziehung zwischen Mensch und Gott Gesetzen folgt, die sich allen menschlichen Erklärungsversuchen letztendlich entziehen.

Unterwegs halten wir noch auf der Autobahn für ein Foto des Hasan-Berges, einen wunderschön geformten erloschenen Vulkan

 

     

 

 

Unser Ausflug nach der Stadt Antalya beginnt mit dem Besuch einer großen Verkaufshalle für Goldschmuck. Da ich nicht zu den Frauen gehöre, deren Herz durch Schmuck erwärmt werden kann, suche ich vom Anfang an einen Weg, um diesem Einkaufsrummel zu entkommen. Auf dem Weg durch die Halle lande ich in einem Nebenraum, wo mich ein sympathischer intelligenter  Verkaufs-angestellter begrüßt. Ich erkläre ihm, dass ich keinen Schmuck kaufen will, weil er mir nichts bedeute. Zur „Geldanlage“ hätte ich viele junge Freunde, wo ich das Geld mit geistigen Zinsen  prächtig anlegen kann. Er lächelt und erzählt mir skizzenhaft seinen Werdegang. Er spricht ausgezeichnet Deutsch, gelernt in der zweiten Generation in Deutschland. Wir plaudern viel über Kindererziehung, über das Leben hier in Antalya und die Probleme  des Landes und die Lösungsversuche der türkischen Regierung. Als sein Chef kommt, um den Werdegang der Geschäftsbeziehung zu überprüfen, erkläre ich diesem freimütig, dass ich genug Goldschmuck geerbt hätte, den ich nicht trage und daher das  Angebot hier  leider nicht nützen könnte. Er wirkt ein bisschen verwirrt, weil seiner Ansicht nach, „keine Frau genug Schmuck haben könnte!“. –

 


Aber bei mir ist es so, dass ich wunderschöne Steine wirklich bewundere, auch schön gearbeiteten Goldschmuck – aber  ich muss die Dinge nicht haben. Und wenn man die Sachen nicht haben muss, dann ist es auch egal, was sie kosten, wo sie sich befinden – so z. B. im ehemaligen Serail des Sultans der Osmanen – heute im streng bewachten Museum des Topkapi –Palastes. Ich bin nur vordergründig bescheiden – in Wirklichkeit bin ich fasziniert von künstlerischer Prachtentfaltung, die aber allen Menschen gehören soll.

Vom Schmuckgeschäft geht es weiter zu den Lederwaren. Bevor wir in die „Tempelanlage der Ledergötter“ eintreten dürfen, gibt es eine Modenschau, wo übergroße Models, vermutlich keine Türkinnen, wunderschöne Ledermodelle präsentieren. Das Leder wurde hier sehr  kunstvoll und einfallsreich verarbeitet. Manche Modelle gefallen mir sehr gut hätte ich auch gern, aber woher nehme ich die hochgewachsene Gestalt, um diese Modelle zur Wirkung zu bringen?

 


Später  wird es eng für mich. Einige der angebotenen Jacken hier gefallen mir sehr gut und ich möchte sie auch gern „haben“, aber ich weiß gleichzeitig, dass ich kaum Gelegenheit habe, diese besonderen Kleidungstücke zu tragen. Daher möchte ich meinen weiblichen  Bedürfnissen vom Anfang an Zügel anlegen. Und es gelingt mir auch halbwegs. Nur eine braune Tasche, die ich wirklich brauchen kann, landet schließlich in einem fabriks eigenen Plastiksack.

 

Weiter fahren wir in Richtung Antalya, wo wir die Altstadt  besichtigen wollen und vor allem den Hafen. Und hier erlebe ich für meinen Teil die ernsteste Frustration dieser angenehmen Reise. Die einstündige Schifffahrt entlang der Stadtküste wird für mich zur  schmerzlichen   Demonstration einer Stadterweiterung, wie sie gerade nicht geschehen soll. Hochhaus reiht sich hier an Hochhaus, schnell emporgezogen, dem Bedarf an Wohnraum angepasst, aber nicht der Umgebung. Da ich vermute, dass diese Bausünden aus den 80er Jahren stammen kann ich nur hoffen, dass die zukünftige Bautätigkeit andere Wege geht.

Ich versuche das Ganze zu vergessen und blicke aufs Meer hinaus, wo der Abendwind die Wellen zu einer  spielerischen Jagd aufschäumt und weiter draußen die schrägen Sonnenstrahlen einen goldenen See entstehen lassen.

Das Schönste an diesem Ausflug war ein kurzes Durchbrechen der Sonnenstrahlen durch die graublaue Wolkenwand – ein Bild reiner, fast überirdischer Schönheit.

 


 

Vom Hafen weg wandern wir über Stufen hinauf in die Altstadt. Die lange Geschichte der Stadt prägte ihre Konturen. So gibt es noch eindrucksvolle römische Bauten, wie das Hadrianstor, das wir aber nicht besichtigen können, weil uns die Zeit fehlt. Wir schlendern daher nur an den bunten Teppichen der Basare vorbei,  hinüber zu dem wunderschönen Yivli Minare, in dessen Schatten zwei Koranschulen errichtet sind.

 

 

 

 

 

 


 

Eine der Koranschulen zeigt uns nur ein wunderschönes Portal, das aber einer dringenden Restaurierung bedarf. Die andere Koranschule wurde in eine Einkaufshalle umfunktioniert. Es ist ein wunderschöner Raum, der uns hier umfängt. Das Gewölbe erinnert noch an die einstige Pracht, die hier Studenten früherer Epochen  umgab. Und wieder einmal wird deutlich, welche Götter heute regieren: Konsum und Geld.

                            

 

Dennoch  fühle ich mich hier wohl, wahrscheinlich ist es die warme Atmosphäre, die von der sanften Beleuchtung ausgeht und den  kleinen Verkaufsständen ein orientalisches  Flair verleiht.

 

      

 

 

 

                

Später verharren wir noch „bewundernd“ vor dem modernen Denkmal von Ata Türk, dem Gründer der modernen Türkei. Ata Türk ist im übrigen überall gegenwärtig. Er war der große Baumeister  des säkularisierten Staates Türkei, indem er seine Ideen nicht gerade zimperlich umgesetzt hat. Doch der Erfolg gibt ihm  Recht. Auf der einen Seite wurde die Türkei ein aufgeklärter Staat, nach dem Muster der europäischen Nationen. Auf der anderen Seite leidet auch die Türkei an den negativen Folgen von hemmungslosen Wachstum und der Gier nach Geld, wie alle europäischen Staaten auch.

 


 

Doch gegen diese Lebenshaltung kein Kraut gewachsen. Ich hoffe nur, dass die Verantwortlichen der Türkei aus den Fehlern der industrialisierten Länder lernen und das Ganze ein bisschen langsamer angehen.

 

Am Morgen des letzten Tages lockt der Sandsstrand. Das Wasser ist noch warm und man könnte schwimmen, aber dazu ist nicht mehr recht Zeit. So betrachte ich nur die aufgeregten Wellen, die an den Strand schlagen und verabschiede mich vom Meer, das mir wieder für lange Zeit unerreichbar bleibt.