Skiausflug ins Ennstal

                                              März 2010

 

 


 

                                        Text:  Irene Kohlberger

                                                Fotos : Irene Kohlberger

 

 

 

 

 

 Impressionen aus Schladming

 

Nach Erledigung der Küchenarbeiten und anderer Obliegenheiten,  wie Maillesen, ob ich doch noch einige Aufträge zu erfüllen hätte,  setze ich mcih  am Montag gegen  halb 10 Uhr  ins Auto und fahre Richtung Ennstal. Warum  nach Schaldming? War schon vor Jahren einmal dort und ich erinnere mich, dass es ein sehr abwechslungsreiches Skigebiet ist. Auch erwarte ich mir wenig Leute, weil eigentlich keine allgemeinen Ferien sind. 

Unangefochten rolle ich meine Kilometer herunter und lande in der verstaubten, schneelosen Stadt, die ich nach 20. jähriger  Abwesenheit nicht mehr wieder erkannte.

Im BIPA, wo ich mir die vierte „Harrbürste“ dieses Jahres kaufte, erfuhr ich, dass das Fremdenverkehrsamt in Rohrmoos sei und nicht in Schladming, weil beide Orte sich skifahrtechnisch zu einer Einheit zusammen geschlossen hätten.

Na wieder in den Mufti ( mein Auto) und hinaus und links hinauf zum „Touristcenter“. Dort angekommen, gehen die Uhren wieder normal. Eine freundliche junge Frau, namens „Lena“, handhabt das Telefon zum Behufe mir ein Zimmer zu organisieren, in so unverfälschtem steirischem Landesdialekt, dass mir das Herz aufgeht. Und sie war auch erfolgreich. Zumindest bis Freitag hab ich hier ein Quartier und weiter will ich im Moment nicht denken. Auch der Preis stimmt : € 28 pro Nacht.  Herz was willst du mehr? Und zudem ist es ein Bauernhof, weit weg vom Getriebe der Stadt – aber auch weit weg von jeder gasthausähnlichen Stätte. Aber das stört mich nicht sonderlich – weil eine einsame Abendesszubringung im Gasthaus ohnehin nicht zu meinen Lieblingsbeschäftigungen gehört.

Nun zu meiner Unterkunft:

Es ist ein großes Zweibettzimmer, worin ich naturgemäß nur einen kleinen Raum beanspruche. Der Aufbau mit Bücherbrettern übers ganze Bett und vor allem über dem Nachtkasterl ist allerdings ein besonderes Geschenk  – trage ich doch 15 Bücher mit mir, Zeichensachen und das kleine Netbook.

Allerdings schreibe ich jetzt auf dem sattsam bekannten, kleinen und wackeligen Zimmertisch, der mit einer in Indien bestickten Decke geschmückt ist, worauf alle wichtigen Dinge, wie Geld Handschuhe, Äpfel, Schlüssel, Handy und Liftpläne und Feuerzeug und ein kleines Messer…und jetzt noch das Netbook Platz finden müssen. Fast überflüssig anzumerken, dass der Tisch, um zu einem funktionstüchtigen Stecker zu kommen, quer über die hintere Bettkante verschoben werden musste.

 

Erster Skitag.

Im Frühstückszimmer braucht man vor den zudringlichen Fragen, nach woher, wohin, wie viele Kinder und welcher Beruf, keine Angst mehr haben. Die Hausfrau ist jung und nicht mehr gewohnt verstanden zu werden. Nur die Küchenhilfe freut sich noch sichtlich, wenn man sie höflich und in ihrer Muttersprache um etwas bittet.

Das Frühstück nehme ich gemeinsam mit großen Gruppen von polnisch sprechenden (die klingen mir ja noch vertraut) und tschechisch (oder slowakisch) sprechenden Gästen zu. Ich freue mich ja für die Vermieter, aber für unsereiner ist es schon ein bisschen fremd, wenn überhaupt keine ÖsterreicherInnen oder Deutsche mehr vorhanden sind. Ähnlich geht es dann bei der Liftstation weiter – hier mischen sich alle Nationen und „Steirisch“ ist überhaupt nicht mehr zu „hören“. Zweifellos gibt es aber noch Steirer hier – wenn auch inkognito. 

Scheiss Tisch- jetzt ist mir das Netbook heruntergekippt.

In der „6er-Gondel“ geht es hinauf auf die Planai. Bin zusammen mit drei Kindern – no na net- einem dazugehörigen Skilehrer und einer jüngeren Dame in dem luftigen Kleinraum. Die Kinder reden eine furchtbar kehlige Sprache, die ich zuerst überhaupt nicht einordnen kann. Erinnert mich ein bisschen an Arabisch, aber das Arabische klang in meiner Erinnerung weicher. Diese Sprache klang exakt und überaus diszipliniert.

Erst später, als ich die Überzüge ihrer Skikleidung ein wenig näher betrachtete, fiel mir auf, dass die Buchstaben locker der hebräischen Quadratschrift zuzuordnen wären – also waren es offensichtlich israelische Kinder, die mich hier nach oben begleiteten. Dieses Erlebnis machte mir Freude, weil in diesen wenigen Augenblicken alle Assoziationen im  Hintergrund meines Denkens geweckt wurden, die sich mit israelischen Kindern verbinden und ich wünsche ihnen viele schöne und leuchtende Tage.

Anfangs war ich ein wenig unsicher – kenne den Pistenverlauf nicht – und die grafische Aufschlüsselung der Lifte und der dazugehörigen Pisten verwirrt mich eher, als dass es mir Sicherheit gibt. Also einfach hinunterfahren und schauen wie es wird. Und es wird gut. Die Pisten sind von mittlerem Schwierigkeitsgrad, aber ziemlich lang und daher etwas herausfordernd bezüglich Kondition und was das Beste ist, die Leute verlieren sich auf den Pisten, weil es so viele gibt. Die Könnensstufe ist ziemlich einheitlich – die Mehrzahl der Skiläufer kommt ganz gut hinunter – dazwischen quälen sich einzelne Anfänger und Ängstliche. Exzellente Skifahrer sind sehr selten.

Ich spüre den ersten Tag in meinen Oberschenkeln und suche Erholung in der  Hütte vom „Willi Onkel“ – eine Persiflage des Marchfelderhofes, wenn ich böse sein will. Groß und holzig – mit allem Schnickschnack, den eine Almhütte normalerweise auszeichnet, aber dennoch – tja „ich weiß nicht wie“!

Ein junger lederhosenbekleideter steirischer Landsmann begrüßt mich und schenkt mir gastfreundliche Aufmerksamkeit. Ich setzte mich zum Tisch – vor mir ein Längstisch mit einer Männerriege, die eindeutig heimischer Provenienz entstammt. Sie trinken Bier – viel – und sitzen hier so selbstverständlich, wie um Mitternacht im heimischen Wirtshaus. Sie erzählen von ihren Reisen und es tut gut ihnen zuzuhören. Später nehmen drei Herren an meinem Tisch Platz und jetzt bin ich froh, dass ich allein unterwegs bin. Diese Plusterung und Wichtigtuerei halte ich nur kurze Zeit aus, bis ich mich verabschiede und über die Zwischenlandung am WC das Weite suche ….

Jetzt geht es ans Eingemachte. Mit Essen im Magen und von Nebelschleier  umfloßen, sehe ich nur mehr ganz schlecht, aber tapfer halte ich aus und fahre noch meine Runden. Ich freue mich auch über die lange Talabfahrt, die noch ohne große offene Erdflächen zu bewältigen ist. Unten gönne ich mir ein großes Skiservice bei Charli Kahr – einem legendären Coach der früheren Skimannschaft. Ich nehme meine Skistöcke und frage mich bei den Shuttlebussen durch, bis mich einer mitnimmt und man höre und staune, mich als einzigen Fahrgast im Bus bis in die Nähe meines Quartiers bringt. Ich muss zwar noch einige Zeit mit den Skischuhen laufen, aber das macht mir eher Vergnügen als Kummer. Zudem kann ich bei dem großen Wegkreuz rasten und beten, solange ich will. Übrigens spricht der Busschofför fließend Englisch, wenn man in Rechnung stellt, dass die Leute tatsächlich NICHT einsteigen, wenn er es ihnen „ausländisch“ nicht empfehlen kann….

Jetzt werde ich mich wieder in die Lebensbeschreibung von Hieronymus oder August Rodins vertiefen – und erwarte was morgen so kommt…

 

Zweiter Tag

Der zweite Tag beginnt mit dem Versuch meine alten Kontaktlinsen einzusetzen, weil beim Sport und so…mühsam ernährt sich das Eichhörnchen…

Das  Wetter ist freundlich und es verspricht ein strahlender Skitag zu werden. Doch vorher muss noch „abgedient“ werden. In der bekannten 6er-Gondel sitzen drei Polen ein Österreicher und ich. Und man kann sich nicht vorstellen, welche Lähmung entstehen kann, wenn man 20 Minuten!!! mit  Menschen unentrinnbar zusammengesperrt ist, die ununterbrochen reden und zwar in der Überzeugung, dass sie nicht verstanden werden und daher das Recht haben, so laut wie möglich ihren wichtigen Überlegungen  Ausdruck zu geben. Ich habe sie zum Teil verstanden und das hat die Situation nicht unbedingt verbessert…

Am Vormittag geht es lustig dahin – habe noch Kraft und kenne mich aus. Ziehe meine Bogen bis Mittag und kehre wieder beim „Onkel Willi“ ein: diesmal draußen und vor mir im Blick das herrliche Bergmassiv des Dachsteins. Bestelle mir Kaiserschmarren und Apfelmus und esse mit Begeisterung. Später setzt sich ein älterer Mann zu mir, der mir zu Beginn eröffnet, dass heute Abend ein folgenschweres Fußballmatch zwischen Österreich und Dänemark stattfindet. Ich bin natürlich „unterinformiert“ und folge seinen Ausführungen nur mit gelindem Interesse. Später erklärt er mir, dass er krank sei und daher pausieren müsste, während seine Gruppe

(14 Chormitglieder aus Dänemark) die Hänge der Planai heftig beführen??? (Grammatikalisch vertretbar???)

Später plaudern wir noch über den Rang Chinas in der zukünftigen Welt, und zwar ausgehend von den allgegenwärtigen Russen, die sich hier offenbar nicht ordentlich anstellen, sondern drängeln, wie er mir berichtet. Man sieht, wie weit die völkerverbindenden  Interessen ausgespannt werden können, wenn es ums Anstellen am Lift geht (Mir fällt so was gar nicht auf, weil ich immer drängle, aber so, dass es die Andern nicht merken..)

Später jagte ich noch ein paar Hänge hinunter, bis ich in einem leeren Korbstuhl niedersinke, der von einem Kreis von Bildern aus Thailand, der Karibik und einer anderen südlichen Destination umgeben  ist. Dazu spielen sie lateinamerikanische Musik primitivster Machart. Ich habe in meinem Leben schon viel gesehen, aber diese Einrichtung mitten am Skihang verdient nur die Bezeichnung „pervers“. Das Versöhnliche an der Szenerie war nur die Halb - Durchsichtigkeit der Planen, die über die Palmen und den Sandstrand hinweg, die Fichten und Nadelbäume erkennen ließen, sodass sich eine merkwürdige Verschmelzung von Urlaubseindrücken von hier und jetzt mit Erlebnissen  aus  Sommerurlauben ergab. In Wien würde man diesen Einfall als “künstlerisches Happening“ feiern  - die Steirer sind offensichtlich noch nicht so weit und das ist gut so.

Die Fahrt ins Tal ist lang und bekannterweise am Ende ein Zielhang für Fis- Abfahrten. Doch tapfer fahre ich hinunter und kämpfe mich durch…

Der nachmittägliche Kaffeehausbesuch bindet mich wieder an die Wirklichkeit zurück.  Ich lese in der Kronenzeitung – der einzigen Zeitung, die zu haben ist – und blättere danach in der BUNTEN. Ein Augenschmaus für Männer vermute ich, die schönen abendbekleideten Damen in der BUNTEN. Darüber hinaus erfahre ich, dass sich die älteste Tochter des spanischen Königs endlich scheiden ließ und dass der liebeständelnde (nicht mit seinem Eheweib) Ehemann der Caroline von Monaco, in den Augen seiner Tante ein äußerst liebenswürdiger, kluger, freundlicher und  charmanter Herr sei – No na net!

Na jetzt bin ich wieder am Laufenden…

Abends lese ich Schriften von Gregor dem Großen, eine Lektüre, die sich viele Würdenträger angelegentlich vornehmen sollten – auch Laien, denke ich.

 

Dritter Tag:

Es ist grauslich draußen. Ich arbeite und schreibe an den Kurzbiographien der Kirchenväter und mache mich erst spät auf, um auf der Reiteralm skizufahren. Die ersten Aufstiegshilfen sind etwas antiquiert, Doppelsessellifte, was mir persönlich aber egal ist. Oben entwickelt sich allerdings ein sehr moderner Liftbetrieb. Man muss nirgends warten – alles ist klar angeschrieben und ich tummle mich herum. Als ich bei einer Abfahrt bei der Kante einer schwarzen Piste ankomme, erhalte ich einen kurze Einführung in die Kraft von negativer Energie. Der Ausdruck negative Energie ist ja an sich ein Parodoxon – das ist mir schon klar – und  vielleicht spreche ich besser von einer Atmosphäre der Angst. So etwa 15 Leute werden es gewesen sein, die an der Kante standen  und hinunterschauten und in unterschiedlicher Weise ihrer Angst Ausdruck gaben. Ich daneben und mit hinein gezogen in dieses energetische Loch. Doch dann bin ich einfach losgefahren und schon beim zweiten Schwung war mir klar, dass der Hang schlimmer ausgeschaut hat, als er tatsächlich war. Doch die seltsamen Minuten an der Kante haben sich in mein Gedächtnis gegraben. Später bin ich die verschiedenen Pisten abgegrast und dazwischen einige Zeit in der Sonne gesessen, die sich gezeigt hat, um zu erinnern, dass es sie noch gibt. Insgesamt war es ein schöner Skitag auf der Reiteralm und ich war froh dorthin gefahren zu sein.

 

Vierter Tag.

Heute  muss ich abreisen. Mein Quartier braucht jemand anderer. Schlepp, schlepp, aber schließlich ist alles verstaut. Ich fahre Richtung Schladming und treibe mich dort herum. Finde eine Nasenverankerung für meine Nebelbrillen und freue mich narrisch. Jetzt kann mir das blöde Glas nimmer anlaufen beim Fahren. Dann probiere ich Skihelme beim Intersport. Das Thema hat mich nie interessiert, aber seit gestern, wo es mich zweimal aus der vollen Fahrt gewandelt (gestürzt bin ich ziemlich heftig) hat, umkreisen manchmal mein Gedanken das Thema. Auch tragen fast alle anderen Helme und wiegen sich daher in scheinbarer Sicherheit – und fahren daher nicht selten über ihre Verhältnisse. Eine entsprechende Karambolage würde mein Kopf wahrscheinlich kaum aushalten und das wäre vermutlich nicht unter Märtyrertod einzureichen.

Aber die Helme sind schweinsteuer und ich schaue so blöd damit aus, dass ich den Kauf wieder einmal verschiebe. Auch die verbilligten Skidressen reißen mich nicht wirklich  hin und so wandere ich zum nächsten Kaffeehaus, wo ich mich beim STANDARD - lesen über die aktuellen  Stellungnahmen der neuen Wissenschaftsministerin ärgern muss. Auch erfahre ich dort, dass ein Minister der italienischen Regierung ein Mafiaangehöriger ist und zurücktreten muss. Und ich denke, die sollten die ganze Regierung austauschen, aber mit welchen Leuten?

Aus der ganzen Welt werden in feingesetzten Worten nur die Gräuel berichtet – und ich gebe das Lesen auf, weil ich das einfach nicht aushalte.

Die Hochglanz - LIVE Zeitung berichtet wieder einmal über die Oskarnominierungen und ich erfahre, dass Christine Neubauer („Das Superweib“ – eine andere Beschreibung geht offenbar über den intellektuellen Horizont der Journalisten ) nach Wien zu irgendeinem Event kommt, wo wieder Preise verteilt werden. Langsam braucht Maximillian Schell ein eigenes Zimmer für die mehr oder weniger ästhetisch geformten Blechfiguren, denke ich.

Da wandte sich Irene mit Grausen und verließ die gastliche Stätte. Weiter ging es in Richtung Hauser Kaibling.

 

Unterwegs im Ennstal

 

Filialkirche von Oberhaus

Am Weg besuchte ich noch die Kirche von Oberhaus - eine Sternderl Kirche nach dem Dehio. Ich voller Freude und Dankbarkeit stürme ich in die „Filialkirche“( so heißen Kirchen ohne Gegenwart des Heilands hierorts) und suche nach dem frühgotischen Kreuz. Und finde es nicht. Nur ein großer schwarzer Haken ganz oben auf der rechten weißen Apsiswand macht deutlich, wo es ursprünglich aufgehängt war. Wo es jetzt ist? Wahrscheinlich im Johanneum, oder einem anderen Museum, wo es unter anderen Kostbarkeiten zum Anschauen und nicht zum Beten ausgestellt ist. Meine Gedanken zu diesem Thema mag ich nicht niederschreiben – das Netbook könnte draufgehen und das wäre schade…


Eine Besonderheit prägt  das spätgotische Netzrippengewölbe, das in einem hängenden Schlussstein endet. Dieses schön restaurierte Gewölbe versöhnt mich ein bisschen, auch der Drache, der den Fuß der barocken Kanzel bildet.

 „Das Böse wird durch das heilige Wort besiegt!“, wenn es nur so einfach wäre...

 


                                                          

                                           

 

 

Pfarrkirche von Haus

Weiter fahre ich diesmal nach Haus direkt. Die Hauser Pfarrkirche ist ein Barockbau, ohne wenn und aber. Weiter Innenraum, große Altäre von mittlerem künstlerischem Rang.

Alles fein abgewogen und schön – aber nichts, was mich „berührt“. Doch das stimmt nicht ganz, weil auf den zweiten Blick die Kanzelfiguren einen eigenen  Zauber verströmen. Ich klettere auf die Kirchenbank (was man natürlich nicht darf – ich weiß schon) und fotografiere die Gestalten ganz aus der Nähe und bin vollkommen verwundert, weil der Bildschnitzer (die Statuen sind aus Holz und von etwa  halber Lebensgröße) die Charakterzüge der vier Kirchenväter in meinen Augen und nach meinen Studien der letzten Tage sehr eindringlich wiedergegeben hat. Erst später lese ich, dass die Kanzel von einem taubstummen Salzburger Bildhauer geschaffen wurde, von dem man nicht einmal den Namen weiß (Und das von einem Barockkünstler!).

Zuallererst ist mir die Gestalt des Hl. Gregors aufgefallen, den er als  sehr asketischen und belasteten älteren Mann darstellt und in einen weiten Goldmantel hüllt. Fast, als scheine ihm sein unbedecktes Haupt zu schwer, überlastet durch  die Bürde des Papstamtes, ist es weit nach rechts gebeugt und sein Blick  flehend nach oben gerichtet. Seine  rechte Hand umfängt ein überdimensioniertes Papstkreuz, während er in  der linken Hand  ein dickes aufgeschlagenes Buch hält. Alle vier Gestalten halten, umfassen oder zeigen ein Buch, als Symbol für ihre gesammelten Gedanken – als Symbol für ihren Rang als Kirchenlehrer.


 

 

Zuallererst ist mir die Gestalt des

Hl. Gregors aufgefallen, den er als  sehr asketischen und belasteten älteren Mann darstellt und in einen weiten Goldmantel hüllt. Fast, als scheine ihm sein unbedecktes Haupt zu schwer, überlastet durch  die Bürde des Papstamtes, ist es weit nach rechts gebeugt und sein Blick  flehend nach oben gerichtet. Seine  rechte Hand umfängt ein überdimensioniertes Papstkreuz, während er in  der linken Hand  ein dickes aufgeschlagenes Buch hält. Alle vier Gestalten halten, umfassen oder zeigen ein Buch, als Symbol für ihre gesammelten Gedanken – als Symbol für ihren Rang als Kirchenlehrer.

 

Augustinus verschwindet fast hinter dem großen roten Herzen, aus dem Feuerzungen schlagen, das  er in der linken Hand hält, und zwar etwa in der Höhe, wo das natürliche Herz zu finden ist. In der rechten Hand hält er den übergroßen Bischofsstab.

Auf seinen Knien liegt ein aufgeschlagenes Buch, das er mit dem rechten Ellbogen festhält. Ich muss mich verrenken, dass ich sein Gesicht aufs Foto bekomme. Er neigt den  Kopf etwas nach rechts und blickt „über“ das Herz hinauf zu Gott.


 


 

 

 

Ambrosius ist in der gewohnten Weise dargestellt. Er trägt den großen Bischofsstab in der linken Hand und hält das Buch mit der rechten Hand von unten her fest. Er sitzt ruhig da, blickt leicht über die Gläubigen hinweg und ruht in sich. Er ist in „seiner Mitte“ wie die Esoteriker sagen würden.

 

Besonders beeindruckend ist allerdings Hieronymus, wie vielleicht nicht anders zu erwarten. Hier sitzt ein Bauer mit dem Kardinalshut am Kopf, der in seiner Vergoldung etwas „überzogen“ wirkt. In seiner rechten Hand hält er die Bibel (Seine Vulgata) und streckt sie aufgeschlagen dem Betrachter  entgegen: „Seht, das habe ich durch meine unermüdliche Arbeit erreicht, obwohl ich nur der Sohn eines einfachen Mannes aus Dalmatien bin.“ In der linken Hand hält auch er den großen Bischofsstab, obwohl er selber nie als Bischof gewirkt hat. Er war im tiefsten seines Wesens Theologe, Wissenschaftler, Lehrer und Prediger, aber niemals in kirchlichen Ämtern tätig. Warum er nach der Tradition den Kardinalshut aufgesetzt bekommt????Neben ihm der legendenumwobene Löwe, den er eines Tages einen Dorn aus der Pranke gezogen haben soll. Wenn man es nicht wüsste, könnte er man aber auch jedes anderes Tier hinter dem braunen Kopf und  Haargewuschel vermuten.


 

Erst jetzt beim Schreiben merke ich, dass ich der Kanzel als Ganzes, viel zu wenig Beachtung schenkte. Sie war so unaufdringlich schön und letztlich merke ich erst jetzt, dass bei den Barockkirchen meine Aufmerksamkeit nachlässt.

Offensichtlich kann das „Zuvielgesehenhaben“ den Blick einschränken, nicht trüben – die hohe künstlerische Qualität der Kirchenvätergestalten habe ich auch ohne Hinweis aus dem Führer erkannt. Aber diese Beschränkung  möchte ich in Zukunft wieder aufheben und den Künstlern und Handwerkern der Barockzeit die Chance geben, auch ihre kleinen oder großen Mühen um künstlerische Umsetzung zu erspüren.

Im Fall der romanischen und gotischen Kunstwerke scheint es ganz einfach, weil schon allein die Allgegenwart fehlt und es zuweilen große Mühe macht, um ein gotisches Altarblatt oder gar einen gotischen Flügelaltar aufzufinden. Romanische Kirchen gibt es noch hin und  wieder, aber nur in den ganz armen Gebirgsregionen unseres Landes – romanische Kreuze und Darstellungen der Gottesmutter finden sich schon lange nur in den Museen.

Zur Zeit des Barocks ist man mit den alten Kirchen und Einrichtungen nicht gerade glimpflich umgegangen. Nur selten war die Ehrfurcht der Kirchenfürsten so gelagert, dass sie z. B. alte verehrte Madonnenstatuen aus den gotischen Altären in das Konzept einer barocken Altarwand einfügen ließen. In den meisten Fällen nahm man die alten Altäre und transportierte sie an unwirksame Plätze, wie in Gröbming oder kümmerte sich einfach nicht, was damit geschah. Und es geschah, dass sie einfach verschwanden: in Kellern, auf Dachböden oder sonst wo, wo sie langsam von Feuchtigkeit und Holzwürmern aufgelöst wurden. Diese Gedanken machen traurig, weil wir heute – in einer Zeit, die so sehr um einen authentischen künstlerischen Ausdruck ringt – einfach nicht verstehen können, warum der Abt von Admont alle zum Kloster gehörigen Kirchen mit den  neuen lebensvollen barocken Einrichtungen „beschenken“ wollte: zur höheren Ehre Gottes und zur Freude der armen Leute, die auch ihre vergoldeten, mit Säulen geschmückten Paradiesespforten vor Augen haben sollten, wo Engeln und beeindruckenden Heiligengestalten den Himmel auf Erden repräsentieren. Dagegen erinnern die ernsten und wahrheitlichen gotischen Altäre  viel eher an die eigene irdische Verantwortlichkeit,  weil fast immer das Leiden und die Erlösungsgeschichte Jesu im Zentrum der Flügelaltäre abgebildet war.

Die Krönung der Muttergottes als tragendes Motiv in gotischen  Altären ist  mehrfach erhalten geblieben – weil diese Darstellung das verfeinerte Gemüt der Barockmenschen offensichtlich weniger beunruhigte. Da wir über das Lebensgefühl der aristokratischen oder der kirchlichen Amtsträger im 17.und 18.Jh. nicht wirklich etwas wissen können, bleiben aber alle diesbezügliche Überlegungen, reine  Spekulationen.

 

Pfarrkirche von Gröbming

Meine nächste Station ist die Kirche von Gröbming. Dort wird mir ein legendärer gotischer Flügelaltar versprochen, der aber unerwartet (nach einigem Nachdenken eigentlich erwartungsgemäß) und zwar wegen der Fastenzeit, geschlossen ist. Allerdings  kann ich mich an den Bildern im Kirchenführer erfreuen, wo u.a. zu lesen steht:

Das zentrale Element des Flügelaltares ist der große Schrein, der sich in drei Geschoßen aufbaut, die wiederum durch schlanke Säulchen in fensterartige, von Baldachinen bekrönte Räume unterteilt werden. In diesen solchermaßen entstandenen Raumeinheiten sind nun in den beiden unteren Geschoßen, je fünf Apostelfiguren aufgestellt, während im obersten Geschoß, das bereits in den abschließenden Spitzbogen hinaufreicht, in der Mitte der thronende Christus und zu seinen beiden Seiten die Apostelfürsten Petrus und Paulus zu sehen sind; die im Volksmund schon seit jeher gebräuchliche Bezeichnung „Apostelaltar“ trifft demnach, was den Schrein anlangt, tatsächlich zu.

Dazu wäre noch zu bemerken, dass dieser Altar mit fehlender Rückwand, ursprünglich im Scheitel des Chorraums aufgerichtet war, wodurch die Figuren auch von hinten beleuchtet wurden, was dem  Altar einen ganz besonderen Zauber hinzufügte.

An der geschlossenen Seitenwand fehlt naturgemäß das Licht als künstlerisches Element.

Es lebe die Bauinitiative des Kloster Admont!

Die Schauwand des Barockaltares in der Apsis ist allerdings ein wahrhaft beeindruckendes Werk.

Im Zentrum findet sich  die Gnadenstatue aus der Mitte des 15.Jh., die von einem blauen Rahmen umfasst wird, worin sich sechs  kleine Engel tummeln. Dahinter bauscht sich ein roter mächtiger Samtvorhang, der wieder von sechs Engeln (diesmal von mittlerer Größe) gehalten wird, während zwei  mächtige Engelsgestalten das ganze künstlerische Gefüge flankieren. Dass vom Muttergottesbild goldene Strahlen in alle Richtungen weisen, braucht nicht näher erwähnt werden. Auch scheint die Anordnung von je drei Säulen links

und rechts vom Zentralbild  schon barocke Selbstverständlichkeit. Besonders schön und eindrucksvoll präsentiert sich aber die engelflankierte Bekrönung des Altarrentabels – offene Architektur, in der Mitte Symbole der Hl. Dreifaltigkeit und darüber, als Abschluss das IHS im Strahlenkranz. Dass sich an der Basis des Altaraufbaus, zwischen und vor den Säulenbasen mächtige Heiligengestalten erheben,  versteht sich fast von selber. Und mit sicherem Stilgefühl wird im  Tabernakelaufbau die leichte Architektur der Schauwand wiederholt – mit kleinen goldenen  Säulen und flankierenden Engeln.

An der linken Wand des Presbyteriums wurde die Muttergottes des frühbarocken  Altares rettend bewahrt..

Nach allem inneren Hin und Her wegen des verschlossenen Apostelaltares und der Gegenwart einer etwas beschränkt wirkenden  Kirchenwärterin, die lärmend den Steinboden staubsaugt, flüchte ich in die barocke Seitenkapelle, die zu dem hochgotischen Kirchschiff nicht wirklich „conveniert“ – lateinisch gesagt - wie die Faust aufs Auge wirkt. Aber trotzdem-

wenn man in der kleinen Kapelle einmal drinnen steht, dann entwickelt sich einen eigenartigen Zauber, der eindeutig von der wunderschönen Kreuzigungsgruppe ausgeht, und nicht so sehr von der rosa Bemalung und den weißen Stuckornamenten drauf. Auch nicht von dem eher winzigen Dreifaltigkeitssymbol am Scheitel der Kapellendecke.

 

 


 

 

 


Es sind die  lebensgroße Figuren von  der Mutter Maria und Johannes, die in großer  Bewegung den Betrachter in das Geschehen hineinholen. Christus hängt in gespannter Ruhe am Kreuz, den flehenden Blick zum Vater erhoben.

Dieser  ist im oberen Gesprenge als Halbfigur dargestellt, gerät aber nicht in die Blickrichtung seines gequälten Sohnes. Eher schon der Hl.Geist, der als Taube unmittelbar über dem Ende des Längsbalken hernieder - oder besser hinauf flattert, weil in der Position, wie er abgebildet ist, kein Vogel fliegen kann.

Und mit dieser barocken Eigenart der Darstellung beginnen die Probleme. Die Freude am dramatischen Geschehen, die Lust an Bewegung und Ausschmückung, der Reichtum an Verzierungen und Details und das alles  in großer Farbigkeit, besticht das Auge des Betrachters. Allerdings schafft man auch bei gutem Willen nicht mehr als einen oberflächlichen Gesamteindruck  dieser gewaltige Altarrentablen mitzunehmen, weil die Darstellung der einzelnen Heiligen, das Altarbild, die Tabernakelgestaltung, als Einzelheiten die Aufmerksamkeit nicht fesseln mögen, sondern eins aufs andere bezogen, ein Gesamtkunstwerk von dramatischer Kraft ergeben wollen. Und in den meisten Kirchen gelingt es diesem Anspruch zu genügen. Obwohl in den Dorfkirchen die großen Bildhauernamen fehlen und manche Heiligengestalten schon hart an der Karikatur vorbeischrammen, nimmt es doch wunder, wie einheitlich, kraftvoll und künstlerisch selbstverständlich, die einheimischen Bildschnitzer und Maler die Konzepte ihre großen Altaraufbauten mit Holz und Farbe umsetzten.

 

Dennoch – und das ist mein ureigenstes Problem – muss man in einer Barockkirche einige Zeit zubringen, bis man eine Ecke, eine Kapelle findet, wo man ins Gebet hineinfinden kann.

In gotischen Kirchen gelingt es auch nicht ohne Mühe, aber es ist dort anders. Eine gotische Madonna auf irgendeinem Potest, eine ernstes Kruzifix und vielleicht ein kleiner Altar ziehen an und holen den Betrachter ganz schnell hinein in das Gebet und die Stille zwischen Gott und dem Menschen. Und die romanischen  Kirchen sind bei uns ja so klein und meist in wunderbarer Landschaft gelegen, dass sich das Gebet nahezu von selbst ergibt.

 

Man mag jetzt einwenden, dass die Barockkirchen vor allem den versammelten Gemeinden dienen sollten, als Raum, wo die heiligen Geheimnisse in besonderer Weise  gefeiert werden sollten. Der Einwurf sticht, aber die gotischen Kirchen und Kathedralen waren ja auch mächtige Räume zum Feiern und Beten, und trotzdem strahlt ein anderer Geist von den gotischen Gewölben herab. Es ist ein Geist der Erhabenheit, der Sammlung und Einfachheit, der das Zerstreuende, Ablenkende nicht fördert. Dasselbe gilt auch für die gotische Einrichtung, wie Altarschreine, Andachtsbilder und Kreuze, die trotz ihrer oft geringen Größe die Aufmerksamkeit der Feiernden und Betenden zu zentrieren vermögen.

Demgegenüber erscheint mir die barocke Kunstform, als ein zweifellos erhabenes, aber trotzdem  als  Spiel  mit allen künstlerischen Gestaltungsmöglichkeiten, die das Auge erfreuen und ablenken.

Und es erfreut mich  der barocke Raum der  Pfarrkirche von Öblarn, die ich als nächste auf meiner Reiseroute besuche. Auch hier bedeckt ein gewaltiger Altaraufsatz die Ostwand des Presbyteriums. Auch hier ist das Konzept,  großes  Altarbild, flankiert von Säulen, dazwischen Heiligenstatuen wieder eindrucksvoll umgesetzt. Da es sich um einen barocken Bau, und nicht um eine adaptierte gotische Hallenkirche handelt, erlaubte der Altarraum eine  ausladendere Architektur nach beiden  Seiten,  die in je zwei flankierenden Rundbogen  Ausdruck findet. Besonders eindrucksvoll an dem Altaraufbau erscheint mir die nach oben abschließende Bekrönung, die in bogenförmigen Architraven, die ineinander  verwoben scheinen, dem Altar einen ungewöhnlichen Bildcharakter verleihen, d.h. dass hier die Leichtigkeit des obere Gesprenges hier durch einen massiv wirkenden Bogenarchitektur ersetzt wird.

Wichtig ist noch, dass zwei Heiligenfiguren, der Hl. Benedikt und Hl. Leonhard direkt aus der Hand des  bekannten Schnitzmeisters, Jos. Thaddäus Stammel hervorgegangen sind. Und das merkt man, auch ohne Hinweis aus dem Dehio.

Auch in der Barockzeit liegen Welten zwischen künstlerischer Arbeit und handwerklichen Tun. Meine Lieblingsfigur des Altares befindet sich allerdings ganz oben in der Mitte des Abschlussbogens, wo sich naturgemäß eine Reihe von Engeln tummeln. Meine Figur ist aber ein Auferstandener, der vor dem Bogen gleichsam herabschwebt. Er trägt nur ein rotes flatterndes Gewand um Hüften und Beine und wirkt schwerelos und glücklich. Beim näheren Hinsehen bemerke ich, dass der dunkle Raum hinter ihm das Grab andeuten soll, das er gerade verlässt. Das kann man von unten aber nicht erkennen, erst im Nachhinein am Foto.

 

 


            Altarwand mit den beiden Mönchsgestalten von Jos. Thad. Stammel

 

 

 

 

 

Pfarrkirche von Irdning

Mein nächstes Ziel die Pfarrkirche von Irding. Ein gotischer Bau, der mit Umsicht und Einfühlung restauriert und neu gestaltet wurde. Wenn man die Kirche betritt,  durchquert man die gotische Eingangshalle unter dem Turm, die  sehr archaisch und gleichzeitig modern anmutete, weil der Raum zum Hauptschiff hin, mit einer Glaswand abgeschlossen ist. Das Hauptschiff ist vierjochig angeordnet und mit Netzrippengewölbe versehen. In der Apsis – ein barocker Neubau -  zieht ein moderner Glasaltar, der von zwölf schräggestellten Quadrathölzern getragen wird - die erste Aufmerksamkeit auf sich.

 


Die barocke Altarwand ist architektonisch sehr leicht und schwebend  gestaltet. Die vorherrschende Farbe ist schwarz mit reicher Vergoldung. Das Altarbild zeigt die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus, wie sie voneinander Abschied nehmen, um ihren Weg zum Matyrium anzutreten. Blickfang des Altares ist der große Tabernakelaufbau, der das untere Drittel der Altarwand einnimmt. Ganz in Gold gehalten, von Engeln umschwebt und Säulen flankiert, birgt er die Hostien im kostbaren Schrein.

Ein Rosenkranzaltar 1640 entstanden, verbreitet einen ganz eigenen Zauber. Auf den ersten Blick wirkt er ein bisschen biedermaierlich und verstaubt. Doch auf dem zweiten Blick enthüllen sich die einfachen und liebevolle Darstellungen der einzelnen Geheimnisse und die große Mühe, womit das komplizierte Konzept des  Rosenkranzgebetes hier in Bildern umgesetzt wurde. Meine ganze Liebe gehört aber der Gestalt eines Hl. Sebastians, der auf einem  großen leeren Wandstück ihre  spirituelle Kraft entfalten kann.

 

 

 

 

 

 


 

 

 

 

 

 

Insgesamt ist die Einrichtung – etwas nachlässig ausgedrückt – ein Sammelsurium aus vielen Stilepochen, angefangen von der Frühgotik, bis hin in die Moderne. Die geistige Kraft des Raumes wird durch das fehlende Gesamtkonzept der Einrichtung aber in keiner Weise beeinträchtigt.

 

Wallfahrtskirche von Oppenberg

 

Meine nächste Station, die Wallfahrtskirche von Oppenberg ist nicht sehr leicht zu erreichen. Zunächst geht es längere Zeit über die Bundesstrasse nach Rottenmann und von dort auf einer Schneefahrbahn hinauf in die Hügel. Zwischendurch frage ich mich, ob es Sinn macht auf der glatten Bergstrasse weiter zufahren, aber es geht eigentlich ganz gut und ist in Wirklichkeit nur eine Strecke von 10 Kilometer, die ich ohne Schwierigkeiten überwinde. Oben angekommen erfahre ich beim Kirchenwirt, dass ich nur mit einem Allradgetriebe zur Kirche komme, aber zu Fuß in 5 Minuten unten sei. Ich nehme also den Kirchenschlüssel und meine Kamera  und mache mich mit den Sportschuhen auf den Weg. Zwar geht es streckenweise über schneeverwehte Wegstücke, wo mir der Schnee in die Schuhe hineinfällt, aber schließlich steht sie vor mir die Wallfahrtskirche – klein und romanisch.

 

 


 

 

Ich sperre auf – mit einiger Mühe -  und betrete den uralten Raum.

Links an der Wand erblicke ich Reste von frühgotischen Malereien, wo unter Blattrankenfries der Hl.Georg und der Hl. Michael und das Jüngste Gericht undeutlich erkennbar sind. In der schlichten schwarzgoldenen Barockaltarwand ist das Gnadenbild der Muttergottes eingearbeitet, umgeben mit einer Strahlenaureole und flankierenden Engeln. Die  Apsiswand trägt auch noch Spuren der einstigen Bemalung: Medaillons von Heiligen und Engel. 

 

 


Detail aus dem Jüngsten Gericht


Engelmedaillon am Gurtbogen zur Apsis


                        Lamm Gottesmedaillon

Das eigentliche Herz der Kirche – und zwar für mich – entdecke ich in der rechten Seitenkapelle: einen Altarschrein der Anbetung durch die Magier, einer vortrefflichen Schnitzarbeit, Ende des 15 Jh. aus der Werkstatt des Erasmus Grasser (zit.nach Dehio Stmk.). Das Altarblatt, davon ich schon seit Jahren eine gut fotografierte Diareihe besitze, zeigt die Anbetung der Magier in einer sehr dramatischen raumfüllenden Weise. In der linken unteren Ecke hält Maria den kleinen nackten Jesus auf ihrem Schoß. Er  ist aber nicht kleinkindhaft brav, sondern greift mit der rechten Hand nach dem goldenen Kelch, den ihm der erste Magier hinhält, während er in der linken Hand schon ein Goldstück hält. Bei genauerer Betrachtung, scheint die Gestalt des Jesukindes nicht besonders geglückt. Es hat zu lange Arme und Beine und viel zu große Hände. Auch scheinen mir die Nasen aller Beteiligten unverhältnismäßig  groß geraten, auch die von der Gottesmutter.  Aber trotz aller scheinbarer Mängel wirkt das Altarblatt einfach faszinierend und ich könnte hier Stunden das kleine Bildwerk betrachten und nicht müde werden.

 


Wirklich traurig macht mich die barocke Fassung des Altarblattes, die schwarz bemalt ist und geradezu drückend hässlich wirkt. Auch die beiden Heiligengestalten die den Altarrahmen flankieren sind das Werk eines nur mäßig begabten Holzschnitzers, wenn man gelinde urteilt. Aber was soll es, wichtig ist, dass die Anbetung der Könige erhalten blieb, auch wenn man sie keiner entsprechenden künstlerischen Umrahmung würdigte. Abschließend möchte ich noch hinzufügen, dass ich vor meinem Besuch hier, nicht wusste, dass ich gerade diese mir längst vertraute „Anbetung“ finden würde. Daher war ich doppelt glücklich über meine Begegnung mit dem Original.

Da es schon spät war und mich die Strassenverhältnisse nicht verlocken länger zu bleiben, gebe ich den Kirchenschlüssel zurück und fahre wieder bergab. Gemütlich war es schon beim Kirchenwirt in Oppenberg und ich wäre gern geblieben. Aber ich kann ja im Sommer wieder vorbeikommen und vielleicht länger bleiben….

Über Selzthal geht es wieder nach Westen über Liezen nach Tauplitz. Ich nehme bei der Tante von Alois Quartier. Am Abend plaudern wir bei einer Tasse Tee über die Familie und ganz allgemeine Themen.

 

Tauplitz

 

Fünfter Tag

Nach dem Frühstück breche ich auf  Richtung Liezen. Ich brauche warme Schuhe und hoffe etwas moonbootartiges zu bekommen. Es braucht einige Geschäfte bis ich Erfolg habe, aber schließlich nenne ich schwarze Kunststoffstiefeln mein eigen, die mit riesigen Klettenverschlüssen ausgestattet sind. Irgendwo habe ich einmal gehört, dass man im Alter wieder kindlich wird. Ich beginne mit Winterstiefeln mit Klettverschlüssen, wo man keine Masche zu binden braucht. 

Meinen Hunger stille ich in der Kebab-Pizza- Stube am Rathausplatz. Dieses Lokal hat den Charme einer Garage, aber die Pizza schmeckt ausgezeichnet und als ich den Koch und gleichzeitigen Kellner frage, ob er Türke sei, verschließt sich kurzzeitig sein Gesicht. Als ich aber von meiner  Kappadokienreise erzähle, strahlt er mich mit einem unvergesslichen Lächeln an. So einfach ist es ein bisschen Wärme zu verbreiten.

Später lande ich im stadteigenen EKZ. Und hier ist es wie überall. Die verschiedenen Markenläden präsentieren sich hier vor steirischem Publikum genauso wie in der Großstadt. Es gibt alles, was es auch in Wien gibt. Nur das Management von EUROSPAR  scheint sich ein wenig darauf zu konzentrieren, dass am Land einige andere Sachen gebraucht werden könnten, als in der Stadt. So gibt es kein Studentenfutter, aber ein großes Sortiment von Zutaten für Kuchen und Mehlspeisen.

Ich kaufe mir Rosinen und Mandeln – eine Notnahrung, die  ich unterwegs häufig einsetze. Spart Ärger und Zeit!

Am Nachmittag wird am Reisebericht gearbeitet und  in den Kirchenvätern gelesen.

Die  abendliche Wanderung zur Abendmesse fühlt sich gut an. In der kleinen Kirche beten die Frauen schon den Rosenkranz. Es herrscht ein angenehmes Halbdunkel und es fällt leicht, in das Gebet einzusteigen. Später, kurz  vor der Hl. Messe werden die Luster erleuchtet und ich bemerke ein sehr dunkles und nicht gerade unbekanntes Altarblatt. Später lese ich nach und erfahre, dass es eine Kreuzigung vom  Kremser Schmidt wäre. Das runde große Bild ist  in einem einfachen Goldrahmen gefasst, der mit goldenen Draperien umgeben ist. Links und rechts des Bildes grüßen zwei mäßig künstlerische Gestalten von Petrus und Paulus von Konsolen herab. Die Seitenaltäre sind durch Fastentücher verhüllt und unsichtbar, was vielleicht nicht wirkliche ein Verlust ist.

Als eine besonders feine Arbeit erscheint mir der Corpus auf dem Vortragekreuz und dieser Meinung ist auch Dehio. Das gotische Standkreuz,  das sich in der Sakristei befinden soll bekomme ich nicht zu Gesicht.

Die Abendmesse wird von einem sympathischen jüngeren Priester gestaltet. Er feiert die Messe, predigt sehr gut und ist gleichzeitig Kantor mit einer schönen Stimme. Später wandere ich wieder meinen langen Weg zurück über schneebedeckte Straßen und ganz glücklich, dass ich endlich wieder eine Hl. Messe mitfeiern konnte.

 

 

Sechster Tag

Am Sonntag ist das Wetter schön und ich beschließe,  den Tag skifahrend zu verbringen. Weiß man eigentlich  so im allgemeinen, wie sich die Sicherheitselemente von Dingen entfernen lassen, die man  in den Geschäften zur elektronischen Überwachung anbringt? Normalerweise werden sie  nach dem Kauf  scheinbar mühelos entfernt::  durch Drehen in einer kleinen Vertiefung am Verkaufstisch.  Bei mir hat es eine Dreiviertelstunde gedauert, bis ich mit Schraubenzieher, Seitenschneider, Kombizange, Stanleymesser den verflixten Stahlstift entfernen konnte, der durch das Brillenband und die  Kinnhalterung von meinem Skihelm gezogen war. Ich will mich darüber nicht verbreitern, aber es war eine elendiglich frustrierende Hacklerei. Warum es nicht im Geschäft gemacht wurde? Ich habe den Helm in der Schachtel gekauft und nicht gesehen, dass er elektronisch gesichert war.  HERVIS hatte Abverkauf und ich erstand dort einen Skihelm um die Hälfte billiger. Ich habe ihn am Sonntag auch schon den ganzen Tag getragen und lebe noch. Heute war es am Morgen aber so schön, dass ich wieder auf mein altbewährtes Fellstirnband zurückgegriffen habe und meine alte, reparierte Schneebrille in gelb. War ein Fehler, weil der Helm eindeutig wärmer ist als das Stirnband und es gerade heute extrem kalt war, trotz Sonnenschein. Trotzdem war es heute sehr vergnüglich für mich, da Eis und zusammengeschobener Schnee keine wirkliche Herausforderung mehr sind, weil ich schon  ein paar Tage auf den Bretteln stehe.

Am Sonntag, nach der Helmgeschichte wurde ich im Sessellift von einer älteren Frau und einem 8jährigen Buben begleitet. Oben angekommen, bestand er darauf mir die Abfahrten zu zeigen und forderte mich in einer Weise auf mitzukommen, dass ich nicht nein sagen konnte. Es war auch vergnüglich mit den Beiden – die Frau war seine Mutter und nicht seine Großmutter, wie ich anfangs dachte – und schließlich nahm er mir das Versprechen ab, dass ich ihm aus Wien eine coole Karte schreiben solle. Ich stehe also am Skihang und tippe seine Adresse ins  Handy, damit  ich ihm nach Mitterndorf eine Karte schrieben kann –  irgendwie schon verrückt oder?

Am Nachauseweg sehe ich eine junge Frau gerade niederfallen und ich merke, dass sie am Ende ihrer  Kraft ist. Sie fiel einfach auf die Seite, wie ein völlig erschöpftes Pferd. Ich warte und spreche sie an und  biete ihr an zu helfen. Ihr Partner, der sichtlich besser am Ski steht, meint, dass er nicht wisse wie helfen! Daraufhin fahre ich ihr Pflugbogen vor, die sie zwar nicht nachfahren kann, die ihr aber Sicherheit geben und am Ende habe ich sie ohne Sturz ins Tal hinunter geführt.

Jeden Tag eine gute Tag Irenchen!

 


 

 

Siebenter Tag:

Heute Montag,  ein ganz normaler Skitag. Zu Mittag habe ich im Naturfreundehaus Suppe gegessen und meine Tischgenossen über Krankheit und alte Zeiten sprechen gehört. War gerade nicht erbauend und ich wünschte mir die „Dummgespräche“ meiner Schüler von meinen früheren Skikursen herbei – aber man kann ja nicht alles haben. Um 15 Uhr hat es mir gereicht – ich wollte nicht mehr frieren - und bin abgefahren. Der Rumtee unterwegs  in der Pfannerhütte hat gut geschmeckt und mich in frühere Zeiten versetzt – auch mir passiert  das manchmal – als Hubert in Wildegg das Lieschenlied memorierte. Dieses unglaublich geistvolle  Lied ertönte hier weit ins Land, verstärkt durch Lautsprecher zur Erbauung der ganzen Umgebung.

 

 

 


 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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