Irene Kohlbergers SALVETE

Albanien

ALBANIEN

26.Oktober bis 2. November 2014

„Was machst denn in Albanien? Warum reist du ausgerechnet dort hin?“ - Das war ungefähr der Tenor der Fragen, wenn ich meiner Umgebung von meinen Reiseplänen mit dem Akademischen Reisedienst berichtete.

Ja, warum habe ich mich dieser Reise angeschlossen? Im Grunde war es der Wunsch das europäische Land zu besuchen, das in den letzten Jahrzehnten völlig abgeschottet, nahezu unerreichbar, sich an der Westküste des Balkan ausdehnt. Noch vor der Wende war ich immer wieder in Sagiada, einem damals völlig einsamen Fischerdorf in Griechenland, knapp vor der albanischen Grenze. Und ich fühlte immer wieder die Sehnsucht auf der Sandpiste einfach nach Norden weiterzufahren, um in das geheimnisvolle unbekannte Land vorzudringen. Doch war dies völlig unmöglich: Enver Hoxha war damals an der Macht und hatte beschlossen, Albanien völlig isoliert, ohne irgendwelche außenpolitische Berührung in sein „Glück“ zu führen.

Ich denke, dass alle Diktatoren von sich meinen, dass sie unsterblich seien. Doch ist jeder der russischen Mächtigen, von Stalin bis Breschnew schließlich gestorben und wahrscheinlich gilt es auch für die jetzigen Machthaber. Das ist die wahre Tragik aller Diktatoren…

Vor allem wollte ich das Land und die Spuren der Antike kennenlernen. Darüber hinaus erwartete ich mir eine Vertiefung des Wissens über das spätere Schicksal dieses Landstriches - das mir die Reise auch in hohem Maße gebracht hat. Unserem Reiseleiter Dr. Trachta, einem profunder Kenner der antiken und byzantinischen Vergangenheit, gelang es den Bogen zwischen historischen Ereignissen und dem geistigen Hintergrund, der sich in den Religionen abbildet, meisterhaft zu spannen, wofür ich ihm herzlich danke. Dazu kamen meine täglichen Gespräche mit unserem Chauffeur, der sich Englisch im Selbststudium beigebracht hatte und von den täglichen Sorgen der Menschen im Hier und Jetzt erzählte.  

Geschichte

Etwa um 1000 v. Chr. besiedelten die Illyrer den Westbalkan, und zwar in kleinen Stammesverbänden. Ab dem 6. Jh. begannen die Griechen in den westlichen Mittelmeerraum vorzudringen und  an der albanischen Küste die Städte Apollonia, Dyrrachium (Durres) und Lissos (Lezha) zu gründen. Im bergigen und schwer zugänglichen Hinterland gab es  zur selben Zeit die ersten Stammeskönigtümer und städtischen Aristokratien. Es entwickelte sich ein reger Austausch mit den Griechischen Küstenstädten und man nimmt an, dass die Eliten der Stämme auch Griechisch sprechen konnten. Während des Peloponnesischen Krieges (4. Jh. v. Chr.), wo der direkte griechische Einfluss etwas gesunken war, kamen die illyrischen Stadtkulturen zu ihrer Hochblüte: Lyssos, Byllis und Amanti. Unter den Taulantinern und ihrem König Glaukias entstand das erste Mal ein illyrisches Großreich. Ab den 4. Jh. drängten die Mazedonier nach Westen vor und machten den Molossern (Volk im Epirus) ihr Siedlungsgebiet immer wieder streitig. Immer wieder versuchten einzelne Stammesführer ein überregionales Reich zu gründen, aber es blieb immer beim Versuch. Die ausgedehnten Tallandschaften und die großen, unwegsamen Berggebiete scheinen eine stabile Staatenbildung der Illyrer immer wieder verhindert zu haben.

Die Piratentätigkeit der Illyrer wurde schließlich im 2.Jh.v.Chr. von den Römern zum Anlass genommen, einen Brückenkopf an der dalmatinischen Küste einzurichten. 168 v. Chr. wurde König Gentios der letzte illyrische Herrscher geschlagen, die illyrischen Gebiete romanisiert und unter Cäsar als Provinz Illyricum in das Römische Reich eingegliedert.

Das griechische Apollonia konnte auch unter den Römern seine Eigenständigkeit bewahren. Es blieb ein lebendiges Kulturzentrum, worin auch ein großer Anteil von illyrischer Bevölkerung lebte. 395 n. Chr. kam es zur folgenreichen Teilung des Römischen Reiches, die sich für Albaniens religiöse Geschichte nachhaltig auswirkte. Der Norden der Provinz bis zu Shkodra und Lezha blieb unter dem Einfluss Westroms und daher katholisch, der Süden gehörte zum äußersten Rand des Byzantinischen Reiches und wurde daher Byzantinisch Orthodox. Auf den Ruinen der antiken Städte erblühten in der byzantinischen Spätantike nochmals christlich geprägte Zentren, die im Ansturm der West- und Ostgoten im 5. und 6. Jh. allerdings zugrunde gingen. Die slawische Invasion vom 7. Jh. setzte dann fort, was die Gote begonnen hatten und verdrängte die Illyrische Bevölkerung in den heutigen Südwesten des Landes.

Im frühen Mittelalter weiteten die Bulgaren ihr Großreich bis an die Adria aus und unterwarfen die Slawen und später die albanische Bevölkerung. Während sich die Normannen an der Küste behaupteten, entstand in Kruja das erste souveräne albanische Fürstentum, woraus sich aber kein überregionales Königtum entwickeln konnte. Im 12. und 13. Jh. wurde Albanien zu einem wichtigen Stützpunkt der Kreuzfahrer auf dem Weg nach Jerusalem. Im 14. Jh. expandierten die Serben als neue Macht in Richtung Westen, während die Venezianer vom Norden her ihren Einfluss auf die Küstengebiete geltend machten.

Der neuen Bedrohung durch die Osmanen hielten die geeinigten Stämme unter der Führung des verehrten Volkshelden Skanderbeg etwa 25 Jahre stand. Doch als Skanderbeg im Jahre 1468 in Lezha starb, war das Land durch den jahrelangen Widerstand ausgeblutet, die Bevölkerung dezimiert und große Teile des Landes verwüstet. Nach dem Fall von Shkodra, Lezha und Drisht zogen sich die Venezianer zurück und das albanische Gebiet wurde dem Osmanischen Großreich eingegliedert. Alle Landesteile wurden von den Türken politisch und wirtschaftlich kontrolliert und sukzessive islamisiert. Ausgenommen der äußerste Norden des Landes um Shkodra, der immer katholisch blieb und die unzugänglichen Gebiete in den albanischen Alpen, sowie manche Regionen an der albanischen Riveraküste, wo mehrere Dörfer bis in die Neuzeit orthodox blieben und mit erhöhten Abgaben an die Osmanen zufriedengestellt wurden.

Die Repressalien durch die osmanische Besatzer hatte immer wieder Flucht wellen in das benachbarte Italien zur Folge. Erst im 17. Jh. hatte sich das Land etwas erholt, sodass ein gewisser wirtschaftlicher Aufschwung bemerkbar wurde.

Ende des 19.Jh. setzte sich die Rilindja Bewegung für die Wiedererlangung der albanischen kulturellen Identität ein, wo es vor allem um die albanische Sprache ging. Und als nach dem Zerfall des osmanischen Reiches die totale Aufteilung Albaniens drohte, erklärte 1912 eine kleine Gruppe politisch orientierter Intellektueller unter Ismael Qemali, Albanien für unabhängig. Als unter der Herrschaft des albanischen selbsternannten König Zogu I. das faschistisch regierte Italien Einfluss auf das Land nahm, wurden die ersten demokratischen Bewegungen im Land schnell niedergeschlagen. 1939 kam es zur Besetzung Albaniens durch Italien - 1943 übernahm das Deutsche Reich dann die Besatzerrolle.

Bis 1944 führten die Albaner einen Partisanenkrieg gegen die italienischen und später deutschen Besatzer. Diese hatten dem albanischen Marionettenstaat auch Teile Kosovos, Mazedoniens und des griechischen Epirus angeschlossen. 1944 wurde Albanien von der faschistischen Fremdherrschaft befreit. Enver Hoxha wurde der Führer der durch die kommunistische Partei errichtete Diktatur. Die Vorkriegsgrenzen wurden wiederhergestellt. In den folgenden vier Jahren ging Albanien ein Bündnis mit dem Jugoslawien ein. 1948 folgte der Bruch mit Jugoslawien und eine Phase der Anlehnung an die Sowjetunion begann.

1955 wurde das Land Mitglied im  Warschauer Pakt, im gleichen Jahr auch Mitglied der UNO. 1961 kam es zum Bruch mit der Sowjetunion und einer darauf folgenden Anlehnung an die Volksrepublik China.

1967 wurde ein totales Religionsverbot erlassen. Albanien wurde zum „ersten atheistischen Staat“ erklärt. Ein Jahr später trat Albanien aus dem Warschauer Pakt aus und blieb auf stalinistischem Kurs. Aus Angst vor einer feindlichen Invasion wurden hunderttausende Bunker errichtet. Einige Jahre bestand ein Bündnis mit der Volksrepublik China, allerdings erfolgte eine zunehmende Selbstisolation des Landes. 1985 starb Enver Hoxha, zum Nachfolger wurde Ramiz Alia ernannt. 1990 wurde das kommunistische Regime gestürzt und eine Massenauswanderung der Albaner begann.

Der anschließende Transformationsprozess verlief zunächst nur schleppend und ohne große Erfolge. 1991 wurden die ersten freien Wahlen abgehalten, Sieger waren die Kommunisten. Die Demokraten unter Sali Berisha übernahmen die Regierung 1992 und leiteten Reformen ein. 1995 wurde Albanien in den Europarat aufgenommen.

In den ersten Jahren des neuen albanischen Staates kamen durch die Auslandsalbaner große Geldmengen ins Land, die zu Hause aufbewahrt wurden. Unseriöse Investment-Firmen, die nach außen wie Banken operierten, versprachen den unerfahrenen Albanern Renditen bis über 20%, die ausschließlich am Papier bestanden. Das Geld floss in luxuriöse Hotelbauten, in den Drogen oder Waffenhandel. Obwohl der internationale Währungsfond immer wieder warnte, schritt die Regierung nicht ein, sodass die Politiker bis heute unter dem Verdacht stehen, sich im großen Stil an den illegalen Geschäften bereichert zu haben. Letztendlich gab es in Albanien keine Familie, wo nicht zumindest ein Mitglied unter den Geschädigten war. Bis heute wurden von keiner Regierung die Hintergründe dieser Machenschaften aufgeklärt. Nachdem das Pyramidensystem zusammengebrochen war, begannen 1997 Massenproteste gegen die Regierung in Vlora, die sich schnell auf Südalbanien ausweiteten, wo die öffentliche Ordnung zeitweise völlig zusammenbrach. Kriminelle Banden plünderte die Waffenlager des Militärs, sodass im ganzen Land Schusswaffen in Umlauf waren. Die Volkswut richtete sich vor allem gegen staatliche Einrichtungen, die blind zerstört wurden. Die Übergangsregierung hatte die politische Kontrolle verloren und es herrschten anarchische Zustände im Land. Erst eine 6000 Mann starke  internationale Friedenstruppe konnte die Ruhe wieder herstellen und die Entwaffnung der Bevölkerung einleiten. Internationale humanitäre Hilfe musste anlaufen, um zumindest die lebensnotwenigen Aufbauarbeiten zu leisten.

In den letzten zwanzig Jahren sind tiefgreifende Reformen zur Modernisierung des Landes auf den Weg gebracht worden. Doch fehlt zumeist der politische Wille diese auch durchzusetzen, und zwar auf allen Ebenen, von der Regierung bis zur kommunalen Instanzen. 

Resümee dazu: Das Unwichtig zuerst!                        

Dazu kommt eine flächendeckende Korruption in allen Bereichen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.  

Im Grunde ist Albanien in den letzten Jahrhunderten immer unter massiver Unterdrückung gestanden. Angefangen von den Osmanen, über die Italiener, das deutsche Hitlerregime bis hin zu Enver Hoxha, der letztlich jede Unabhägigkeitsbestrebung in ihrem Keim erstickte. Kein Wunder also, dass der Glauben an die Eigene Kraft und Fähigkeit in den Menschen kaum entstehen konnte und man dem erstbesten Scharlatan hereinfällt, der so tut, als wüsste er am besten, wie man den Leuten hilft ein normales gutes Leben zu führen.

Tirana

Diese junge Hauptstadt war bis 1912 ein Dorf mit einer zauberhaften kleinen Moschee aus dem 18. Jahrhundert. Wir wohnen im Hotel International, dem Zentrum Tiranas gegenüber, bzw. als Teil dessen. Vor dem Hotel erstreckt sich eine ovale weite Wiese, wo Skanderbeg auf einem bronzenen Pferd seinen Siegen entgegen reitet, während ständig der Kreisverkehr um die grüne Fläche lärmt.

               

Manchmal bewegen sich die großen Autoschlitten in Viererreihen um den Platz - mehrheitlich der Marke Mercedes - um sich ständig hupend den Raum zu erzwingen, den sie für nötig erachten. Im Süden wird der Platz von Bauten aus der italienischen Besatzungszeit begrenzt. Es sind Gebäude mit harmonischen Fassaden, aber ohne entsprechende Ausdehnung. Hier hat man nur das Nötigste investiert, um Räume für die italienische Verwaltung zu schaffen. Im Osten des Platzes erhebt sich die Moschee, etwas eingezwängt vom Kulturpalast, der als Geschenk Chruschtschows begonnen wurde.

                         

                   

Die Moschee Et’hem Bey und der naheliegende Uhrturm sind zweifellos die ältesten Teile der Stadt, womit der Rundgang durch die alten architektonischen Sehenswürdigkeit auch schon beendet wäre.

Sehenswürdigkeiten der anderen Art sind das ehemalige Wohnhaus und das Grabmal von Enver Hoxha (Eine Pyramide - drunter tun wir es nicht!), das von seiner Tochter entworfen wurde. Heute ist es eine Ruine, auf der sich ältere Kinder herumtummeln. Selten so ein trauriges Denkmal gesehen - passt aber gut als Andenken des furchtbaren Regimes. Der Leichnam von Enver Hoxha liegt heute am Stadtfriedhof - das Grabmal ist daher leer.

Gegenüber vom Kulturpalast befindet sich der Bau des Nationalmuseums, dessen Fassade ein Mosaik schmückt, das die Shqiptaret-Volkstum verherrlicht, und zwar im Stil des sozialistischen Realismus.

Witzig ist noch, dass der ovale Wiesenplatz, wo die ehemaligen alten und verwinkelten Fachwerkhäuser großräumig abgetragen wurden, mit jungen Bäumen bepflanzt wurden, die in Reih und Glied stehen. Irgendwie wirkt das Ganze von oben wie ein Architekturmodell mit Plastikbäumen, die schon einmal die Position der zukünftigen Allee symbolisieren sollen.

Am vorletzten Tag bringt uns eine Gondelbahn auf den balkoni i Dajtit. Es ist dies eine Terrasse, die auf 1631 Meter Höhe ein ideales Ausflugsziel für die Leute von Tirana darstellt. In der von Doppelmaier gebauten Gondel schweben wir zunächst über Plattenbauten und neuere Hochhäuser dahin, bis sich schließlich grüne Almwiesen unter uns ausbreiten, die später von dem grünen Bewuchs der Machie abgelöst werden.

Oben angekommen versuchen wir im nahe gelegenen Restaurant einen Platz zu bekommen, aber vergeblich. Schließlich landen wir in einem Cafe ganz oben auf dem hoteleigenem Hochhaus, das neben Kaffee und Alkoholika nur zähe Süßigkeiten anbietet. Dazu kommt schauderhafte laute Musik, während sich das ganze Stockwerk um die eigenen Achse dreht.

Man könnte die ganze Situation belächeln und komisch finden, doch wir sind zu müde dazu und so bleibt uns nur der Wunsch möglichst bald wieder in die Stadt zurückzukehren, wo uns zumindest ein vernünftiges Essen erwartet. Die halbe Stunde Wartezeit bei der Gondel, die durch technische Mängel verursacht wurde, hat dann noch gut dazugepasst.

Das Historische Nationalmuseum verfügt über viel Raum, aber wenig Ideen. Die protogeschichtlichen und antike Exponate sind noch am besten dokumentiert, während die Zeit des Mittelalters nur durch Texte erläutert wird. Dazu kommen viele Vitrinen mit alten Waffen.

 

          

 Dann wird der Partisanenkampf eindringlich vorgestellt und in einem Raum die Zeit des Enver Hoxha-Regimes mit realistischer Gründlichkeit wiedergegeben. Nach diesen Zeugnissen, kann Enver Hoxha Stalin und Hitler durchaus die Hand reichen ohne zu erröten. Auch er hat die Methoden der diktatorischen Gewalt intensiv genutzt und eingesetzt.

Der Nationalen Kunstgalerie galt unser letzter Besuch in Tirana, der sich wohltuend unterschied von vielen anderen. Zunächst treffen wir auf  eine Ticketverkäuferin die freundlich und zuvorkommend (in gutem Englisch) Informationen und Erklärungen gibt. Dann dürfen wir die Bilder eines albanischen Meisters in den unteren Räumen des Museums betrachten, wo in sehr glücklicher Weise sein künstlerischer Werdegang dargestellt wurde.

Im zweiten Stock des Hauses hängen Bilder aus dem ausgehenden 19.Jh.: sehr einfühlsam gemalte Landschaften und Genrebilder - manche wunderschön, manche schon dem expressiven Ausdruck verpflichtet.

    

 Wie zu erwarten, kommt auch der sozialistische Realismus hier zum Tragen.

                

                   

 

 Doch findet man darunter auch wirkliche Könner - neben Beispielen von Reklameschildermalerei. Eine interessante Begegnung dazu: Bei meine Erklärungen folgte uns immer ein Mann, der, wie sich schließlich herausstellte, Lehrer war und deutsch im Selbststudium erlernt hatte. Er hörte meinen Ausführungen zu und bat mich weiter fortzufahren. Auch eine Besonderheit dieses Landes.

 

Durres

gehört zu den ältesten Städte im Mittelmeerraum. Bedingt durch den großen natürlichen Hafen, war diese Stadt seit der Antike ein heiß umkämpftes Verbindungstor zwischen Mitteleuropa und Kleinasien. Um 627 v. Chr. gründeten griechische Kolonisatoren aus Korinth und Korfu auf dem Gebiet der Taulantier die Stadt Epidamnos und begannen mit dem rohstoffreichen Hinterland Handel zu treiben. 435 v. Chr. führten politische Streitigkeiten in Epidamnos zu Peloponnesischen Krieg. Unter dem Einfluss griechischer Kultur und wechselnder makedonischer, illyrischer und griechischer Herrschaft entwickelte sich die Stadt zu einem blühenden Hafenort. Richtig bedeutend wurde Dyrrhachium (römische Bezeichnung) unter der Herrschaft der Römer, die 229 v. Chr. den griechischen Hafen eroberten und ausbauten. Sie wurde ein wichtiges Glied innerhalb des Handelswegs, der Via Egnatia, die von Rom über Brindisi die Adria entlang über den Balkan nach Konstantinopel führte.

Im römischen Bürgerkrieg besetzte Pompeius den Hafen und schnitt so Cäsar die Nachschubwege ab. Kaiser Augustus siedelte in Dyrrhachium Veteranen an, erhob die Stadt zu einer Colonia mit römischem Recht und ließ das große Amphietheater errichten. Christliche Missionare erreichten die Stadt, wodurch das Christentum hier sehr früh Fuß fassen konnte, wie überall entlang der Via Egnatia. D.h. dass Südalbanien zu den ältesten christlichen Regionen gehört. Nach dem Zerfall des römischen Reiches wurde die Stadt zum nördlichsten Stützpunkt des Byzantinischen Reiches im Mittelmeer. Danach wurde die Stadt durch die West- und Ostgoten schwer zerstört und erst später wieder neu befestigt. Ab dem 9. Jh. weiteten die Bulgaren ihr Reich bis an die Küste aus - Belagerungen durch die Normannen folgten. Danach kam die Stadt in den Besitz Venedigs, später gehörte sie zum Königreich Neapel. Der große Stadtturm und Reste der Stadtmauer stammen aus dieser Zeit.

             

Unter osmanischer Herrschaft verlor die Stadt ihre Bedeutung und sank auf dörfliches Niveau herab. Nach dem 1. Weltkrieg half die italienische Regierung die durch Krieg und Erdbeben zerstörte Stadt wieder zu errichten. Der albanische König Zogu bezog seine Residenz auf dem Stadthügel und ließ den Hafen ausbauen. Als Mussolini Albanien annektierte, fand er erbitterten Widerstand in Durres, der auch dem Hitlerregime entgegenschlug und mit der Deportation von hunderten verdächtigen Personen beantwortet wurde. deportiert. Beim Abzug der deutschen Soldaten verminten sie die Strände. Unter den Kommunisten wird Durres zu einem bedeutenden Industriestandort ausgebaut und erhält einen Eisenbahnanschluss

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Als moderne Touristen lockt uns vor allem das Amphietheater, das Anfang des 2.Jhs. von Kaiser Hadrian für etwa 15.000 Zuschauer errichtet wurde. Beeindruckend die gut erhaltenen Verließe, wo die Gefangenen und die Löwen warteten. Auch der ursprüngliche Ausgang für die Gladiatoren ist noch unzerstört. In den unteren Galerien finden auch sich Reste einer byzantinischen Kapelle, die vermutlich im 5. Jh. von der christlichen Gemeinde in die Arena eingebaut wurde, als diese als Friedhof genutzt wurde. Ihre Wandmosaike gehören vermutlich zu den ältesten frühchristlichen Mosaiken, die heute noch erhalten sind. Bei den Ausgrabungen in der Nähe der Kapelle fanden sich 40 Skelette mit gebrochenem Genick, wahrscheinlich christliche Martyrer.

               

Im Stil des italienischen Klassizismus erhebt sich die Villa von König Zogu am Stadthügel. Der symmetrische Grundriss imitiert die Form des albanischen Wappenvogels. Kopf und Körper erkennt man in dem hochaufragenden Hauptbau mit seinem adlerhorstähnlichen Balkon und dem anschließenden Treppenhaus. Die Villa liegt auf dem höchsten Punkt der Stadt, hoch über dem Hafen und bot einen weiten Blick über das Meer bis nach Italien. Heute ist die Sicht durch Pinien etwas beeinträchtigt. Die Villa selbst steht leer und die Umgebung wirkt verwahrlost und vernachlässigt.

     

Später besuchen wir ein Cafe im Obersten Stockwerk eines Hochhauses an der Hafenpromenade und genießen einen tollen Ausblick über die Hafenanlage. 

Gjirokastra  

war in osmanischer Zeit das Verwaltungs - und Justizzentrum des türkischen Sandschaks. Es waren begüterte Herrn, die sich in der Stadt kostspielige Wohnhäuser leisten konnten. Diese Wohnhäuser, groß und geräumig bilden heute keine kleine Aufgabe in Bezug auf Erhaltung und Restaurierung. Die Wohnhäuser, die im 19.Jh. errichtet wurden, hatten bis zu vier Stockwerke mit imposanten und hervorspringenden Flügeln, die in sicherer Schussdistanz erbaut wurden. 400 Gebäude stehen hier unter Denkmalschutz – eine Auflage, die hohe Kosten erfordert und von den Nachkommen der Erbauer mehrheitlich nicht geleistet werden kann. So zeigen sich heute überall Zeichen des Verfalls: eingestürzte Dächer, bröckelnde Mauern… Dennoch bieten die langsam dahin sterbenden Bauwerke kein trostloses Bild – sie sterben in Würde.

                    

 Eines dieser malerischen Landhäuser beherbergt ein kleines Ethnografisches Museum, das auf dem Platz errichtet wurde, wo Enver Hoxha geboren wurde. Zwei plaudernde Damen beim Ticketverkauf erinnern mich an die „gute alte Zeit“ in Tschechien während der kommunistischen Vergangenheit. Es scheint ihnen ziemlich egal zu sein, wer und wann kommt, um das Museum zu besuchen - wichtig ist, dass sie ungestört plaudern können.

Die Einrichtung der Räume wirkt eher ärmlich und nur die begeisterten Erklärungen unseres Reiseleiters können das Fehlen einer kostbareren Ausstattung wett machen. Der Ausblick von der Terrasse im ersten Stock macht den Besuch des Museums aber zu einem wirklichen Erlebnis. Vor uns schöne und architektonisch harmonisch gestaltete Häuser und darunter die Schieferdächer, die sich wie Insektenflügel aneinander reihen.  

Danach fahren wir hinauf zur Festung, die sich mit ihren riesigen Ausmaßen über der Stadt erhebt. Wenn man den Blick nach Norden richtet dann sieht man hinter der Stadt eine riesige Geröllhalde, die wir bei uns nur aus dem Hochgebirge kennen. Und spätestens hier wird uns bewusst, wie unzugänglich und rau das albanische Hinterland beschaffen ist. Doch kommt uns beim Abwärtssteigen die Schönheit dieser Stadt gleichsam entgegen, wie bei Ismael Kadare in seiner „Chronik in Stein“ nachzulesen ist:

„Es war eine seltsame Stadt, die anmutete, als sei sie in einer Winternacht wie ein vorzeitliches Wesen plötzlich im Tal aufgetaucht und habe dann … sich an den Abhang des Berges geschmiegt. Alles an dieser Stadt war alt und steinern, die Straßen und Brunnen ebenso wie die Dächer ihrer mächtigen jahrhunderte alten Häuser, die mit grauen riesigen Schuppen gleichenden Steinplatten gedeckt waren. Schwer zu glauben, dass sich unter diesen festen Panzern das weiche Fleisch des Lebens regte und erneuerte. … es war dies die steilste Stadt, vielleicht die steilste Stadt der Welt ; alle Gesetze der Architektur und des Städtebaus waren von ihr über den Haufen geworfen worden. Weil sie derart steil war, konnte es vorkommen, dass sich die Fundamente des einen Hauses auf der Höhe des Daches eines anderen Hauses Befanden, und gewiss war es der einzige Ort der Welt, wo jemand, der am Straßengraben ausglitt, nicht in den Graben stürzte, sondern womöglich auf das Dach eines hohen Hauses. Besser als alle anderen wussten das die Trunkenbolde. Es war dies wirklich eine seltsame Stadt. Man konnte auf einer Straße gehen und, wenn man wollte, den Arm ein wenig ausstrecken, um seine Mütze über die spitze eines Minaretts zu stülpen. Vieles war schwer zu glauben und vieles war wie im Traum.“

Im Zentrum angekommen, besuchen wir in der Basarstraße ein sehr gemütliches Cafe, um einen Raki zu trinken. Er fühlt sich sanft beim Runterschlucken an, wirkt belebend und macht gesprächig. Die Kellner sind jung und wirken sehr lebendig. Sie haben Arbeit - entsprechende Arbeit - und das befreit die Burschen von Lustlosigkeit und Trägheit.

 

Berat

Die Burg von Berat ist steingewordene Poesie. In mystischer Gelassenheit liegt die graugesprenkelte Burganlage zwischen kleinräumigen Flächen von Grün. Die Straßen sind eng und gewunden und überziehen den gesamten Bereich der alten Stadtanlage. Manchmal tritt ein alter Mann mit einer Ziege an der Hand durch ein verwittertes graues Holztor oder man hört das Gekreisch von Pfauen, die sich durch uns gestört fühlen. Rund um den Eingang sind auch bunte Stickereien und Handarbeiten an den alten Mauern aufgehängt.

Es ist spät im Jahr und wir bitten den Verantwortlichen am Tor vergeblich um den Schüssel zu den berühmten Kirchen im Inneren der Stadt. So bleibt mir nichts übrig als die Außenwände der Kirchen aus dem 14.Jh. zu bewundern und heimlich die Steine zu berühren, die schon so viel erlebt haben. Dennoch freue ich mich hier zu sein und möchte jubeln über die warmen Strahlen der Sonne, über das Licht, die hellen Schatten und ich lehne mich an die verschlossene Türe der kleinen alten Kirche und versinke im Anblick der Umgebung, geformt aus grauem Stein, dem Grün der Pflanzen und blendendem Sonnenglast.

Später machen wir Mittagsrast im Restaurant der alten Stadt und freuen uns an den urigen Speisen - alles serviert in kleinen Portionen - vielfältig und geschmacklich überraschend und gut.

Erst am anderen Tag werden wir das Onufri - Museum besuchen, das im Kloster Shen Merise untergebracht ist. Viele Ikonen der namentlich bekannten Maler der Familie Onufri sind hier ausgestellt. Es sind Werke aus dem 15.Jh.und 16.Jh., die hier zu sehen sind und einen Einblick in die Bedeutung von Berat geben, als es ein Zentrum für Buchmalerei geworden war und viele Ikonenmalerei hierher zogen, um hier zu arbeiten.

Die bedeutendste Ikone ist die Darstellung der Muttergottes von Onufri:

                            

        

Die Klosterkirche selbst entstand im 17.Jh. und besticht durch eine üppig gestalteten Ikonostas ( Bilderwand), wo auch die berühmte Muttergottes eingelassen ist. In der Apsis kann ich noch die ernsten Gestalten der Apostel fotografieren, die durch ihre würdevolle Haltung und persönlich gestalteten Gesichter faszinieren, bevor ich von der Wächterin vertrieben werde.

      

 In den Nebenräumen der alten Klosterkirche hängen eine Reihe von Ikonen, die manchmal vom klassischen Vorbild erheblich abweichen. Darunter finden sich sehr unmittelbar gemalte Figuren, wie z. B. die Gestalten der beiden Theodors aus dem 16.Jh., die ihre ausdrucksstarken Gesichter dem Herrn zuwenden, der über ihnen in einer Wolke thront und so gar nicht dem gemessenen Hauptstadttyp entsprechen. Es sind mehrere Mitglieder der Familie Onufri, die sich hier ein Stelldichein geben und die Vorschriften der Hauptstadt in ihre Pinselsprache übersetzten.

In der Altstadt von Berat beziehen wir zunächst unser Hotel, das im Grunde ein umgebautes Privathaus ist - eine geglückte Mischung aus alter Tradition und moderner Gestaltung. Dass wir unser Frühstück am nächsten Tag in der Küche der Hausfrau serviert bekommen gefällt mir persönlich sehr gut, doch trifft es kaum die Erwartungen eines Vierstern-Touristen.

                    

Doch zunächst besuchen wir noch die Teqeja Helvetie (Tekke der Halweti-Derwische).

Die religiöse Praxis der Bektaschi weicht von der islamischen Orthodoxie ab. Das Gebet ist nicht an gewisse Tageszeiten gebunden, sondern konzentriert sich auf bestimmte Abendstunden, in denen die Arbeit ruht und die Gläubigen sich in kontemplativer Hingabe den Zeremonien des  Cem geistig öffnen können. In diesem Ritus werden die Gläubigen – Frauen und Männer, Junge und Alte, Arme und Reiche – durch Gesang, Musik und die Rezitation von Hymnen und Heldensagen in Begleitung des  Sazinstruments in eine mystische Stimmung des ‚Eins-Seins‘ (El ele ve el hakka) versetzt, in der alle unterschiedslos und gemeinsam ihre Hände dem Schöpfer (Hak-Tanri-Allah) entgegenstrecken.

Der Semah-Tanz ist der rituelle Tanz der  Aleviten und Bektaschi, der innerhalb der Cem-Zeremonie stattfindet. Er ist der physisch-geistige Ausdruck der ewigen Wiederkehr aller Schöpfungen, denn im Semah-Tanz drehen sich Frauen und Männer (als Sinnbild der antagonistischen und sich dennoch bedingenden Gegensätze) im Kreis und bilden symbolisch den Umlauf der Planeten um die  Sonne nach.

Ihr höchstes Fest begehen die Bektaschi alljährlich eine Woche lang am Berg Tomor bei Berat in Südalbanien. Um die Lebenshaltung der Bektaschi zu beschreiben, wird folgende  Anektote erzählt: „Der Kalif besuchte das Oberhaupt des Bektaschi-Ordens. Als er die üppigen Weinberge um das Konvent des Ordens erblickte, fragte er: ‚Mein lieber Freund, was macht ihr denn mit den vielen Weintrauben?‘ ‚Ach‘, antwortet der Derwisch, ‚wir essen gerne süße, reife Trauben.‘ Der Kalif darauf: ‚Aber es ist doch unmöglich, so viele Weintrauben zu verspeisen.‘ Der Derwisch daraufhin: ‚Das ist kein Problem. Was wir nicht essen können, das pressen wir und lagern es in Holzfässern. Und was dann geschieht, ist allein Allahs Wille.'"

        

 Besonders beeindruckend die farbige Holzdecke des Versammlungsraumes, prächtig geschnitzt und vergoldet. Die dazugehörige Moschee ist dagegen eher schlicht gehalten.

            

Auf unserer weiteren Wanderung sehen wir die Bleimoschee, die aus dem 16.Jh. stammt und mit floralem Design aus dem 19.Jh. geschmückt ist. Am Sheshi Agjensia erhebt sich die Orthodoxe Kathedrale, die offensichtlich im Zuge der Gründung des atheistischen Staates nicht zerstört wurde. In einiger Entfernung davon erblickt man die 2004 fertig gestellte Privatuniversität, die aber bald darauf geschlossen wurde. Ein Bau der Superlative in jeder Hinsicht.

                  

Am Rückweg zum Hotel spazieren wir den Bulevardi Republika entlang und besuchen eines der vielen Cafes. Und hier trinken wir das erste Mal den Cognak des Landes, der - wie könnte es anders sein -  Skanderbeg genannt wird. Die Promenade von Berat am Ufer des Ossum wird am Abend nur von Männern genutzt. Doch bei Gespräch und Cognak versinkt die Umwelt bald und es ist uns egal, wer und wie viele Leute an uns vorbeischlendern.

              

Kurz vor unserem Hotel werfen wir noch einen Blick auf die Junggesellen-Moschee, die aus dem 18.Jh stammt. Sie gehörte einer Vereinigung von ledigen Männern, Handwerkern, die auch den Dienst der Stadt- und Nachtwächter übernahmen.

              

Am  Morgen danach laufe ich früh zu den wichtigen Sachen, um zu fotografieren. Am Vorabend war es schon zu dunkel. Ich erlebe den Morgenverkehr – beobachte die Marktstände, die um diese Zeit schon eifrig besucht werden und spüre die Morgensonne auf meinem Gesicht - dieselbe Sonne, die alte Menschen in den Park lockte, der sich vor der neu errichteten Universität ausbreitet.

              

Der Anblick des mächtigen Gebäudes, das niemand benützen darf wirkt sehr seltsam auf mich - und gleichzeitig ist es ein Symbol für diesen merkwürdigen Staat, wo kaum etwas Vernünftiges, wirklich Notwendiges vorangetrieben wird, wie z.B. der Ausbau von ausreichenden Wasserleitungen.

Alles, was von staatlicher Seite gemacht wird, erweckt fast immer den Eindruck, dass man spielerisch vorgeht und sich mit dem Nebensächlichen zuerst beschäftigt, wie z. B. die Beschmückung der Straßen durch junge Baumalleen, die dem Ministerpräsidenten besonders am Herzen liegen oder der Park rund um das Mausoleum von Skanderbeg in Lezha, den wirklich niemand vordringlich braucht.                                                             Alles nach dem Motto: Das Unwichtige zuerst!

     

Der türkische Stadtteil Menglemi von Berat war in osmanischer Zeit ein belebtes Viertel der Handwerker und Kaufleute. An schmalen Straßen am Hang gebaut, sind die Häuser mit ihren unzähligen Fenstern und weißen Fassaden auf den Fluss und zur Sonne ausgerichtet. Daher der Name Berat: "die Stadt der 1000 aufeinandergestapelten Fenster ". Beim Verlassen der Stadt grüßt uns noch die osmanische Brücke, die derzeit restauriert wird.

                    

Kloster Ardenica

Das Kloster liegt auf einer Anhöhe, die rundherum mit Pinien bewachsen ist. Seit der Wende sind auch wieder Mönche in die Klosterräume zurückgekehrt, und zwar sind es vermutlich wie überall, Albaner aus Griechenland. Im Grunde gibt es keinen einheimischen Klerus, weder bei den orthodoxen noch den katholischen Christen. 1967 hat die albanische Regierung, d.h. das Enver Hoxha – Regime ein allgemeines Religionsverbot erlassen und Albanien zum ersten atheistischen Staat der Welt erklärt. Die Kleriker wurden entweder vertrieben oder umgebracht.

Daher fehlt es den neu gegründeten Seminaren an Lehrern und den Kirchen an Geistlichen. Die Rückkehr der albanisch stämmigen Griechen ist zwar eine Lösung, aber keine gute, weil die Ressentiments auf beiden Seiten sehr groß sind.

 Wir betreten den Klosterhof und es umfängt uns – trotz aller Probleme – ein klösterlicher Friede, der durch die hohen Mauern und die natürliche Umgebung noch verstärkt wird. Die Kirche selbst stammt aus dem 18.Jh. und ist nach dem klassischen Kanon mit Fresken geschmückt. An der Süd- und Westwand sind diese noch gut erhalten - an der Nordwand sind sie gänzlich verschwunden. Hier hat die immerwährende Feuchtigkeit ganze Arbeit geleistet und die Farbpigmente zum Aufgeben gezwungen.

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Auch hier darf ich nicht fotografieren – aber heimlich gelingt mir doch das eine oder andere Foto. Besonders eindrucksvoll: der Erzengel Michael mit dem Schwert.

                

Das Weltgerichtsfresko bedeckt den oberen Teil der Stirnwand der Kirche und kann von einem Holzpodium aus betrachtet werden. Und weil der Hüter der Kirche zu bequem ist auch hinaufzusteigen, gelingen mir einige schöne Fotos:

Sarranda

ist eine Küstenstadt, wo durch das Geld der griechischen Touristen verführt, alle Bausünden wiederholt werden, die andernorts schon vor Jahrzehnten gemacht wurden. Im Grunde verfügt die Bucht von Sarranda über einen wunderschönen Strand, der vor Zeiten von grünen Hügeln umgeben war. Heute sind es Hotels, die der grünen Umarmung den Garaus gemacht haben. Wir landen in einem dieser Gebäude, dem Hotel „Brillant“ - von außen architektonisch einigermaßen gelungen. Die Innenaustattung nähert sich wieder dem Albanischen Ideal: einem wenig funktionellen Badezimmer (WC- Muschel für Zwerge oder Akrobaten) Kunststoffmatrazen, worauf man schwitzt und einem gleichzeitig kalt ist. Doch der Ausblick auf die Bucht ist überwältigend.

              

Beim Abendessen im nahegelegenen Restaurant werden wir wieder mit einheimischen Spezialitäten verwöhnt - das Essen ist im Großen und Ganzen ist sehr gut und man merkt, dass die Grundnahrungsmittel noch ohne große chemische Unterstützung wachsen dürfen.

Am nächsten Morgen verlassen wir Sarranda Richtung Süden und folgen der Küstenstraße, die kilometerlang von neu gebauten Hotels begleitet wird. Erst hier wird das Ausmaß der Verhüttelung so richtig spürbar. Nahezu alle diese Anlagen sind ohne Genehmigung errichtet und haben keine Anbindung an die örtliche Wasserleitung, d.h. das Wasser stammt aus Zisternen. Wie sich das Duschen mit diesem halbsalzigen Wasser wohl anfühlt?

Butrint

Unser nächstes Ziel ist das antike Buthrothum, eine der bedeutendsten archäologischen Stätten im Mittelmeerraum. Diese liegt auf einer bewaldeten Halbinsel in der Lagune von Burtrint, direkt an der Meerenge von Korfu.

Die archäologischen Untersuchungen ergaben, dass dieser vom Wasser umgebene Raum schon in der Bronzezeit besiedelt war. Die Legende berichtet, das Äneas auf seiner Irrfahrt durch das Mittelmeer auch in Buthrothum gelandet sei. Im 6.Jh.v.Chr. wurde die griechische Kolonie an Korfu angeschlossen und das Heiligtum der Stadt dem Asklepius geweiht. Bis zum 4. Jh. nahm die Bedeutung des Hafens immer mehr zu - ein Grund mehr die Stadt dem römischen Reich einzuverleiben, das 167 v. Chr. auch geschah. Seine bedeutendste geschichtliche Periode erlebt Buthrothum im 2. Jh. nach Christus. In dieser Zeit entstanden zahlreiche öffentliche Gebäude und ein neuer Stadtteil südlich des Vivari-Kanals. Eine große Aquäduktanlage versorgte die Stadt mit Trinkwasser. Wegen ihres angenehmen Klimas und ihrer schönen Lage erbauten sich hier wohlhabenden Römern ihre Landhäuser. Auch Cicero besuchte hier seinen reichen Freund Atticus auf seinem Landssitz. Unter byzantinischer Herrschaft wurde Buthrothum zu einem bedeutenden christlichen Zentrum mit einer großen Basilika. Ab Ende des 6. Jh. begann mit den ersten Slaweneinfällen eine Zeit der Zerstörung und der politischen Unruhe.

1386 wurde die Stadt an die venezianische Republik angeschlossen, die über Butrint ihren Handel mit Holz, Rindern, Fisch und Meeresfrüchten abwickelte. Im 18. Jh. kam Burtrint kurz unter napoleonische Herrschaft, und 1799 kam es dann endgültig zum Osmanischen Reich, und zwar bis 1912.

Die Ausgrabung wird von einem Verein bewahrt und verwaltet, der über eine Reihe Gönner und Stiftungen verfügt. Diese Glücksfall erlaubt eine ganzjährige Öffnung und Bewachung der Ausgrabungsstätten.

Wir betreten die Anlage von Westen her und erblicken zuallerst den venezianischen Turm, der früher zum Festungsbau gehörte. Es ist ein ziemlich hässlicher Bau und offensichtlich nur zu Verteidigungszwecken errichtet.

Links vom Turm schlängelt sich ein schmaler Pfad in Richtung des antiken Buthrothum. Ihre wachsende Bedeutung (4.-2.Jh. v. Chr.) verdankte die Stadt dem Asklepius Heiligtum, das hier an einer heilenden Quelle errichtet wurde. Das Heiligtum wurde von Schwerkranken aufgesucht, die sich nach finanziellen Opfergaben und rituellen Waschungen einem Heilschlaf unterzogen und durch Träume hilfreiche Ratschläge des Gottes erwarteten. Der gesamte heilige Bereich war durch eine aus losen Steinen aufgeschichtete Mauer begrenzt. Neben dem Tempel befand sich eine zweistöckige Stoa und ein Schatzhaus, wo die wertvollen Gaben der Heilungssuchenden aufbewahrt wurden. Im Laufe des 3. Jh. wurde die Anlage um ein kleines Theater für zeremonielle Handlungen und ein Peristyl ergänzt, das als eine Art Gästehaus gedient haben könnte.                 

Wir versinken zunächst in den Anblick des kleinen Theaters, das außerordentlich gut erhalten ist. Die griechische Anlage des Theaters wurde im 2.Jh. von römischen Architekten umgebaut. Es wurde vergrößert (2.500 Plätze für Zuschauer) und die Bühne erhöht. In die Nischen des Bühnenhauses wurden überlebensgroße Statuen eingestellt, die sich jetzt im Museum befinden. Die Szene ist heute allerdings völlig von Wasser bedeckt, worin sich Wasserschildkröten tummeln. Es ist still hier und wir sind die einzigen Touristen --

Vier Badeanlagen hatte man im Laufe der Zeit in Buthrothum  ausgegraben - die größte davon stammt aus dem 2.-3.Jh. und befand sich im Stadtzentrum.

Östlich vom Asklepius Heiligtum erstreckte sich die griechische Agora - das spätere römische Forum - der zentrale Platz der antiken Stadt, wo sich das gesamte öffentliche Leben abspielte. Ein großer gepflasterter Hof, der von Säulen umgeben, in unmittelbarer Nähe des Forums lag, wurde ursprünglich als Gymnasium gedeutet - allerdings ist man sich dessen nicht mehr sicher.

Einigermaßen gut erhalten präsentiert sich das kleine Nymphäum, das ursprünglich mit Marmorplatten ausgekleidet war. Doch wirkt es durch seine harmonischen Größenverhältnisse auch in seinen ramponierten Zustand noch schön und einladend. 

In unmittelbarer Nähe des Nymphäum entdeckten die Archäologen ein frühchristliches Baptisterium, dessen Boden von einem Mosaik bedeckt ist, das als das größte und bedeutendste Mosaik der Spätantike gilt. Es setzt sich aus sieben konzentrischen Ringen zusammen, die mit dem kreuzförmigen Taufbecken in der Mitte die symbolische Zahl acht (Neubeginn durch die Taufe) ergeben. Der zweite und vierte Ring ist aus verschlungenen Medaillonketten gebildet und mit über 50 Tierdarstellungen und Steineichenzweigen geschmückt. Die anderen Ketten zeigen verschlungene Efeuranken mit herzförmigen Blättern, als Zeichen der Liebe und Hingabe. Die unmittelbar um den Taufstein geschlungene Kette aus Knoten symbolisiert die ewige Verbindung des Getauften mit Christus.

Auf dem Weg zum Taufbecken naschen zwei Pfauen von Trauben, die aus einem Abendmahlskelch herauswachsen und verweisen so auf den Opfertod Jesu Christi. Pfauen sind Symbole für Unsterblichkeit. Vor dem Taufbecken sind zwei Widder unter einem Kreuz dargestellt. Als Zeichen für die Gegenwart Christi. Dieses Wissen stammt von einem großen Foto - das Mosaik selbst wurde, um es zu schützen, mit Sand bedeckt. Das Baptisterium selbst hat einen Durchmesser von 13,50 Meter und wird von einer doppelten Säulenreihe nach außen hin begrenzt, die ursprünglich die Dachkonstruktion trugen.

 Die dreischiffige, dachlose Basilika von Buhrotum entstand im 6. Jh., als die Stadt Bischofssitz wurde. Die malerische Ruine, die als Kirche im 9. und 13.Jh. immer wieder erneuert wurde, umgibt eine unerklärliche Faszination, die nicht nur von dem grob gefügten Mauerwerk und den harmonischen Maßverhältnissen ausgehen kann…

Wir verlassen die Kirchenruine und wandern hinaus vor die Stadtmauer. Und hier lässt sich unmittelbar nachfühlen, warum es die reichen Römer hierher zog. Die Lagune breitet sich hier in all ihrer Schönheit aus - ringsum begrenzt durch grüne Hügellandschaft, überstrahlt von einem milden Sonnenlicht.

              

An der östlichen Seite der Maueranlage betrachten wir das Löwentor, das als eine der Besonderheiten der Stadt gerühmt wird. Was dieses Relief  wirklich darstellt, bleibt offen - zweifellos ist es ein Kampf zwischen einer Raubkatze und einem Stier.

              

Auf der anderen Seite des Tores führt eine Treppe in eine in den Fels gehauene tiefe Grotte, in der eine Quelle entspringt. Es ist wieder ein Nymphäum, das von Runia Rufina (nach der römischen Inschrift) gestiftet wurde. Nymphen waren weibliche Naturgottheiten, die durch ewige Jugend gesegnet waren. Sie wurden an stillen und verwunschenen Plätzen verehrt, bevorzugt in Grotten. In der Umgebung von Burtrint wurden sie wegen des Wasserreichtums sehr verehrt. Durch die Darstellung eines Pfaus an der Rückseite des Nymphäums wurde das Heiligtum „getauft“ wie das oft in der Antike der Fall war.

Später folgen wir der Straße nach Norden, die sich durch eine faszinierende Berglandschaft windet und von den Italienern angelegt wurde. Das Besondere der Landschaft ist die grüne Macchia, die alle Hügel und Hänge bedeckt. Dazwischen werden immer wieder Stellen sichtbar, wo sich die dunkelrote Erde in Wellen aufwirft und bizzare Formen entwickelt, wodurch der Landschaft ein eigenartiges und faszinierendes Aussehen gewinnt. Gleichzeitig ist das Meer immer da und rahmt den Anblick mit den weißblauen Grundfarben von Strand und Wasser.

Schließlich sind wir auf der Passhöhe eingetroffen und versuchen im Restaurant etwas Rast zu machen. Doch hier ist nicht gut sein, zu viele Gäste, einheimische Prominenz und zu viel Lärm. Wir fahren weiter und finden ein gemütliches Berghotel, dass uns fast ein heimatliches Ambiente bietet: mit einem offenen Kamin, wo schon Scheiter brennen.

Und hier entwickelten wir auch ein tragfähiges touristisches Konzept für Albanien: Wir meinten, dass eine Doppelmaierseilbahn die Touristen vom Meeresstrand direkt in diese kühle Bergregion schaffen könnte - am Tag am Strand und am Abend in der kühlen Hügelregion - das wäre hier möglich, weil diese Berge direkt zum Meer abfallen, als eine wirkliche Besonderheit dieses schönen Landes.

Apollonia

Am Eingang der antiken Stadtanlage besuchen wir zunächst den Bau des byzantinischen Klosters Shen Merise. Besonders beeindruckend erlebe ich den Figurenschmuck der Säulengalerie, die den Kirchenbau umgibt. Das Innere dieses kleinen Zentralbaues wurde durch die Jahrhunderte all seines Schmuckes beraubt. Das Refektorium hat einigen Freskenschmuck bewahrt und man bekommt noch eine Ahnung davon, wie dieser Raum einmal gewirkt haben musste. Auf der Galerie des Klosters bewegt sich gerade ein Modell, das Brautkleider vorführt und deutlich macht, wofür die einstige Gebetsstätte heute noch gebraucht wird: als Hintergrund für Hochzeitsbilder…

Das riesige archäologische Gebiet von Apollonia wirkt merkwürdig leer und verlassen. Lediglich die Front des ehemaligen Buleuteriums (Rathaus) wurde wiederaufgebaut, während die Ausdehnung des riesigen Forums nur durch Säulenbasen markiert wird, die sich entlang eines Hügeleinschnittes hinziehen. Im Süden des Forums ist noch das Odeon bemerkenswert, wo in der Antike Musik - und Tanzveranstaltungen zelebriert wurden, vermutlich immer im Zusammenhang mit religiösen Festen. Das ist im Grunde alles, was von dem antiken Apollonia sichtbar geblieben ist, das sich weit über den Hügel erstreckte und heute noch zum Großteil unter den grünen Wiesen begraben liegt.

 

Apollonia wurde 585 v.Chr. von griechischen Kolonisten gegründet und konnte als reiche Hafenstadt ihre Unabhängigkeit jahrhundertelang bewahren. Dem römischen Herrscherwillen konnte die Stadt allerdings nicht widerstehen und daher wurde Apollonia 229 v. Chr. dem römischen Reich eingegliedert. Trotz der römischen Besatzungsmacht, blieb die griechische Kultur bestimmend für das Leben in der Stadt. Der langsame Niedergang begann erst nach 234 n. Chr. als nach einem schweren Erdbeben der Lauf der Vjosa so stark verändert wurde, dass der Hafen von Apollonia verlandete und nicht mehr genutzt werden konnte. Dazu kamen verheerende Überschwemmungen, die der Landwirtschaft des Gebietes schweren Schaden zufügte und schließlich zur Versumpfung der Anbauflächen führten. Im Laufe des 6.Jh. war das Schicksal der Stadt besiegelt. 

Im Gegensatz zu Butrint genießen die antiken Reste von Apollonia keinen besonderen Schutz. Die Exponate der archäologischen Ausgrabungen wurde hier jahrelang verwüstet und zerstört: Die Mauern wurden von den deutschen Besatzungssoldaten als Steinbruch benutzt. Danach wurde die Akropolis durch das kommunistische Militär schwer beschädigt. Im Bürgerkrieg gab es eine Reihe von Raubgrabungen, die aber nur zur Zerstörung  führten. Zu Tage geförderte Statuen wurden enthauptet und mutwillig zerbrochen,  Baureste der Akropolis abgetragen und vieles dem Erdboden gleichgemacht. Diese Aktionen haben Apollonia den geschichtlichen Hintergrund mehr genommen, als das Erdbeben, das die Stadtbewohner zwang die Siedlung zu verlassen.

      

Am Weg hinauf zur Akropolis, wo sich die Archäologen ursprünglich ihre Werkstätten errichteten, begegnen wir einer Herde von Schafen, die uns mit dem traurigen Anblick der zerstörten Stadt ein wenig versöhnt. Und im heutigen Restaurant werden wir freundlich und gut bedient; bekommen einfache landesübliche Speisen und einheimischen Wein. Hier ist gut sein und wir bleiben etwas länger als üblich, ganz eingesponnen vom Zauber der wunderschönen ländlichen Umgebung, die vermutlich auch die Gründerväter von Apollonia fasziniert hatte.

Lezha

Es regnet, als wir in Lezha ankommen und mit den Parkplätzen ist es auch nicht gut bestellt. Daher klettern wir quer über die Mauerreste des alten Lissos, das seit 2004 wieder archäologisch erforscht wird und steigen hinauf zum Skanderbeg Monument, das 1966 von der kommunistischen Regierung errichtet wurde. Es ist eine monumentale Stahlkonstruktion, die zum 500. Todestag des Nationalhelden errichtet wurde.

              

Darunter befindet sich die alte Nikolauskirche, wo der Leib des Helden ursprünglich begraben war, bis die Osmanen das Grab öffneten, es zerstörten und die Gebeine des christlichen Helden als Talisman mit sich nahmen. Die Nikolauskirche selbst wurde damals in eine Moschee umgewandelt.

Am Ort des Geschehens gibt es weder Tickets noch einen Schlüssel. Also begibt sich unser Reiseleiter auf die Wanderung, um schließlich zurückzukehren - trotz aufgerissenem Pflaster und massiven Grabungsarbeiten. Eine schöne junge Dame begleitet ihn und bemüht sich möglichst elegant mit ihren Stöckelschuhen über Steine und Asphaltplatten zu schreiten.

              

Der Innenraum der alten Nikolauskirche ist ein viereckiger Raum, wo im Zentrum der Grabaufbau für Skanderbeg wieder hergestellt wurde, überragt von einer Bronzedarstellung seines Hauptes. An den Wänden sind die Wappen der Stämme aufgehängt, die 1444 die legendäre Allianz gegen die Osmanen bildeten. Im Grunde sind die Bronzeschilde krottenhässlich, aber angesichts der Bedeutung des damaligen Ereignisses sind ästhetischen Bedenken zweifellos zweitrangig.

Gjergj Kastrioti war der jüngste Sohn des Fürsten  Gjon Kastrioti I. Gjergjs Vater führte seit 1407 fast ständig Krieg gegen die Osmanen. Die Fürstenfamilie hatte vier Söhne und eine Tochter. 1423 wurde der junge Gjergj nach Niederlagen des Vaters mit seinen Brüdern als Geisel an den Hof des Sultans nach  Adrianopel geschickt, wo er als Angehöriger der  Janitscharen  zum Islam übertrat und die türkischsprachige Form Form des griechischen  Vornamens „Alexnader“,  Iskender, als neuen Namen erhielt (daher sein Beiname Skanderbeg = Fürst Alexander). 1438 wurde er von  Murad II. als Bey ins heimatliche Albanien gesandt. Als im November 1443 die Ungarn in  Nis über die Türken siegten und sein Vater auf Geheiß der Osmanen ermordet wurde, verließ Skanderbeg mit den ihm unterstellten Albanern das Heer des Sultans. Er bemächtigte sich am 27. November 1443 der Festung von Kruja, fiel am folgenden Tag offen vom Sultan ab und konvertierte zurück zum Katholizismus.. In der Zeit von 1443 bis 1444 herrschte er über das Fürstentum Kastrioti, was anschließend in ein regionales Verteidigungsbündnis gegen die Osmanen aufging.

1444 verbündete sich der „Türkenkämpfer“ mit albanischen und  montenegrinischen Adeligen zur Liga von Lezha. Es wurde ein Gottesfrieden ausgerufen und die Blutrache vorübergehend ausgesetzt. Erst nach seinem Tod wurden wieder die alten Rechnungen beglichen, was bis zum heutigen Tag andauert.

Mit dieser Allianz führte Skanderbeg 18 Jahre erfolgreich Krieg gegen die Osmanen, denen es nicht gelang, sich dauerhaft in Mittel- und Nordalbanien festzusetzen. 1461 schloss Skanderbeg einen dreijährigen Waffenstillstand mit Sultan Mehmed II. Obwohl es auch in der Folgezeit zu Scharmützeln kam, wurde im April 1463 in Üsküb ein weiterer Waffenstillstand geschlossen. In dieser ruhigeren Phase des Krieges Anfang der sechziger Jahre war Skanderbeg nach Italien gereist, um Geld und Truppen von seinem Lehnsherrn  König Alfons I. von Neapel zu erbitten. Dieser gewährte Skanderbeg eine Pension und schenkte ihm außerdem umfangreiche Ländereien in Südotalien, wohin seine Nachkommen später von den Osmanen flohen.

Bis zu seinem Tod 1468 verteidigte Skanderbeg von der Festung Kruja aus Albanien gegen das Osmanische Reich. Seine Schwester Mamica half ihm bei der Verteidigung. Sie starb später bei Kämpfen gegen die Osmanen, welche wiederholt versuchten, mit großen Streitmächten die Macht Skanderbegs zu brechen. So belagerten sie mehrfach Kruja, ohne die Festung einnehmen zu können. Die albanischen Truppen waren aber zu schwach, um die Türken komplett zu vertreiben, und die erhoffte Unterstützung von anderen europäischen Herrschern blieb aus.

Skanderbeg starb am 14. Januar 1468 in Alessio (Lezha) an Fieber und wurde dort in der Nikolaus- Kirche begraben. Zehn Jahre nach seinem Tod konnten die Osmanen 1478 Albanien erobern und mehr als 400 Jahre lang beherrschen. (nach WIKI)

Von Lezha geht es weiter nach Shkodra

Die Stadt Shkodra ist die drittgrößte Stadt des Landes und das wirtschaftliche Zentrum Nordalbaniens. Sie ist an den südöstlichen Ufern des Skutarisees gelegen und wird im Süden von den Mäandern der Drin und der Kir malerisch umschlossen.

              

Die bedeutendste Sehenswürdigkeit ist die venezianische Burg, die sich auf einem felsigen Kalksteinberg (135m) erhebt. Schon seit der frühen Bronzezeit war dieser Hügel besiedelt - bis zum Ende der osmanischen Besatzungszeit.

Die Toranlage der Festung ist venezianischen Ursprungs und schwer geschützt. Man betritt sie über einen mächtigen Zwinger und zwei Gänge, welche die beiden äußeren Burgtore verbinden. Zwei große asymmetrische Steinblöcke stammen noch von der illyrischen Befestigung aus dem 4. Jh.v.Chr. Danach gelangt man auf das große Burggelände, das von hohen Mauern umschlossen ist. Der erste Burghof war Teil der Verteidigungsanlage, auf dem zweiten war die Garnison stationiert. Hier lebten und schliefen die Soldaten. Die von den Venezianern errichtete romanisch-gotische Kirche (St. Stefan) wurde unter Mehmet II. in eine Moschee umgebaut: Der Glockenturm wurde abgetragen und als Minarett neu aufgemauert. Heute ist nur noch ein Stumpf übrig geblieben. Westlich von der Kirche liegt der sog. Kerker mit der alten Zisternenanlagen. Der dritte höchstgelegene Hof war der militärischen Kommandozentrale vorbehalten. Im höchsten Notfall konnte man von dort durch Geheimgänge in die nahegelegenen Hügel flüchten.

Das Schönste an der Burg von Rozafa (der Name leitet sich von der jungen Frau her, die nach der Legende hier bei lebendigen Leib eingemauert wurde) ist allerdings der Blick in die Landschaft. Unbeschreiblich malerisch windet sich die Drin durch die dunkelgrünen Wiesen und Felder, während auf der anderen Seite die spiegelnde Wasser  des Skutarisees mit dem Wasserlauf der Buna in Konkurrenz treten, die sich in koketten Schlingen in das Mündungsgebiet der Kir und der Drin hineinbewegt. Man könnte stundenlang schauen und immer wieder schauen, so unbeschreiblich schön ist der Anblick der vom leuchtenden Grün umrahmten Wasserflächen.

 Die Stadt Shkodra entbehrt jeglichen orientalischen Zaubers. Teils durch Wasser und Erdbeben bedroht, teils mutwillig zerstört durch ein gewalttätiges Regime, bietet die Stadt den Besuchern und Bewohnern eine bloß praktische Realität: eine einzige Straße mit kleinen Geschäften und Restaurants - daneben großangelegte Plätze mit breiten Straßen für den Autoverkehr; Hochhäuser und Plattenbauten zum Einschachteln der Bewohner. 

Während der ersten Jahrzehnte des 20.Jhs. bis zur Zeit des zweiten Weltkriegs brachte die überwiegend katholische Bevölkerung ihre Stadt zu einer kulturellen Blüte. Die Ideen der Unabhängigkeit waren auf fruchtbaren Boden gefallen und man begann daraufhin sich in allen geistigen und künstlerischen Bereichen zu üben. Nicht nur das traditionelle Studium von Philosophie und Theologie wurde gepflegt, sondern auch Musik, Literatur und vor allem die Fotografie und Filmkunst.

Und wir haben das Glück, dass wir das kleine Museum besuchen dürfen, wo die Schwarz-weiß-Fotos ausgestellt sind, die heute zu Zeugen einer ganz anderen Lebenswelt geworden sind. Ein italienischer Fotograf hat diese Fotos Endes des 19.Jh. gemacht: künstlerisch, wie technisch vollkommen, einfach zum Niederknien schön. Die Tatsache, dass es diese Fotos noch gibt, rechne ich zu den besonderen Wundern der Überlieferung.

              

Später durchwandern wir die stillen Straßen neben der belebten Fußgängerzone auf der Suche nach dem Geburtshaus von Luigi Gjurakuqi. Er war Sekretär und rechte Hand von Ismael Qemali, der am 28. November 1912 in Vlora die Unabhängigkeit Albaniens ausgerufen hatte. Schließlich endet unser Weg bei der katholischen Kathedrale aus dem19.Jh. Der Bischofspalast ist ein einstöckiges schlichtes Gebäude - davor ein schwarzer Mercedes - das Auto schlechthin.

Dass wir auf unser Essen in der Restaurantgasse (Fußgängerzone) unendlich lang warten und schließlich hungrig weggehen mussten, das steht wieder auf dem Blatt: „Albanien ist anders!“

Unser nächstes Ziel ist eien Brücke. Die Brücke von Mesi.

Diese Brücke, wurde  um 1770 unter Pascha Bushati erbaut und hat 13 steinerne Brückenbögen. Der mittlere Bogen überspannt den Kir und misst 13 Meter. Wie ein lebendiges Wesen erstreckt sie sich die Brücke über den Kir, dessen reines und klares Wasser sich träge und in Windungen fortbewegt. Bei meiner Wanderung über die kaum drei Meter breite Brücke spüre ich nahezu den menschlichen Strom, der weit vor unserer Zeit zu fließen begann und wovon diese Brücke ein lebendiges Zeugnis gibt. Ich berühre die Steine, die so lange ausharren und Dienst tun mussten, bis die neue Straßenbrücke erbaut war, die heute im Dienst von schnell rollender Räder steht.

Elbasan

Die Geschichte der Stadt beginnt mit einer römischen Gründung an der Via Egnatia. Eine besondere Bedeutung bekam sie durch die Osmanen, die hier eine Garnison für ständig stationierten, wodurch der wirtschaftliche Aufschwung der Stadt begünstigt wurde. Es gab hier alle Arten von handwerklichen Berufen, deren Produkte weithin bekannt waren und auch vermarktet wurden. In der Zeit der Unabhängigkeitsbewegung legten Philologen aus Elbasan die ersten Grundlagen für eine einheitliche albanische Sprache.

Im Kommunismus war Elbasan das Zentrum des Mandarinen und Zitrusfrüchteanbaus, gleichzeitig aber auch ein wichtiger Baustoffproduzent.

Das riesige Stahlwerk, das heute wie ein gemordeter Riese vor der Stadt liegt, wurde von russischen Technikern geplant und von Chinesen gebaut. Durch die Umweltauflagen war das Werk 1997 gezwungen zu schließen, wodurch 12.000 Arbeiter ihren Job verloren. Positiver Nebeneffekt war, dass die gelbe Dunstwolke, die jahrelang über der Stadt lag, nun verschwunden ist.

Da wir touristisch unterwegs sind, besuchen wir das Castrum Scampis mitten in der Stadt und dort zuerst die Königsmoschee. Nicht besonders eindrücklich, obwohl 1464 gestiftet und noch im originale Mauerwerk.

Die albanische Sucht jedem halbwegs wichtigen Mann ein lebensgroßes Denkmal zu setzen bewahrheitet sich wieder, als wir entlang des Bulevard Qemal Stafa wandern: Rechts von uns die Mauer des Kastells und dazwischen eine Grünfläche. Und auf der Grünfläche die Gestalten des Wegbereiters der albanischen Schriftsprache, Konstandin Kristofordhi, des Philologen und Lehrers Aleksander Xhuvani, des Musikers Isuf Myzyri und Aqif Pasha Bicaciu, einem Weggefährten von Ismael Qemali. Alle diese Männer sind in strahlenden Posen dargestellt - eine Vorliebe, die gut zu der Begeisterung passt, die allem nationalen Geschehen offiziell zugrunde liegt.

Unterwegs geht es durch wunderschöne hügelige Landschaft-besonders eindrückliche, die Mandel aus Maisstroh...

Vlora

Ich weiß nicht warum, aber diese Stadt hat Atem. Liegt es an der breiten Durchfahrtstraße, die sie unseren Städten so ähnlich macht, liegt es an den Leuten? Ich weiß es nicht. Aber hier möchte ich gerne bleiben, obwohl nur ein kurze Besichtigungszeit für diese Stadt eingeplant ist.

 

Unser Interesse gilt vorerst dem Unabhängigkeitsdenkmal - dem bekanntesten Denkmal, das der sowjetische Realismus hervorgebracht hat. Die zentrale Figur, Ismael Qemali und sein Partner aus Kosovo Isa Boletini sind in europäischer Kleidung dargestellt. Die übrigen Figuren stellen Partisanen dar; in ländliche Trachten gekleidet, mit schweren Munitionsgürteln und riesigen Waffen. Die Figur auf dem Pfeiler verkörpert den Moment, als die albanische Flagge zum ersten Mal gehisst wurde und Vlora kurzzeitig Hauptstadt Albaniens war.

 

              

                

Im Gegensatz zu dem gewaltigen Monument der neueren albanischen Geschichte, wirkt die kleine Moschee Xamia Muradie wie ein Juwel aus der Schmuckkasette einer Königin. Zart in den Proportionen, noch zarter in der Ausschmückung, weckt diese kleine Moschee Erinnerungen an den anderen, den märchenhaften Orient. Dass diese Moschee von demselben Architekten entworfen wurde, der in Istanbul die weltbekannte Suleyman Moschee erbaute - kommt noch dazu und dass dieser Mann, Sinan Pasha, ursprünglich aus der Steiermark stammt - das ist wirklich Stoff für ein Märchen aus 1001 Nacht.

Kruja

              

Kruja wird dominiert von der Burg, zu der alle Straßen hinführen und die heute als Museum dient, das dem Ruhm und der Ehre der albanischen Nationaliät ganz und gar gewidmet ist. Hierher wird die Jugend von ganz Albanien geführt um die eigene Bedeutung so recht und eindrücklich vor Augen gestellt zu bekommen. Für das Auge des ausländischen Betrachters wirkt die Gestaltung der Räume einfach schrecklich, bedingt durch den übertriebenen Naturalismus, der vor allem dem Kriegshandwerk gewidmet ist. Die riesigen Malereien an den Wänden sind ein einzigartiges Zeugnis von Großmannssucht und geringem künstlerischen Verständnis. Dennoch war es wichtig diese Apotheose des Nationalgefühles einmal zu sehen - zu erkennen, dass der erste atheistische Staat der Welt auch ein religiöses Gefühl erzeugen will, das, der Anbetung der eigenen Nationalität. Diese wird aber nicht im friedlichem Miteinander, durch den Wert der Familie hypostasiert, sondern durch Kampf und durch Waffen.

Nur ein einziger Raum kann meine Aufmerksamkeit festhalten, wo der literarische Nachlass bedeutender Persönlichkeiten ausgestellt ist, die sich für die kulturellen und sprachlichen Belange Albaniens eingesetzt haben.

Nach dem Museum besuchen wir eine Grabanlage der Bektaschi. Sie liegt auf einer winzigen Terrasse, die aber einen traumhaften Blick über die Stadt und die umgebenden Hügel gewährt. Der Innenraum des Heiligengrabes ist sehr schön mit floralen Mustern bemalt. Dennoch spürt man die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens nie so sehr, als dort, wo man die körperlichen Überreste eines Menschen verehrt werden. Obwohl nicht direkt sichtbar, hat sich der Staub von Jahrhunderten über das grüne Grabtuch gesenkt - und das lässt uns Lebende deutlich spüren, dass auch wir eines Tages nur Staub sein werden…

Da die alten Basare nahezu ausgestorben sind, freuen wir uns an der kleinen Straße am Fuße der Skanderbegburg, wo in basarähnlicher Weise in den kleinen Geschäften verschiedene Sachen angeboten werden.

Im Grunde ist es ein Flohmarkt, wo auch touristische Souvenirs angeboten werden: neben Skanderbeg Kognak, verschiedene Nachbildungen des ehrwürdigen Hauptes, Degen und altertümliche Waffen aus Holz, die als Kinderspielzeug dienen könnten, ect. Schließlich betrete ich einen antiquarischen Buchladen, wo mir viele Sachen gefallen, wir z. B. uralte Schwarz-Weiß Fotos. Doch um das Richtige zu finden braucht man Zeit und die fehlt uns. Ein winzigen Katalog mit Reproduktionen eines albanischen Malers erstehe ich schließlich - um den horrenden Preis von fünf Euro…

 

Fremdes und Merkwürdiges zum Abschluss:

Das Straßenbild der Städte wird von Männern dominiert. Immer wieder klumpen sich Männergruppen zu lebenden Bildern zusammen. Sie bewegen sich gemessen und formen mit ihren dunkel gekleideten Leibern Bilder, wie Scherenschnitte auf hell beleuchteten Grund.

Frauen sieht man nur am Morgen beim Einkaufen und vereinzelt auch am Tag, wenn sie Besorgungen machen müssen. Am Abend ist keine mehr auf der Straße zu sehen. In Tirana laufen Mädchen in Gruppen zu fünft oder mehr herum. Ältere Damen sind immer in Begleitung jüngerer Männer auf der Straße zu sehen.

Die Kleidung der Männer ist durchwegs dunkel und formal, d.h. sie tragen zumeist Anzüge mit Krawatte. Nur selten mischen sich hellere Jacken in den dunklen Hintergrund. Junge Burschen tragen Jogginghosen und Jacken - Jeans gibt es nur selten. Ihre Haare haben sie oft an den Seiten rasiert und in der Mitte länger und mit Gel zu einem Hahnenkamm aufgerichtet.

Die älteren und „mittelalterlichen“ Damen tragen Kostüme mit engen Röcken, ähnlich wie es in den 50ziger Jahren bei uns üblich war. Die Jüngeren tragen gerne Leggins, die ihre breiten Hüften betonen. Auch wirken die Oberteile manchmal zu eng und prall, sodass die Weiblichkeit der Trägerin oft überbetont wird. Alles in allem eine Art Bekleidungsstil, der bei den jüngeren Frauen sehr männerbezogen wirkt, während die älteren Damen mehr aufs Verschwinden ausgerichtet sind.

Die wichtigste Landstraße, die entlang der Küste nach Montenegro führt ist nahezu völlig verhüttelt, d.h. dass sich an der Straße ein Geschäft an das andere reiht - nahezu alle Industrieprodukte anbietend, die das Ausland dem albanischen Volk zur Erhöhung seines Konsumglückes zur Verfügung stellen möchte. Hinter diesen Betongebäuden ist reine Steppe, kein Dorf, keine vernünftige Struktur - nichts. Weil diese Geschäfte um ihre Kunden fürchten, bzw. über eine massive Lobby im Verkehrswesen verfügen, der auch die Straßenpolizei in die Hände arbeitet, hat man für die ganze Durchzugsstraße ein Geschwindigkeitslimit von 50 h/km verhängt. Damit trifft diese merkwürdige Form des Straßenbasars vor allem jene, die täglich ihr Brot auf der Straße verdienen - wieder einmal die, die arbeiten wollen und müssen.

Weiters kommt es vor, dass ein brachliegendes Wiesenstück von einem massiven Zaun umgeben ist und man sich unwillkürlich fragt wozu? Dazu gab mir unser Chauffeur folgende Erklärung: Hast du ein Grundstück am Land und du lebst in Tirana und du erbst es mit Brief und Siegel, dann gibt es keine Instanz, wo du dein Besitzrecht anmelden kannst. Die Leute in der Umgebung deines Grundstückes können einfach sagen: „Du bist nicht da, also brauchst du auch das Grundstück nicht und so nehmen wir es uns.“ Der Zaun kann nun vom wirklichen Eigentümer oder von dem der es enteignen will, aufgestellt worden sein.

Es gibt viele und gute Gesetze in Albanien, aber keine Verwaltungsstruktur, der es ein Anliegen wäre, in zivilen Streitfällen  Recht zu sprechen. Da waren die Leute im Alten Testament schon weiter…

Noch ein Wort zur Blutrache.

In den nordalbanischen Bergen waren die Bewohner durch die dortigen geografischen Gegebenheiten so von der Außenwelt abgeschottet, dass sich hier ein aus dem Mittelalter stammendes, möglicherweise sogarm vorrömisches  Gewohnheitsrecht bis in die Neuzeit erhalten hat. Dieses wird in seiner meistzitierten Fassung als Kanun des Lekë Dukagjin bezeichnet. Grundlage des Kanuns ist das Leben in der Großfamilie, in welcher in der Regel drei Generationen unter der  Führung des ältesten Mannes unter einem Dach wohnten. Die Gesetzessammlung regelt die Bereiche Schuldrecht, Ehe- und  Erbrecht, Strafrecht sowie Kirchen-, Landwirtschafts, Fischerei- und  Jagdrecht ziemlich umfassend.

Die Wahrung der Ehre der Betroffenen und die Einhaltung des gegebenen Ehrenwortes waren die zentralen Richtlinien der Gesellschaft. Im Albanischen steht dafür der Begriff besa, der im albanischen Verständnis als heilig galt. Die Besa schützte von der Blutrache Bedrohte für gewisse Zeiten und an bestimmten Orten vor Verfolgung und konnte den zur Blutrache Verpflichteten, davon entbinden. Die Besa konnte zwischen Personen oder Familien vereinbart werden. Sie wurde zum Beispiel für wichtige Besorgungen, Feldarbeit, familiäre Feiern oder kirchliche Feiertage gewährt. Daneben waren aber auch ganze Personengruppen wie Frauen, Kinder oder Priester vor Verfolgung geschützt.

Ein besonderes Versprechen war dasjenige der Eingeschworene Jungfrauen, niemals eine sexuelle Beziehung einzugehen, dafür ein Leben wie ein Mann führen zu können.

Ein einmal gegebenes Wort hat in der albanischen Gesellschaft bis heute eine hohe Bedeutung. Im Fall einer Mordanklage hatte der Mörder bis zu seiner Verfolgung 24 Stunden Zeit und Gelegenheit, unbehelligt die Beerdigung seines Opfers zu besuchen. Das Sühne-Opfer und der Vergeltungszeitraum wurden dabei von der Familie festgelegt. Knaben und Frauen waren von der Blutrache ausgenommen. Die Blutrache konnte auch zeitlich befristet sein oder durch ein ausgehandeltes Blutgeld abgegolten werden. Sobald die Bedingungen ausgehandelt waren, gab es einen öffentlichen Schwur, der mit einem gemeinsamen Fest endete. Im Fall einer Verfolgung lebten die betroffenen Männer in ihren Häusern, oft in jahrelanger Isolation. Dicke Mauern, fensterlose Untergeschoße und kleine schießschartenähnliche Lichtöffnungen, die kaum Sonnenstrahlen in die Häuser ließen, zeigen das Schutzbedürfnis der damaligen Bewohner.

Für die albanische Stammesgesellschaft war es eine große Tragödie, dass  sich die Blutrachefehden zu einer nicht endenwollenden Spirale von Vergeltungsmorden ausdehnten, bis in den betroffenen Stämmen kaum mehr männliche Mitglieder existierten. Frauen hatten vor dem Gesetz einen - ohne jeden Vergleich - minderwertigen Status. Sie gelten als „Schlauch“ (shakull), „in dem die Ware transportiert wird“, d.h. sie waren dazu bestimmt die Kinder eines blutsfremden Mannes auszutragen, hatten aber keine Rechte am Besitz der Schwiegerfamilie. Infolge dieser Stellung waren sie auch von jeder gesellschaftlichen Pflicht entbunden, was sie zusätzlich isolierte. Im Falle einer Blutrache mussten Frauen zusammen mit den Kindern die ohnehin schwere wirtschaftliche Last alleine tragen. Kinder wurden aus Furcht vor Racheakten auch oft isoliert. Dazu kamen die harten und schweren Winter, in denen höher gelegene Regionen oft monatelang von der Außenwelt abgeschnitten waren. Noch bis in das letzte Jahrhundert wurden durch Blutrache ganze Familien ausgelöscht oder in den wirtschaftlichen Abgrund getrieben.

Nach 1990 kam es in Nordalbanien zu einem neuerlichen Aufflammen von Blutrachekonflikten, die teilweise auf Streitfälle vor dem 2. Weltkrieg zurückgehen. (Das kommunistische Regime hatte die Selbstjustiz in Nordalbanien gewaltsam unterdrückt, weil die Familien damit auch ihre Unabhängigkeit gegenüber dem kommunistischen Staat ausdrückten.)  Heute geht man davon aus, dass mehrere tausend Menschen von Blutrachefehden betroffen sind. Besonders kirchliche Organisationen versuchen dieses System zu sistieren, indem sie Versöhnungstreffen organisieren, an denen oft Hunderte der Betroffenen teilnehmen.

1990 haben in Kosovo, Mazedonien und Montenegro über eine Million Albaner an verschiedenen „Versöhnungszeremonien“ teilgenommen. Diese wurden von einer Gruppe um den Soziologen  Anton Ceta († 1995) organisiert. Doch hatten diese Bemühungen nur sehr beschränkten Erfolg.

 

 

 

 

 

 

 

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