Irene Kohlbergers SALVETE

Heidelberg

Heidelberg
entwickelt im Winter und in den Semesterferien der Hochschule eine Atmosphäre eigener Art.
Auf der Hauptstraße – der längsten Fußgängerzone Deutschlands – sind nur wenige Leute unterwegs. Doch es fühlt sich gut an hier zu schlendern und in eines der nächsten Buchantiquariate einfach hineinzufallen. Die Bücher sind nach Sachgebieten geordnet, was dem Ganzen einen unwiderstehlichen Reiz verleiht. Ich kaufe einige Biographien um ganz wenig Geld und  stopfe sie in meinen Stadtrucksack, ohne zu bedenken, dass ich das Büchergewicht den ganzen Tag mit mir herumschleppen werde.

    
Die erste Kirche, die katholische Annakirche ist „zugesperrt“.

                      

Aber ich lasse mich nicht entmutigen und schlendere weiter. Zunächst fällt mir das Theater ins Auge und ich mache Fotos, die zur Atmosphäre des Hinterhofes ganz gut dazupassen.

                      

Dann fällt mir das eine oder andere Haus ins Auge. Das unzerstört gebliebene Heidelberg kann mit vielen Stilrichtungen aufwarten, von Bauten aus der Gotik, Renaissance über die Barocke bis hin zu Historismus und Art Decco.

Vor dem Friedrichsbau, der heute das Psychologische Institut beherbergt – steht ein mächtige in einen langen Mantel gekleidete Gestalt. Es ist Graf Bunsen, der hier in Vertretung der vielen Naturwissenschaftler steht, die hier an der Universität gewirkt haben. Die rechte fast schlafend wirkende Figur, ist das Ergebnis der Anstrengung der Stadtväter der 30er Jahre, die in dieser männlichen Gestalt die unentdeckten Naturkräft abgebildet sehen wollten. Na Ja!

                  
Vor dem Denkmal des Professor Bunsen wird jemand interviewt und gefilmt, wer und was hier erfragt wird, bleibt allerdings im Dunkeln...

                                  

 In der Hl.Geist Kirche ist es ruhig und sehr hell. Die hohen gotischen Glasfenster sind fast ohne Ausnahme hellverglast – und bündeln das Licht ohne Farbfilter in die dreischiffige Säulenbasilika  hinein, wodurch der Raum in eine ungewöhnlich intensive Helligkeit getaucht wird.     

   

Der Kurfürst Ruprecht von der Pfalz (1398 – 1410) und seine Gemahlin Elisabeth (geb.von Hollenzoller Nürnberg) ruhen hier drinnen auf einer erhöhten Grabplatte – auch im Tod vereint als wunderschöne Relieffiguren, die im Pfälzischen Erbfolgekrieg von den Franzosen 1693 als einziges Grabmal vor Zerstörung verschont wurden.


Bemerkenswert sind noch die Malereien und qualitativ hochwertigen Schlussteine im Gewölbe des Kichenraumes - das ist aber auch schon alles. Hier haben die protestantischen Erneuerer ganze Arbeit geleistet, die dann von den Franzosen ohne Aufforderung rigoros zu Ende gebracht wurde.

 Universität von Heidelberg

Altes Universitätsgebäude heute

  Mein nächster Besuch gilt den Universitätsräumen. Die ersten Räume, die das Museum eröffnen, sind die ehemaligen Karzerräume, die bis Anfang des 20.Jh. in Verwendung waren. Grund dafür war die autarke Gerichtsbarkeit der Universität im Hinblick auf ihre Mitglieder. Die Verfehlungen der Studenten, die vom Gröhlen zu nachtschlafener Stunde bis zu groben Insulten reichen konnten, wurden vor einem internen Gerichtshof verhandelt und mit Tagen im Karzer bestraft. Verpflegung konnte von außen angefordert - Vorlesungen konnten besucht werden. Doch durfte man das Gebäude nicht verlassen, bis die Karzertage zu Ende waren. Ich stellte mir den Karzer als kleinen beengten Raum vor, und zwar in Anlehnung an Gefängnisse. Dem war aber nicht so, sondern der Karzer bestand aus einer Reihe von Räumen, die über zwei Stockwerke verteilt sind und von den Studenten mit poetischen Namen versehen wurden. Offensichtlich gehörte es auch zum Guten Ton, dass man seine eigenen Karzerhaft dokumentierte und an den Wänden verewigte, wie die unzähligen Sgraffitti noch heute erkennen lassen.

 Die Ruprecht-Karls-Universität ist eine Universität des Landes Baden - Württemberg in Heidelberg. Nach der Prager Karls-Universität und der Universität Wien war sie die dritte Universitätsgründung im Heiligen Römischen Reich nördlich der Alpen. Am 23. Oktober 1385 erhielt Heidelberg das Gründungsprivileg von Papst Urban VI. Seit ihrer Gründung im Jahr 1386 durch den pfälzischen Kurfürsten  Ruprecht I. bestand sie über Jahrhunderte aus vier Fakultäten (Theologie, Recht, Medizin und Philosophie). Erst 1890 kamen die Naturwissenschaften als fünfte eigenständige Fakultät hinzu. 1969 wurde sie in 16 fachspezifische Fakultäten aufgegliedert. Nach einer Neuordnung vom Jahr 2002 gibt es gegenwärtig 12 Fakultäten.

               

Die ersten Professoren der jungen Universität kamen aus Paris und Prag und flüchteten vor Kirchenspaltung und Nationalitätenkämpfen in ihrer Heimat ins damals sichere Heidelberg. Gründungsrektor war Marsilius von Inghen.

Die Universität litt zunächst unter erheblichen Raumproblemen, die Vorlesungen fanden im Augustiner - und im Franziskanerkloster statt. Mehr Räumlichkeiten gewann die Universität, als Kurfürst  Ruprecht II. die Juden aus Heidelberg vertrieb und freiwerdende Gebäude der Universität überließ. Die Synagoge wurde zur Marienkapelle umfunktioniert und diente als Hörsaal. Zur Finanzierung der Universität gründete Kurfürst Ruprecht III. das Heiliggeiststift. Die dazugehörige Heiligengeistkirche diente bis ins 19.Jh. als Universitätskirche und wurde in dieser Funktion von der Peterskirche abgelöst.

Die Kurfürsten sorgten für ihre Universität, griffen aber auch in ihre Autonomie ein, wo es ihnen notwendig schien. So schufen sie neuen geistigen Strömungen, wie dem Humanismus, Raum. Friedrich der Siegreiche führte eine wichtige Universitätsreform durch: An der theologischen Fakultät durfte nun auch der Realismus gelehrt werden, was ein Stück Lehrfreiheit bedeutete. Zugleich wurde an der juristischen Fakultät nun neben dem kirchlichen auch das weltliche Recht gelehrt. Friedrichs Hofrat, Andreas Hartmann wurde zwischen 1463 und seinem Tod 1495 insgesamt sieben Mal und damit so oft wie keiner seiner früheren oder späteren Amtskollegen, zum Rektor der Universität gewählt. Unter den Kanonikern der Heiliggeistkirche war dessen jüngerer Verwandter Hartmannus Hartmanni, der um 1510 das langlebigste der frühen Stipendien an der Universität stiftete, das bis 1949 bestand.

Astronomische Berechnungen

Insignien des Rektors

 Kurfürst Ottheinrich wandelte die gesamte Universität 1556 in eine evangelische Landeshochschule um. In diesem Zusammenhang nahm er die bis dahin einschneidendste Universitätsreform vor: Die Studenten sollten von nun an normale bürgerliche Kleidung statt der bislang vorgeschriebenen geistlichen Tracht tragen. An der theologischen Fakultät wurde das Studium des Hebräischen und des Griechischen verpflichtend, an der medizinischen Fakultät wurde mehr Wert auf die praktische Ausbildung gelegt.

In der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts wurde Heidelberg durch Kurfürst Friedrich III. zu einem Zentrum europäischer Wissenschaft und Kultur und erhielt einen besonderen Charakter als calvinistische Hochschule. Heidelberg wurde zum deutschen Genf, also einem Zentrum der calvinistischen Gelehrsamkeit, dessen internationale Ausstrahlung Professoren und Studenten aus ganz Europa hierher zog. Unter Mitwirkung der theologischen Fakultät entstand 1563 der berühmte Heidelberger Katechismus. Neben den Kalvinismus trat gegen Ende des 16. Jahrhunderts der Späthumanismus. In dieser Epoche wirkten hier unter anderem Martin Opitz und Matthäus Merian.

Die Blütezeit dauerte bis 1618. Der Dreißigjährige Krieg traf die Universität schwer. Mehrfach wurde der Lehrbetrieb unterbrochen, 1622 die weltberühmte Bibliotheca Palatina nach Rom verschleppt. Den mühsamen Neuanfang nach dem Krieg zerschlug die völlige Zerstörung Heidelbergs durch die Truppen Ludwigs XIV am Ende des 17.Jh. Erneut blieb die Universität mehrere Jahre geschlossen.

Im 18. Jahrhundert herrschte in Heidelberg intellektuelle Mittelmäßigkeit. Finanzielle Misswirtschaft und die Revolutionskriege Ende des 18. Jahrhunderts brachten die Universität um ihren Besitz und ihre eigenständigen Einkünfte. Dennoch entstand 1712-1735 am Universitätsplatz mit der Domus Wilhelmina, heute als Alte Universität  bekannt, ein neues Hauptgebäude.

             

             Der Übergang Heidelbergs an Baden im Jahr 1802 führte einen Neuanfang herbei. Die Universität wurde reorganisiert und zur staatlich finanzierten Lehranstalt. Den Namen des ersten badischen Großherzogs Karl Friedrich fügte die Universität dem Namen ihres Stifters hinzu und nennt sich seither Ruprecht-Karls-Universität.

Bilder und Texte zur Romantik

 

Robert Bunsen             Gustaf Kirchhoff

 Hermann von Helmholtz

    

     Geistig wurde die Universität vom  Neuhumanismus geprägt, aber auch die Romantiker fanden Anhänger unter Professoren und Studenten. Zwei Jahre lehrte Georg Wilhelm Friedrich Hegel in Heidelberg, Schlosser begründete eine eigene Heidelberger Schule der politischen Geschichtswissenschaft, der Mediziner Maximilian Joseph von Chelius zog Patienten aus ganz Europa an. Heidelberger Professoren gehörten zu den Trägern des Vormärz-Liberalismus, mehrere von ihnen waren 1848 Mitglieder der  Frankfurter Nationalversammlung.  Während die Naturwissenschaften im Zusammenwirken von Robert Bunsen, Gustaf Kirchhoff und Hermann von Helmholtz eine Sternstunde erlebten, war Heidelberg im 19. Jahrhundert weithin bekannt als Juristenuniversität.

1886 feierte die Universität ihr 500-Jahr-Jubiläum.

              

Am Beginn des 20.Jh. war Heidelberg eine weltoffene und liberale Universität. Das zeigte sich nicht nur an den zahlreichen ausländischen Studenten, sondern seit der Jahrhundertwende am spezifischen Heidelberger Geist, dem interdisziplinären Gespräch, das inspiriert wurde von  Max Weber mit seinen Freunden, vor allem dem Theologen  Ernst Troeltsch, und einem Kreis junger Gelehrter.  In der  Weimarer Republik galt die Universität, geprägt durch Professorengestalten wie Karl Jaspers, Gustav Radbruch, Martin Dibelius und Alfred Weber weithin als eine Hochburg des demokratischen Geistes. Die mit amerikanischen Spenden von Karl Gruber erbaute "Neue Universität" erhielt die von Friedrich Gundolf formulierte Widmung "Dem lebendigen Geist".  

 

            

Die Universität Heidelberg war in der Zeit des Nationalsozialismus die erste Volluniversität in Deutschland, die sich zur Nationalsozialistischen Universität erklärte und das Führerprinzip einführte. Daraufhin wurden sowohl eine große Zahl von meist jüdischen oder politisch engagierten Dozenten und Professoren als auch Studenten der Universität verwiesen. So mussten u.a. der Rechtsphilosoph und ehemalige Justizminister Gustav Radbruch, der Serologe Hans Sachs und der Philosoph Karl Jaspers die Heidelberger Universität verlassen. Viele gingen in die Emigration, zwei Professoren wurden unmittelbar Opfer des nationalsozialistischen Terrors. An der Bücherverbrennungen im Mai 1933 auf dem Universitätsplatz waren vor allem Universitätsangehörige aktiv beteiligt. Besonderen Anteil hatten hier Heidelberger Burschenschaften. Durch das Wirken profilierter Regimeanhänger war Heidelberg als braune Universität verufen. Die Widmung der Portalfigur am Gebäude der Neuen Universität wurde 1936 vonDem lebendigen GeistinDem deutschen Geistgeändert, die Schirmherrin von Künsten und Wissenschaften Pallas Athene wich einem sehr großen deutschen Adler, und viele Studenten, Dozenten und Professoren huldigten dem neuen Motto.

                

Am Ende des Zweiten Weltkriegs war die Universität äußerlich unzerstört, bedurfte aber der geistigen Erneuerung. Unter Federführung des Philosophen Karl Jaspers wurde eine neue Satzung ausgearbeitet, in der sich die Universität verpflichtete,dem lebendigen Geist der Wahrheit, Gerechtigkeit und Humanität zu dienen.Erster Rektor der Nachkriegszeit war der Chirurg Karl Heinrich Bauer. Im Zuge des Ausbaus und der Expansion wurde die Universität räumlich geteilt: Für die Naturwissenschaften und einen Teil der Medizin entstand im Neuenheimer Feld  eine Campus-Universität, während die Geisteswissenschaften ihr angestammtes Quartier in der Altstadt behielten.

                  

Auch der traditionell große Anteil von Ausländern hat sich nach dem Krieg wieder eingestellt. Dass trotz der hohen Zahlen, Lehre und Forschung auch heute noch als einheitliche Aufgabe verstanden werden, sieht die Universität in allen ihren Gliedern als Herausforderung und Verpflichtung an.

          

Die Studentenbewegung erfasste Heidelberg erst relativ spät. In vielen Versammlungen wurde um das politische Mandat gestritten, also um das Recht der Studentenschaft zu allgemeinpolitischen Stellungnahmen. Von Teilen der Professoren, der Landesregierung und vom RCDS, der Studentenorganisation der CDU, wurde es abgelehnt, während es der Sozialistische Deutsche Studentenbund (SDS) und große Teile der Studentenschaft forderten. Aktuelle politische Fragen und studentische Rechte bildeten eine lebhafte Mixtur in vielen Debatten. Die unabhängigen und konservativen Studenten verloren ihren Einfluss auf das Studentenparlament und den AStA, in das überwiegend SDS - und andere politisch linksstehende Studenten hinein gewählt wurden.

Im Januar 1969 verhaftete ein Polizeiaufgebot zwölf Studenten, fast alle Mitglieder des SDS, in den Räumen des AStA. Die Abriegelung des Hörsaalgebäudes und die Räumung des Collegium Academicum durch eine über 700 starke bewaffnete Polizeitruppe im Jahre 1978, die im Auftrag des Kultusministers Wilhelm Hahn eingesetzt wurde, gilt heute als ein Endpunkt der Studentenbewegung in ganz Deutschland.

             

 Die Universität hat sich in den letzten Jahren durch ihre vielen Kliniken und durch Zusammenarbeit mit außeruniversitären Forschungseinrichtungen einen guten Ruf im Bereich der Medizin, aber auch in der Neuroboiologie und Physik, der Mathematik und Informatik, den Rechtswissenschaften  und der Volkswirtschaftslehre verschafft. Als erste deutsche Universität gründete sie Niederlassungen im Ausland, die den guten Ruf der Universität weltweit fördern sollen, so zum Beispiel in Ägypten, Chile oder Massachusetts (USA). Im Oktober 2007 wurde sie in der zweiten Runde der Excellenzinitiative für die Förderung ihres Zukunftskonzeptes Heidelberg "Realising the Potential of a Comprehensive University" ausgewählt.

Zum Thema Heidelberger Studentenleben soll hier Mark Twain zu Wort  kommen, der als Amerikaner 1878 sachlich und distanziert über das Heidelberger Universitätsleben berichtet:

Man sieht zur jederzeit so viele Studenten unterwegs, dass man anfängt sich zu fragen, ob sie überhaupt je Arbeitsstunden haben. Einige haben welche und andere keine. Jeder hat die Wahl, ob er arbeiten oder bummeln will. Das deutsche Universitätsleben ist ein sehr freies Leben und scheint keine Beschränkungen zu kennen. Der Student lebt nicht, wie bei uns in der Universität selbst, sondern mietet sich irgendwo nach Belieben ein Zimmer und hält seine Mahlzeiten, wann und wo es ihm gefällt. Er geht schlafen, wenn es ihm passt und steht, wenn er keine Lust hat, überhaupt nicht auf. Da er auch nicht für eine bestimmte Zeit die Universität bezieht, kann er seinen Studienort verschiedentlich wechseln. Das Belegen der Kollegs verpflichtet ihn nicht zu einer Prüfung. Wenn er seine ziemlich geringen Kollegggebühren bezahlt hat, bekommt er einen Ausweis, der ihn in den Genuß aller Vorrechte der Universität setzt. Das ist alles, und er kann dann eben nach Belieben arbeiten ode bummeln. Will er arbeiten, dann findet er eine große Liste von Vorlesungen, unter denen er wählen kann.

Es heißt, die große Mehrheit der Heidelberger Studenten wären harte Arbeiter und nützten alle Möglichkeiten nach Kräften aus und hätten keine Mittel für Zerstreungen übrig und keine Zeit für Possen.

Und Mark Twain bleibt sich als Ironiker treu, wenn er im Einzelnen beschreibt, wie die Studenten eifrig von einer Vorlesung zur anderen strömen, und in Sekundenschnelle einen Hörsaal füllen und wieder verlassen, während der Professor schon am Weg zum Katheder zu dozieren anfängt und von den Studenten abgemahnt wird, wenn er nicht rechtzeitig die Vorlesung zu Ende bringt. Weiter schildert er, dass er von den achthundert immatrikulierten Studenten an die fünfzig jeden Tag begegnete. Sie wanderten durch die Straßen, ruderten auf dem Fluß und tranken vormittags ihr Bier und nachmittags ihren Kaffee im Schlossgarten. Sie führen ein leichtes, sorgloses und behagliches Leben:

Zwischen den deutschen Studenten und ihren Professoren besteht ein kameradschaftlicher Verkehr. Kommt ein Professor abends in ein Bierlokal, wo Studenten versammelt sind, dann stehen sie auf, lüften ihre Mützen und laden den alten Herrn ein, sich zu ihnen zu setzen und mitzumachen. Er nimmt auch an und munteres Gespräch und Bier fließen für ein, zwei Stunden, bis schließlich der Professor gehörig geladen in aller Gemütlichkeit herzlich gute Nacht wünscht. Während sich die Studenten barhäuptig verneigen, tritt er beseligt mit der großen Last seines Wissens den Heimweg an...

Und von Mark Twain stammt auch eine detailreiche Schilderung eines Studentenduells.

Die Duellanten waren barhäuptig, aber die Augen schützten eiserne Schirme, die ein paar Zentimeter weit vorstanden und deren Lederriemen die Ohren flach an den Kopf banden. Der Hals war um und um mit dicken Hüllen umwickelt, die kein Schläger durchschneiden konnte. Vom Kinn bis zu den Füßen waren sie gründlich ausgepolstert. Die Arme waren wieder und wieder bandagiert, Lage um Lage, dass sie aussahen, wie steife schwarze Klötze. Die Kämpfer standen Angesicht gegen Angesicht, jeder umgeben von ein paar Mitgliedern seines Korps, die ihm helfen sollten. Zwei Sekundantenebenfalls ausgepolstert mit Schlägern in der Hand - nahmen in unmittelbarer Nähe Plätze ein - ebenso der Schiedsrichter. Ein anderer Student stand mit der Uhr und einem Notizbuch dabei, um über die Dauer des Kampfes, über Zahl und Wunden Protokoll zu führen. Ein grauköpfiger Arzt war mit seiner Scharpie, mit Bandagen und Instrumenten zugegen.

Die Paukanten begrüßten ehrerbietig den unparteischen Schiedsrichter und maßen sich mit wachsamen Blicken. Es herrschte absolute Stille und atemloses Interesse. Im selben Augenblick, in dem der Befehl zum Angriff gegeben wurde, sprangen die beiden Gestalten vorwärts und ließen ihre Schläge mit solcher blitzartigen Geschwindigkeit auf den Gegner niederregnen, dass ich wirklich nicht mehr hätte sagen können, ob ich die Rapiere sah oder nur die Funken, die durch die Luft stoben. Das klirrende Rasseln dieser Schläge, die den Stahl oder die Polsterung trafen, hatte etwas wundervoll Aufreizendes. Man hieb mit solcher Kraft, dass ich nicht recht verstand, wieso das gegnerische Rapier nicht von dem Ansturm niedergeschlagen wurde. Inmitten der Schwertfunken sah ich plötzlich eine Handvoll Haare durch die Luft fliegen, als ob sie lose auf dem Kopf des Opfers gelegen hätten und nur von einem Windhauch fortgeweht worden wären. Die Sekundanten riefen:Halt!und schlugen die Waffen der Kämpfenden mit ihren eignen zur Seite. Die Paukanten setzten sich, ein dienstleistender Student trat hervor, prüfte die Kopfwunde und betupfte sie mit einem Schwamm. Der Arzt trat heran, strich das Haar von der Wunde fort und legte einen zwei, drei Zoll langen hochroten Hieb bloß. Er tat ein Stückchen Leder und einen Bausch Scharpie darauf, während der Student, der das Merkbuch führte, für den Gegner einen Strich buchte.

Wieder wurde der Befehl gegeben, und nun stürzten sich die beiden mit der gleichen Heftigkeit aufeinander wie gehabt. Dem Verwundeten rann ein dünner Streifen Blut vom Kopf über Schultern und Rücken auf den Fußboden, was ihn aber nicht zu stören schien. Später sprang ein leuchtender Funke von einer der Klingen, sie zerbrach, und ein Stück von ihr sprang gegen die Decke. Ein neuer Schläger wurde herbeigebracht und wieder ging der Kampf weiter. Selbstverständlich war die Anstrengung furchtbar groß, und es zeigte sich auch bei beiden Fechtern eine ziemliche Müdigkeit. Sie durften sich all Augenblicke für ein paar Sekunden ausruhen. Weitere Pausen verschafften ihnen die gegenseitigen Verwundungen, denn während der Doktor verband, durften sie sich setzen. Die Regel besagt, dass solch ein Kampf fünfzehn Minuten dauern muss, wenn es die Paukanten so lange aushalten, aber abzüglich der Pausen.

Ich war dabei gewesen, wie die Köpfe und Gesichter von zehn jungen Männern nach allen Richtungen von scharfen zweischneidigen Klingen zerfetzt worden sind, aber nicht ein Opfer hatte ich sich winden sehen, ich hatte weder Stöhnen gehört noch einen flüchtigen Ausdruck auf den Gesichtern entdeckt, der von dem scharfen Schmerz gesprochen hätte, den diese Verletzung verursachte. Das zeugt sicherlich von großer Willensstärke. Nicht nur in der Erregung des Schlägerspieles zeigte sich diese Stärke, sie erwies sich auch im Zimmer des Arztes, wo nicht die Stille der Begeisterung herrschte und keine Zuschauer vorhanden warn. Auch die ärztliche Behandlung rief weder Grimassen noch Seufzer hervor.

Die Welt betrachtet im allgemeinen diese Studentenmensuren als eine recht lächerliche Angelegenheit. Gewiss. Wenn man aber bedenkt, dass diese Mensuren von jungen Menschen ausgefochten werden, dass es richtige Schwerter sind und dass Kopf und Gesicht frei bleiben, so erscheint es mir doch, dass es eine Farce mit ernstem Hintergrund ist...

So nachzulesen bei dem Amerikaner Mark Twain, der während seiner Europareise auch Heidelberg besuchte und Zeuge einer Mensur geworden war.

 Die Gegenwart der vielen Studierenden verleiht Heidelbergs Straßen ein fröhliches und junges Flair. Allerdings sind die jungen Leute eher in den Cafes und in den Kneipen anzutreffen und nicht so sehr auf den Strassen, wo es wirklich nur kalt ist.

Ich wandere zur berühmten Brücke, deren vielgerühmter Anblick mich auch nicht wirklich wärmen kann. Ich mache meine obligatorischen Fotos und weiche der Gruppe Japaner aus, die in herdenhafter Getriebenheit über den Brückenrand, d.h. durch das Karlstor strömen. Am Denkmal von Karl Theodor hängt noch eine junge Japanerin und wird in Ermangelung einer Taube von ihrem Vater fotografiert. Ich wandere entlang der Brücke zur Mitte hin und entdecke an ihrem höchsten Punkt einen kleinen Balkon, der einen direkten Ausblick auf den Neckar gewährt. Ich lehne mich an die Brüstung und hänge eine zeitlang meinen Gedanken nach, die mich weit weg nach Bosnien führen, wo die Brücke über die Drina einen ähnlichen aber viel größeren Balkon trägt, der als literarischer Ort von Ivo Andric meisterhaft in Szenen gesetzt wurde.(sh. Bosnienbericht)

             

Die Brücke über den Neckar, hier in Heidelberg, ist so ein Mittelding zwischen der mächtigen Drinabrücke und dem grazilen Bogen der Mostarbrücke. Sie ruht auf sieben Bögen, die in ihrer harmonischen Schönheit immer wieder in dichterischen Zeilen aufschimmert. Historisch betrachtet wurde sie fünfmal an der gleichen Stelle errichtet. Das letzte Mal nach dem Zweiten Weltkrieg, nachdem sie von den eigenen Leuten gesprengt wurde, um die Amerikaner an der Überschreitung des Neckars zu hindern. Daraufhin entstand innerhalb von vierundzwanzig Stunden eine Pontonbrücke flussaufwärts, die den Amerikanern die „Eroberung“ der Stadt Heidelberg auch ohne der alten Brücke ermöglichte.

Das Brückentor, das im 18.Jh. errichtet wurde, gab Kurfürst Karl Theodor in Auftrag. Man nannte es ihm zu Ehren Karlstor und errichtete ihm später ein Denkmal an der Brücke.

Auf dem Weg zurück in die Stadt suche ich nach dem Jesuitenkonvent zu dem eine Barockkirche gehört. Der Architekt und Baumeister der Jesuitenkirche war J.A. Breunig, der auch das Haus des heutigen Kurpfälzischen Museums gebaut und bewohnt hat. Die Fassade der Kirche ist ganz im klassischen Kanon der Barocke errichtet:

              

 Flache Halbsäulen mit jonischen Kapitellen gliedern die Stirnfront des Baus. Ein mittleres Fenster wird von zwei halbrunden Wandnischen flankiert, die mit Apostelgestalten geschmückt sind. Der seitliche Scheingiebel endet in großen Schneckenwindungen. In der Giebelmitte ist eine Wandnische eingelasssen, die Platz für einen Heiligen schafft. Es fehlen auch nicht die seitlichen Prunkvasen und ein abgestufte Fassadenbekrönung in Form eines abgestuften Daches. Ganz oben am Giebel hält der Auferstandene Wache, die Siegesfahne in der Hand.

Ich betrete die Kirche und befinde mich in einem Innenraum, der in drei Schiffen gegliedert ist - eine ungewöhnliche Lösung für einen Barockbau. Der Raum ist vollständig in Weiß gehalten, wodurch er kühl und fast klassizistisch wirkt. Besonders schön sind die Stuckkapitelle in Rokokodekor. Als Gegengewicht sind die Besucherbänke sehr dunkel gehalten und auch die Umrahmung des Altarraumes. Die großen Altarbilder sind Fresken, die von marmorierten Stucksäulen umrahmt sind. In einer der rechten Seitenkapellen ist eine merkwürdige Konstruktion aufgebaut, wo Namenskärtchen aus Ton aufgereiht sind. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass es Namenstäfelchen von Verstorbenen sind, denen  hier in der Kirche gedacht wird. Meinem Gefühl nach ein wunderbarer Einfall, weil jeder der Bewohner ein Täfelchen dieser Art bekommen kann, das gebrannt wird und an die Verstorbenen erinnert.


Ein im Grunde fürchterlicher Bau ist die Universitätsbibliothek. Ein historistisches Monstrum mit Rundturm und historistischer Fassadengestaltung, die mit Jugendstildekoration verbrämt ist. Beim Umschreiten des riesigen Gebäudes wird mir allerdings ein liebenswürdiges Konrtrastprogramm geboten: eine Anhäufung von Fahrrädern, die in dieser Dichte nicht einmal in Amsterdam zu finden waren: Zeichen intensiven Studiums an diesem wenig anheimelnden Ort. Allerdings habe ich erst später erfahren, dass man die Bibliothek auch touristisch besuchen kann – und jetzt tut es mir leid, dass ich keinen Blick auf die Manessische Liederhandschrift werfen konnte, deren Miniaturen zu dem Liebenswürdigsten gehören, was europäische Buchmaler hervorgebracht haben.

 
 

Mein nächstes Ziel ist ins Warme zu kommen und ich suche mir das Kurpfälzische Museum aus, um nicht ganz zu erfrieren. Es beginnt mit der Urzeit von Heidelberg und ich versuche die Henkelkrüge, die Speerspitzen und die allzubekannten Gegenstände des täglichen Gebrauches aus der Bronzezeit, nur im Vorübergehen zu betrachten. Doch dann beginnt im ersten Stock die historische Zeit mit den Barockgemälden der Kurfürsten. Es sind teils wirklich gut gemalte Porträts, die hier aufgehängt sind. Doch leider habe ich vergessen die Namen der Abgebildeten extra zu fotografieren und so habe ich nur ein Portraitgalerie ohne Namen zur Verfügung, wo die Kurfürsten und ihre Gattinnen in schöne Kostüme der Barockzeit gekleidet sind.

        

Die Prunkräume des ehemaligen Palais sind bis heute nahezu unverändert erhalten und dokumentieren den eleganten Wohnstil des 19. Jh. Darüberhinaus sind hier Gegenstände und Bilder von privaten Sammlungen zu sehen, unter anderem auch ein kleiner Flügelalter von Riemenschneider. Schön und angenehm ist es hier vor den geschnitzten Figuren zu sitzen und nur zu schauen, so wie es Goethe einst gepflegt hatte.

 Riemenschneiders Ausdruckskraft kenn ich schon von Kefermarkt in Ober Österreich her, wo er wahrhaftig männliche Gestalten im Hl. Florian und dem Hl. Georg geschaffen hat. Hier sind die zwölf Apostel um Jesus geschart, und zwar jeder mit seinem besonderen individuellen Ausdruck in Gesicht und Gestalt. Riemenschneider war ein ganz Großer, der in ganz Mitteleuropa gewirkt hat und von dem auch einige bedeutende Werke wirklich erhalten sind. Und ich frage mich wie schon so oft, wie die Holzfiguren, die sich im matten Glanz des Lindenholzes vor unseren Augen präsentieren, wohl ausgeschaut haben, als sie noch bemalt waren...

Ein kleiner Roger van der Weiden „Geburt Christi“ hängt im anschließenden Raum und noch einige andere kleine Kostbarkeiten. Überrascht bin ich allerdings von den zwei nächsten Räumen, wo in guter alter Sammlermanier eine gestiftete Privatsammlung von niederländischen Gemälden über - und nebeneinander gehängt einen Wandteppich aus Bildern entstehen lassen. Es sind Landschaften, Stillleben, Portraits darunter – alles in der klassischen Weise gemalt. Man müsste viel Zeit haben, um sich darin zu versenken – doch selbst dann würde das Auge ermüden von den ungezählten Einzelheiten, die hier zu erfassen sind. Ich schlendere müßig herum und betrachte die Bilder so im Großen und Ganzen. Zweifellos sind einige besondere Werke darunter, andere sind nur „schön“. Aber insgesamt erweist sich die Galerie als sehenswert und interessant.

Ich wandere wieder zurück und schaue mir noch einmal meine „Lieblinge“ an - bleibe vor den gotischen Bildtafeln stehen - verabschiede mich von den Zwölf Aposteln des Riemenschneideraltares und hänge noch ein bisschen im Museumsshop herum. Das Angebot an Kunstbüchern ist nicht berauschend, war aber auch nicht zu erwarten. Doch schmeckt der Kaffee gut und es ist warm und gemütlich... Draußen hat es mehr als 10 Grad unter Null und ich beeile mich zu meinem Bus zu kommen. Für heute ist es genug.

 

Geschichte des Heidelberger Schlosses

                          

Um seiner Gattin, der englischen Königstochter Elisabeth Stuart, ein standesgemäßes Hofleben bieten zu können, ließ Kurfürst Friedrich V. (16101623) das Heidelberger Schloss durch den Bau des Hortus Palatinus umgestalten. Auf politischem Terrain war Friedrich als Führer der Protestantischen Union in die Wirren des  Dreißigjährigen Krieges verwickelt, als er sich 1619 zum  böhmischen König wählen ließ. Er konnte sich aber nicht gegen den katholischen Kaiser durchsetzen und wurde 1620 in der Schlacht am Weißen Berge geschlagen. Wegen seiner kurzen Herrschaft ging er als Winterkönig in die Geschichte ein. Im Jahr 1622 eroberte Tilly als Heerführer der Katholischen Liga Heidelberg und erbeutete die berühmte Biblioteca Palatina. Herzog Maximilian I. von Bayern schenkte sie Papst Gregor XV. Sie wird in der Biblioteca Vaticana verwahrt. Heidelberg wurde vom Krieg schwer getroffen, die Bevölkerung litt große Not. Im Westfälischen Frieden, der 1648 den Dreißigjährigen Krieg beendete, wurde die Kurpfalz wiederhergestellt, sie verlor aber viel von ihrem politischen Gewicht.

 Als Kurfürst  Karl II. 1685 kinderlos verstarb, erlosch die Linie Pfalz Simmern des Hauses Wittelsbach und die Kurfürstenwürde ging auf die katholische Nebenlinie Pfalz-Neuburg über. Aus den Erbansprüchen, die der französische König Ludwig XIV. nun mit Verweis auf seine Schwägerin Elisabeth Charlotte (besser bekannt als  Liselotte von der Pfalz) erhob, resultierte der Pfälzischer Erbfolgekrieg. Im Verlaufe dieses Krieges wurde Heidelberg zweimal, 1688 und 1693, von französischen Truppen eingenommen und dabei komplett verwüstet. Nachdem der Erbfolgekrieg 1697 beendet war, baute man das zerstörte Heidelberg im Stil der Barocke auf mittelalterlichem Grundriss wieder auf. Die nunmehr katholischen Kurfürsten siedelten in der Stadt Jesuiten an.

Das Heidelberger Schloss war nach der Zerstörung durch die Franzosen unbewohnbar, entsprach aber ohnehin nicht mehr dem barocken Zeitgeschmack, der großzügige Schlossanlagen nach dem Vorbild von Versailles bevorzugte. Pläne, eine solche Residenz in der Ebene im Bereich des heutigen Stadtteils Bergheim zu bauen, scheiterten am Widerstand der Heidelberger Bürgerschaft, und so entschloss sich  Karl III. Philipp nach einem Streit mit den Heidelberger Protestanten, 1720 seine Residenz nach Mannheim zu verlegen. In der Quadratestadt, die dem barocken Zeitgeist und dem Repräsentationsinteresse des Kurfürsten weitaus mehr entsprach als das mittelalterliche Heidelberg, ließ er das prunkvolle Schloss Mannheim errichten. Heidelberg verlor seine Stellung als politisches Machtzentrum und litt auch ökonomisch durch den Weggang des Hofstaats. Von der Herrschaftszeit Kurfürst Carl Theodors (17431799) profitierte aber auch Heidelberg durch den Bau der Alten Brücke und des  Karlstores. Die Instandsetzung des Schlosses wurde 1764 nach einem verheerenden Blitzschlag wieder eingestellt.

Die Schlossanlagen verfielen und wurden von den heidelberger Bürgern als Steinbruch benutzt. Efeu und andere Schlinggewächse überwucherten die Mauern. In den Höfen wuchsen Bäume und verwandelten die Schlossanlage in das romantische Gebäude, das die Dichter besingen und dem unzählige Lieder und Beschreibungen gewidmet sind. Von denen zweifellos das folgende Gedicht von Hölderlin zu den schönsten gehört.   

       Heidelberg

 

Lange lieb' ich dich schon, möchte dich, mir zur Lust,

   Mutter nennen, und dir schenken ein kunstlos Lied,

      Du, der Vaterlandsstädte

         Ländlichschönste, so viel ich sah.

 

Wie der Vogel des Walds über die Gipfel fliegt,

   Schwingt sich über den Strom, wo er vorbei dir glänzt,

      Leicht und kräftig die Brücke,

         Die von Wagen und Menschen tönt.

 

Wie von Göttern gesandt, fesselt' ein Zauber einst

   Auf die Brücke mich an, da ich vorüber ging,

      Und herein in die Berge

         Mir die reizende Ferne schien,

 

Und der Jüngling, der Strom, fort in die Ebne zog,

   Traurigfroh, wie das Herz, wenn es, sich selbst zu schön,

      Liebend unterzugehen,

         In die Fluten der Zeit sich wirft.

 

Quellen hattest du ihm, hattest dem Flüchtigen

   Kühle Schatten geschenkt, und die Gestade sahn

      All' ihm nach, und es bebte

         Aus den Wellen ihr lieblich Bild.

 

Aber schwer in das Tal hing die gigantische,

   Schicksalskundige Burg nieder bis auf den Grund,

      Von den Wettern zerrissen;

         Doch die ewige Sonne goß

 

Ihr verjüngendes Licht über das alternde

   Riesenbild, und umher grünte lebendiger

      Efeu; freundliche Wälder

         Rauschten über die Burg herab.

 

Sträuche blühten herab, bis wo im heitern Tal,

   An den Hügel gelehnt, oder dem Ufer hold,

      Deine fröhlichen Gassen

         Unter duftenden Gärten ruhn.

Die Besucher von Heidelberg suchten hier unterschiedliche Dinge, die immer wiederkehren. Aus den Briefen der Studenten erklingt das Lob der Stadt, weil preisgünstige und schön gelegenen Zimmer hier zu haben sind. Fast immer loben sie den sorgenden Einfluss der Zimmerwirtin und daneben die wunderschöne Aussicht zum Schloss hin oder zum romantisch verklärten Neckar. Obwohl ich sicher bin, dass nicht alle Studentenzimmer sich dieser Aussicht erfreuen, so kann man hier zweifellos bis heute angenehm wohnen, weil die Stadt geradezu auf Studenten ausgerichtet ist. Goethe hat hier dreimal geweilt, und zwar war er im Palais des Herrn Boisseree zu Gast, der über eine interessante Gemäldesammlung verfügte. Aus seinen Briefen wissen wir, dass er sich die Gemäldedarunter ein Altarbild von Roger van der Weyden, das sich mit der übrigen Sammlung heute in der Münchner Pinakothek befindet - gleichsam jeden Tag betrachtete. Er ließ sich das Gemälde auf eine Staffelei stellen, nahm davor Platz und studierte es in allen Einzelheiten. Diese Art von Begegnung mit den großen Werken der Vergangenheit würde mir auch gefallen; doch für moderne Museumsbesucher gelten andere Voraussetzungen.

Die Professoren, die hier wirkten und Briefe schrieben, sind auch in erster Linie an einem netten Quartier interessiert. Erst in zweiter Linie berichten sie über ihre Studenten und das Interesse, womit ihre Vorlesungen verfolgt werden.

Die wunderschöne Lage Heidelbergs zwischen grünen Hügeln, durchflossen vom Neckar, den eine siebenbogige Brücke überspannt  und überhöht von den romantisch bewachsenen Mauern des Heidelberger Schlosses hat Generationen von Dichtern inspiriert. In Briefen und Gedichten hat man die Schönheit der Stadt Ehre erwiesen und es gibt heute ein dreihundert Seiten dickes Lesebuch, worin eine Literatursammlung  zum Thema Heidelberg abgedruckt wurde, die mit Johann Wolfgang von Goethe beginnt und mit den sechziger Jahren des 20. Jh. endet.

Um das geistige Ambiente der Romantik ein wenig zu nachzufühlen, sollen hier einige Briefe bekannter Romantiker eingefügt werden, die letztlich den außergewöhnlichen literarischen Ruhm der Stadt  Heidelberg begründet haben.

Achim von Arnim an Bettina Brantano

  ich bin heute einsam den Heiligen Berg hinaufgestiegen zu den Mauern, die nichts umschließen und nichts bedecken, und wollte die Natur suchen,“an der keine Meschenhände sichtbar sind, wo Gottes Hand alles gemacht haben soll“, von der du mir schreibst. Und ich sah alle Ufer der Ströme und das Land zwischen den Bergen, und ich sah in die Berge, wo sie herkamen, wo die Wege sich verloren, und alles war voll Menschenwerk, alle Bäume waren von Menschenhand gesät, die Steine gesammelt, die Flüsse gelenkt, und ich sah Gottes Hand in der Hand des Menschen, der sein Ebenbild ist – verachte den Menschen nicht und was er geschaffen: denn was menschlich ist, das ist auch ganz göttlich, und das ist das Gesetz, was mehr ist als die Übertretung... (6. Februar 1808)

Heinrich Voss (Bekannter Übersetzer der Shakspeare Dramen): Gestern aß ich bei Fries. Als ich um drei Uhr zurückkkam, setzte ich mich gierig  an meinen Shakespeare,“Heinrich IV.“, dessen Falstaff Szenen mich während der Arbeit fast ununterbrochen im Lachen erhalten; da kommt Julien herein; ein armer Student sei da, der ein Unterstützung begehre. Der arme Student kam herein und klagte seine  Not. Ich denke, du bist verflucht alt für einen Studenten, und gucke iohn scharf an. Da fällt er mir um den Hals und will mich mit Küssen ersticken. Jean Paul ists , der liebe, herrliche Jean Paul! Nein, so habe ich ihn mir nicht gedacht, so schlicht so einfach, so Zutraun erweckend.. (7.Juli 1817)

Samstag Abend brachten ihm die Studenten einen Fackelzug, anständig und würdevoll. Er ging sogleich hinunter und forderte alle Hände; und  nun war es in der Tat ein schöner Anblick, wie alles sich um ihn  drängte. Herrliche Worte sprach er dabei, die den deutschgesinnten Jünglingen ans Herz gehen mussten. Als Jean Paul zurückkam, war er ausgelassen vor Freude, wirklich wie ein Kind, dem zum ersten Mal ein Weihnachten beschert wird. „ Die ganze Nacht hab ich davon geträumt“, sagt er mir am nächsten Morgen, als ich leise in sein Zimmer schlich, um ihn für die Neckarfahrt zuw ecken (16. Juli 1817)

 Jean Paul (Bekannter Schriftsteller des 19.Jh.): Heute brachten mir der Professor Hegel und Hofrat Creuzer mit den Pedellen hinter sich im Namen der Universität das pergamente Doktordiplom in einer langen roten Kapsel....

Ich habe hier Stunden erlebt, wie ich sie nie unter dem schönsten Himmel meines Lebens gefunden, besonders die Wasserfahrt, das Studentenvivat und die gestrigen Gesänge  aus der altitalienischen Musik; aber ich danke auch dem Allgütigen so viel ich kann durch Milde, Bescheidenheit, Liebe und Rechtsein gegen jedermann …

Interessant erschien mir auch die Beschreibung des großen Philosophen Hegel und sein Auftreten in Heidelberg, das von Alexander Pagenstecher beschrieben wird:

Nun aber trat im Herbst 1816 Hegel unter uns auf und mit ihm eine ganz mächtige Quelle geistiger An-und Aufregung. Hegels Äußeres hatte in der Tat nichts Anziehendes. Alles an ihm war unförmig, disharmonisch. Sein Schädel dick und knollig, das Gesicht hängend, faltig, das Auge zwinkernd, leblos, die Gestalt des Körpers breit und sitzengeblieben, der Gang watschelnd, die Sprache undeutlich, kauend, durch häßliches Schwäbeln entstellt. Sein Vortrag war überdies unzusammenhängend, in her vorgestoßenen Einzelsätzen durch eine Unmasse neu gebackener Ausdrücke und Wendungen verunstaltet und dadurch den Ungeübten, wie mir absolut unfassbar. Und doch übte er auf den damals noch kleinen Kreis der Zuhörer eine fesselnde Kraft. Bei mir war es zunächst nur der gute Glaube, dass hinter diesem Gallimathias etwas stecken müsse, und der feste Wille, das zu ergründen, was mich an seine Vorlesungen bannte. Dazu kamen die wöchentliche Disputationen, worin von uns unter Hegels Leitung das Gehörte durchgesprochen und, mehr und mehr, auch für mich in verständliches Deutsch übersetzt wurde...Ich wurde eingetaucht und doch nicht ganz ertränkt in der mächtige Sturzflut der Hegelschen Philosophie, vertraut mit der Sprache, gekräfttigt durch ihre dialektische Gymnastik, gereinigt von Vorurteilen und willkürlicher Behandlung des Gedankenlaufes. Auch gab mir die Höhe des Hegelschen Standpunktes, die Allseitigkeit seiner Auffassung der Dinge nach und nach diejenige Unparteilichkeit und Ruhe wieder, welche mit der angeborenen Duldsamkeit und Friedfertigkeit meines Lebens harmonierte.(1816)

 Zuletzt sei noch - sozusagen als Referenz gegenüber der weitgereisten Kaiserin Elisabeth von Österreich - ihre literarische hommage an Heidelberg hier eingefügt.

                                            Heidelberg

 

Geliebter! Hier willst du weilen,

Unter hohem schattigen Dach

Aus Buchenlaub und Platanen

Und Efeu tausendfach.

 

Geliebter! Hier willst du weilen,

Wo alles frisch und neu,

Die Burschen mit ihren Liedern,

Der Frühling mit seinem Mai.

 

Wo dir zu Füßen gleitet

Der Neckar, sanft und mild.

In seinem Schoße tragend

Des schönsten Schlosses Bild.

 

Geliebter! Hier willst du weilen,

Wo in wonniger Sommernacht

Der Mond mit silbernen Strahlen

Umfängt deines Leibes Pracht.

 

Geliebter! Hier willst du weilen,

Mit Blüten und Liebe bedeckt,

Die herrlichen , edlen Glieder

In marmorner Ruhe gestreckt.

 

Und demgegenüber erhebt Tucholsky seine Feder und rechnet mit einem Theaterstück ab, das den romantischen Mythos Heidelberg in Szene setzt. Tucholsky schreibt den Text 1923 – nach den traumatischen Ereignissen des Ersten Weltkrieges, der die alte Ordnung komplett umgeworfen hat:

Sie spielen die alten Possen. Sie weinen über die alten Schmachtfetzen. Sie baden sich in den alten Vorstellungen. Sie schmunzeln über die alten Scherze. “Alte Sachen? Alte Sachen?“ noch niemals ist in diesem Artikel der Absatz so reißend gewesen wie heutzutage. Man fühlt: Im Leben ist das zwar alle dahin, so wollen wir es wenigstens auf der Bühnen, den Ansichtskarten, den Filmen – so wollen wir wenigstens das alte geliebte, schlechte Leben vorgetäuscht sehen, und wenn wirs noch so teuer bezahlen müssen .........   

Alt Heidelberg, du Feine...

Heute breche ich in Richtung Schloss auf und wandere entlang des Wolfbrunnenwegeslinker Hand erheben sich schön gebaute Villenrechter Hand blitzt der Neckar immer wieder herauf. Es ist still hier und friedlich – die Nobelgegend von Heidelberg. Letztendlich erreiche ich den östlichen Rand des Schlossparkes und da es Winter ist, entbehrt der Anblick der Lieblichkeit des frühlingshaften Blühen und Grünens, das in den romantischen Beschreibungen immer wieder herauf beschworen wird.

Dennoch bietet das Schloss auch im Augenblick einen reizvoller Anblick, auch wenn das Mauerwerk nur durch entlaubten Baumkronen durchschimmert.

               

Beeindruckend der rechte runde Wehrturm, dessen südliche Seite nach einer Sprengung einfach als Ganzes herabgerutscht ist. Der Wartturm mit Eingangstor gibt einen gewissen Eindruck über die Ambitionen der Erbauer, wo der Anspruch nach Großartigkeit harmonischen Kompositionen und maßvoller Gestaltung eindeutig 

Die Gestaltung  des Wartturmes, worin sich das Eingangstores öffnet, lässt deutlich erkennen, dass der Wunsch nach beeindruckender und großartiger Überwältigung der Besucher stärker war, als der, nach maßvoller und harmonischer Form. Es ist in Wirklichkeit ein hässlicher Protzbau, der den einzelnen Schlossteilen vorgelagert ist. Drinnen gefällt mir der Ruprechtsbau, der älteste am besten: Schlicht und einfach sind die Mauern aufgezogen, ohne besonderes Zierart, wie es in Zeiten üblich war, wo Adelspaläste noch zur Verteidigung dienten. Die wiedererrichtete Fassade des Friedrichbaus ist ganz im Stil der Spätrenaissance errichtet – im Grunde auch nur großartig, kalt und herrschaftlich. Vielleicht hatten die Originalfiguren, die in den Mauernischen stehen, ursprünglich mehr künstlerische Kraft – jetzt ist es besser sie im Einzelnen nicht zu genau zu betrachten, sondern nur den Gesamteindruck wirken zu lassen. Obwohl der Ludwigsbau von der Fassade her ähnlich gestaltet ist, wie der eben besprochene Friedrichsbau – auch hier sind in die quer gegliederte Fassade  halbrunde Nischen eingelassen, die Herrscherfiguren schmücken – so scheint die Gesamtarchitektur doch von weicheren Linien bestimmt. Dazu kommt, dass der blaue Himmel durch die offenen Fensterhöhlen durchschimmert, was dem Ganzen einen eigentümlichen Reiz verleiht.

  Gesprengter Wehrturm Wartturm mit Eingangstor
  Ruprechtsbau Friedrichsbau

                    Ludwigsbau

                 

In den unteren Räumen des Ludwigsbau ist ein Apothekenmuseum eingerichtet, das schrittweise, die Entwicklung des Apothekenwesens erläutert. In schöner Ordnung findet sich hier alte Einrichtungsgegenstände, so wie lehrreiche Erklärungen über die Heilkräfte von Pflanzen. Auch hat man sich bemüht eine alte Materialkammer nachzubauen- alles mit großer Liebe und Einfühlungsvermögen gestaltet.

 

 Vom Schloss geht es sehr steil hinunter ins Stadtzentrum und ich beschließe mich im Völkerkundemuseum aufzuwärmen. Es ist ein schmuckloser Barockbau, das Palais Weimar, das heute als Völkerkundemuseum dient. Der Eingangsbereich erinnert ein bisschen an Damenstift mit einer strickenden Besucherin, während die Dame  von der Kasse betulich und bemüht die „Gäste“ empfängt und sofort auf die Einzigartigkeit der Sammlungen hinweist. Und sie sind wirklich beeindruckend die Aquarelle, die unter britischer Patronanz im 19.Jh. in Indien entstanden sind. Auffällig ist dabei, dass nicht nur hohe Herrschaften dargestellt sind, sondern auch Schausteller und Tänzer, die zweifellos zu den unteren Volkschichten gehörte. Wunderschöne Farben und feine Pinselstriche, die bis ins Kleinste Stoffe und Verzierungen nachbilden, machen mir Freude und großes Vergnügen.

    
   

Im oberen Stock, der von einer lesenden Dame „bewacht“ wird befindet sich die zweite temporäre Ausstellung:

 

 „Glück, wie das Meer im Osten…“ - 

 Es ist eine Ausstellung mit lehrender Absicht: Immer wieder wird auf großen Tafeln in die Vorstellungswelt der verschiedenen Religionen eingeführt, und mit einigen Exponaten belegt.

Hinduismus:

Im Hinduismus repräsentiert die Göttin Lakshmi die Spenderin des Glücks:
           
            Und Götter, so wie Menschen, von Lakshmi angeblickt,

               sie wurden frei von Sünden, beseligt und beglückt.

Zwei Dinge sind mit Lakshmi verbunden, der Lotus und Elefanten, die Ströme Wasser über sie ausgießen als lebensspendes Symbol. Der Lotus symbolisiert gleichsam Keim und Ursprung allen organischen Lebens, da er aus den Urwassern des Universums emporwächst. Und darüber hinaus verweist er auf Reinheit und spirituelle Kraft: er wurzelt im Schlamm der Tiefe, wächst durch trübe und bewegte Wasser, um dann an der Wasseroberfläche seine Blüte in reiner Schönheit zu entfalten.

Ganesha in Elefantengestalt, gilt als Gott aller guten Unternehmungen auch steht er mit Reichtum und Glück in Beziehung. Lakshmi und Ganesha werden gemeinsam verehrt.

 

Buddhismus

                   

Glück besteht für den Buddhisten im Idealfall im Aufhören des Leidens, indem man die innerirdischen Begierden loslässt. Dennoch gibt es noch Einsprengsel in der Philosophie des Buddhismus, die vom Hinduismus herrühren. So werden im Rahmen der Ausstellung acht buddhistische Glückssymbole vorgestellt, die dem Buddha Shakymuni von den vedischen Gottheiten dargebracht werden.

 

Konfuzianismus

Ganz klare Vorstellungen von glück bringenden Lebenssituationen finden sich im Konfuzianismus. Aus den Schriften des Goldenen Zeitalters – dem Buch der Urkunden – zitiert Konfuzius „Fünf Arten des Glücks“:
 

Langlebigkeit,

Reichtum,

heitere Gelassenheit,

Pflege der Tugenden,

Erfüllung der Lebensaufgabe

 

Zur Pflege der Tugend wird staatstheoretisch von Konfuzius vorgeschlagen:

Die Mitte ist das Fundament der Welt, Die Harmonie ist der von der Welt erreichte Weg. Lässt man Mitte und Harmonie zur Entfaltung kommen, dann finden Himmel und Erde darin ihren festen Stand und alle Dinge gedeihen dort.

Wenn in einem Land Ordnung herrscht, so ist Armut und Niedrigkeit eine Schande; wenn aber in einem Land Unordnung herrscht, dann ist Reichtum und Ansehen eine Schande.

Taoismus

Die Tugend, Te, ist die Qualität, in der sich das Tao im Sinne der kosmischen Wirkkraft äußert und die geübt werden soll. Durch das Versenken in das Tao, das alles durchdringende und die Gegensätze der materiellen Welt aufhebende höchste Prinzip des Kosmos (Ying/Yang) soll dadurch erreicht werden. Die Vereinigung mit diesem höchsten Prinzip durch Kontemplation und Extase ist das Ziel der Taoisten.

Dem Tao folgt man am besten in der Einsamkeit der Natur. Die Erfahrung der Glückseligkeit ist nur möglich im Eintauchen in die allumfassende Verbundenheit der Dinge - ähnlich wie es Fische symbolisieren, die sich aus dem Wasser erheben und wieder ins Wasser eintauchen.

 Für den chinesischen Menschen gilt: Im Amt ein Konfuzianer zu Hause ein Taoist.

Japan und seine Glücksgötter

Das Schatzschiff, das die sieben Glücksgötter an Bord hat, läuft am Neujahrs-vorabend in den Hafen ein, beladen mit sieben Schätzen oder Juwelen, die Menschen im kommenden Jahr haben möchten. Daher legt man am Abend des Neujahrstages ein Bild des Schatzschiffes unter das Kopfkissen in der Hoffnung auf einen glücklichen Traum, der als Vorzeichen für das neue Jahr gedeutet werden kann. Damit erfährt  die Erwartung von Glück eine metaphysische Rückbindung  und führt in tiefere Dimensionen der Mythologie und Märchenwelt. Der Glücksbegriff führt damit über das rein materialistisch-utilitaristischen Streben hinaus. Im volkstümlichen Verständnis sind es die Oni, die Dämonen, die für Glück herbeigerufen und zu rAbwendung von Unglück vertrieben werden, z.B. am 3.Februar,am letzten Tag des Winters,an dem die Oni mit trockenen Sojabohnen aus dem Haus getrieben werden

“Raus mit dem Oni, rein mit dem Glück!“

 

Indonesische Religiosität dargestellt im Schattenspiel

 Der Gunongan oder Kekayon steht am Beginn jedes Schattenspieles und am Ende und zeigt auch die Pausen an. Er bedeutet das Zentrum des Universums, den Weltenberg oder die Weltachse bzw. den Weltenbaum. Als uranfängliche Einheit umfasst er und eint er Gegensätze, die später aus ihm hervorgehen werden.

An der Basis ist der Eingang zum Berg als Tor dargestellt, flankiert von zwei Wächtern. Darüber auf der Achse ist ein dämonisches kala-Gesicht dargestellt, der „Dämon Zeit,“ der unweigerlich zu Alter und Tod hinführt und der in der Mythologie den Unsterblichkeitstrank stiehlt. Über dem Tor stehen sich Tiger und Büffel gegenüber, die Kräfte der ungezähmten Wildnis(Tiger) und des domestizierten sozialen Raumes (Büffel). Über die ganze obere Fläche entfaltet sich ein Baum, eine unerschöpfliche pflanzliche Fülle, die das Leben der Tiere und Menschen erhält.

Entlang des Baumes entfalten sich die Sphären des Raumes vom chthonisch-aquatischen unten zum luftigen himmlischen Bereich oben.

                 

Unten neben dem Dach des Tores sind die Köpfe von zwei naga-Drachen dargestellt, die in den Tiefen der Erde und der Wasser wohnen. Oben im Baum sitzen Vögel, im Zwischenraum tummeln sich erdnahe Wesen. Gegensätze schließen einander nicht aus, sondern bedingen einander. So sieht man die Krone der nagas gestaltet wie das Flügelpaar eines Garuda, des mythischen Vogels und Gegners aller Schlangen. Der schlangenartige Körper wieder erscheint ganz oben in luftiger Höhe um den Baum gewunden. Auch kann das äußere Zierband des gunongan, das sich von den naga-Köpfen zur Spitze zieht als Schlangenkörper interpretiert werden.

Allen Gunongans gemeinsam ist die strenge Symmetrie. Die Achsensymmetrie verweist auf stabiles Gleichgewicht, Ausgleich und Ruhe, aber auch auf Statik und Nicht-Geschehen. Gegensätze sind vorhanden, abstrakt formuliert die Grundelemente: Feuer, Wasser, Erde, Luft. Der Gunongan ist ein Bild des Urzustandes, aus dem heraus sich die Prozesse des Lebens in ihrer Zeitlichkeit und Dynamik entfalten.

Im Fluss des Alltagsleben wechseln sich die Gegensätze ständig ab- im Verlauf der Biographie und mit dem Alter kommen Verschiebungen des Blickwinkels dazu. Das Streben nach Glück erscheint demnach als grobe Vereinfachung. Das kontemplative Ideal ist, den Blick hinter die Alltagsempfindungen zu suchen, und im Erkennen der grundlegenden Struktur des Kosmos sich zugleich von den Verstrickungen in die Wirklichkeit zu lösen und damit unabhängig von den Wechselfällen des Lebens zu werden. Imgrunde sei das Leben voller schwer zu lösenden Situationen

Personen des javanesischen Schattenspiels:

Yudistirar epräsentiert den reinen Typ des guten Königs. Der Kopf ist sanft und introspektiv geneigt – er trägt ein Buch in der Hand – Begierden und Leidenschaften sind ihm fremd; er hat ein offenes Ohr auch für die einfachsten Menschen. Er ist so distanziert von der Welt und so entgegenkommend, dass er sich weidlich ausnutzen lässt und ein ineffektiver Herrscher wird.

 Arjuna Der jüngere Bruder des Königs verkörpert den Krieger. Feingliedrig, schön, feinfühlig und kultiviert, aber mit eisernem Willen. Im Gegensatz zu seinem Bruder ist er glücklich zu Hause im weltlichen Leben. Er kämpft bedingungslos gegen jede Ungerechtigkeit und kann im Namen der Gerechtigkeit auch grausam, kaltblütig und ohne Mitgefühl gegenüber einem Missetäter vorgehen. Beide Figuren verkörpern das unlösbare Dilemma von Mitgefühl und gelassener – toleranter Distanz gegenüber der realen Welt und der Notwendigkeit des moralischen Urteils und der daraus hervorgehenden Handlung.

Im Schattenspiel symbolisiert Batara Guru die uranfängliche Schöpfergottheit, des Einen in der erschaffenen von Gegensätzen durchdrungenen Welt.

Semar  ist einer der mächtigsten Gottheiten, der sich  in die Menschenwelt begibt, um sie im Gleichgewicht zu halten. Sein unförmiger dicker Körper mit den groben hässlichen Gesichtszügen birgt im Inneren eine Gottheit. Er trägt die Kleider eines Mannes und den Schmuck einer Frau; ein Clown, der sich grobe und anzügliche Scherze erlaubt, wo dazwischen tiefgründige Weisheit aufblitzt. Er erinnert daran, dass trotz aller Erkenntnis ein unergründlicher Bereich des menschlichen Lebens bestehen bleibt, das auch ideale Herrscher und Krieger ihrer animalischen Wurzeln verhaftet bleiben und dass man sich dieser Welt nicht entrücken kann, um sich gottähnlich zu wähnen. Semar erscheint als Gegengewicht zu den beiden Aristokraten Yudistira und Arjuna, die ihrerseits nur einen Ausschnitt der Lebenswirklichkeit umfassen. Auch ihr Wirken gewinnt nur in Bezug auf das vollständig Ganze seine Bedeutung.

Der auf Bambus gravierte Kalender der Batak dient zum einen der Zeitrechnung und dabei zur Festlegung der Daten für Rituale des agrikulturellen Jahreszyklus. Zum anderen können dadurch, für bestimmte Anlässe und Tätigkeiten günstige, neutrale und ungünstige Tage bestimmt werden. Für beides gibt es einen Ritual – und Kalenderspezialisten, den datu. Dieser verfügt über ein Geheimwissen, das in Büchern zwar überliefert, aber nicht unmittelbar verständlich ist. Sein Wissen gibt der datu  nur an Schülern weiter und schützt es dadurch von Missbrauch und falscher Anwendung.

                

 

ASMAT-KULTUR

               

Im Untergeschoß sind in einer Dauerausstellung Alltagsgegenstände der Asmat-Kultur, einer Ethnie in West Guinea, ausgestellt. In den Vitrinen befinden sich künstlerisch geschnitzte Waffen, geflochtene Masken und Überkleider aus Schilf und Gras.

 
 

Besonders eindrucksvoll erscheinen mir die geschnitzten menschlichen Figuren, egal ob sie den Kiel eines Bootes schmücken oder als freistehende Figur gestaltet sind. Ihre klaren Linien verraten ein hohes Maß an Abstraktion, das aber – bedingt durch ihren kultischen Charakter -  nie kalt wirkt, sondern menschliche Wärme ausstrahlt. Letzteres gilt für alle Schnitzwerke der Asmat-Kultur. Egal, ob es der Schaft eines Speeres ist, oder die riesigen Ahnenstangen, die in einem eigenen Museumstrakt untergebracht sind – alles ist eindrucksvoll herausgearbeitet und bemalt.

 Den Rückweg nehme ich Richtung Osten über den Karlsplatz wo die Heidelberger Schlossruine den ganzen Horizont umfasst.

             

Am Platz selbst erstreckt sich ein breiter Barockbau, das Großherzogliche Palais, das einmal als Sommersitz für die badische Hofhaltung diente, später für Verwaltungsagenda diente und jetzt die „Akademie der Wissenschaften“ beherbergt. Die nördliche Platzmitte beansprucht das Palais Sickingen, wo Melchior Boisseree seine berühmte Sammlung altdeutsche Gemälde untergebracht hatte, die heute in der Alten Pinakothek in München zu sehen sind.

Eine Gedenktafel erinnert an die Besuche Goethes, der hier zweimal für zwei Wochen zu Gast war, um die berühmte Sammlung zu bewundern.

 Am Weg zum Karlstor gibt es noch einige malerische Gasthausfassaden zu bewundern.

 

Das Karlstor selbst bildete das östliche Ende der Altstadt. Es ist ein Prunktor, das zu Ehren von Kurfüst Karl Theodor errichtet wurde. Als die Kosten das geplante Ausmaß weit überschritten, murrte die Stadtbevölkerung, weil der Kurfürst auch schon in München residierte und das Tor kaum genutzt werden konnte. Aber man brachte das Angefangene dennoch zu Ende, richtete im Ober - und Untergeschoß je drei Gefängnisräume ein und im Erdgeschoß zwei Wachräume. Es ist ein maßvoller klassizistischer Bau, aber irgendwie merkt man dem Bau an, dass er sich einer sinnvollen Verwendung entzieht.

             

Am vierten Tag wandere ich mit meiner Freundin entlang des Philosophenweges am Nordufer des Neckars. Ein normaler Wienerwaldweg, so im großen und ganzen, wenn er nicht entlang des Neckar im Blick auf Schloss und von Heidelberg angelegt wäre. Und als  wir uns von Osten kommend am Hölderlinstein vorbeiwandern, merken wir schon an der Menge der Wanderer, dass wir uns den Besonderheiten nähern: dem Liselottenplatz und dem Philosophengärtchen. Vom Liselottenplatz hat man einen wunderschönen Ausblick auf Schloss und Stadt – beim Gärtchen fehlt es noch an Grün und bunten Blumen. Doch wie heißt es so schön bei Goethe im Osterspaziergang.

Vom Eise befreit sind Strom und Bäche

Durch des Frühlings holden belebenden Blick,

Im Tale grünet Hoffnungs-Glück

Der alte Winter in seiner Schwäche,

Zog sich in raue Berge zurück…

 

Aber die Sonne duldet kein Weißes,

Überall regt sich Bildung und Streben,

Alles will sie mit Farben beleben;

Doch an Blumen fehlts im Revier,

Sie nimmt geputzte Menschen dafür

 Zu Mittag essen wir an diesem Tag in der Mensa der Universität, dem ehemaligen Marstall. Es gibt ein reichhaltiges Buffet der riesige Raumist nahezu vollständig mitjungen Leuten besetzt. Das Essen ist gut und preiswert, das sich auch im jährlichen Wettbewerb geltend macht, indem die Heidelberger Mensa immer wieder einen hohen Rang erzielt.

                          

 Am Abend besuchen wir in der Universitätskirche ein Konzert. Die Ausführenden sind die „Capella Carolina“, der große Chor des Studienzentrums der Universität Heidelberg. Gesungen wird a-capella und zwar die „Nächtliche Virgil 0p.37“ von Sergej Rachmaninov. Unter der Leitung von Franz Wassermann singen die jungen Damen und Herren den ganzen Abend russisch und versetzen ihre Zuhörer in einen Zustand außerhalb von Raum und Zeit. Mehr kann man darüber nicht sagen – wie soll man auch die Wirkung von meditative Musik, die ein russischer Komponist aus den Wurzeln der russisch orthodoxen Kirchenmusik ins 20.Jh. transponiert und auf seine Weise interpretiert hat, in passende Worte fassen?

 

Mannheim

Kurfürst Friedrich IV. von der Pfalz legte am 17. März 1606 den Grundstein zum Bau der Festung Friedrichsburg. Die damalige Planung eines gitterförmigen Straßennetzes für die mit der Festung verbundene Bürgerstadt Mannheim ist bis heute erhalten geblieben. Während des  Dreißgjährgen Krieges (1618–1648), in dem Mannheim auf Seiten der Protestantischen Union kämpfte, wurde es erstmals 1622 durch Truppen zerstört.

Bei seiner Rückkehr in die Kurpfalz fand Kurfürst Karl Ludwig von der Pfalz (1649) ein durch die Kriegszerstörungen weitgehend entvölkertes und wirtschaftlich ruiniertes Land vor. Doch setzte sich der neue Regent  entschieden für den Wiederaufbau Mannheims ein, das wegen seiner günstigen Lage an der Mündung des Neckars in den Rhein sich vorzüglich als Mittelpunkt der Gewerbetätigkeit und des Handels für die Kurpfalz eignete. Im   Pfälzischer Erbfolgekrieg erlitt Mannheim 1689 durch starken französischen Artilleriebeschuss und die nachfolgende Besetzung enorme Schäden. Für den neuerlichen Wiederaufbau der zerstörten Stadt war  Kurfürst   Johann Wilhelm maßgeblich verantwortlich und er verfasste auch  1697 eine Proklamation, in welcher er die Flüchtlinge und Auswanderer zur Rückkehr aufforderte.

1720 verlegte Kurfürst Carl Philipp seinen Hof von Heidelberg nach Mannheim und begann den Bau des  Mannheimer Schlosses (1760 gemeinsam mit der Jesuitenkirche vollendet). Mannheim wurde Residenzstadt der Kurpfalz, und es begann eine fast sechzig  Jahre dauernde, aber glanzvolle Periode der mittlerweile 25.000 Einwohner zählenden Stadt.

Der kurpfälzische Hof förderte Kunst und Musik, Wissenschaft und Handel. Goethe, Schiller und Lessing weilten in Mannheim ebenso wie Mozart.

1778 verlegte Kurfürst  Carl Theodor seine Residenz nach München, um seine  bayrische Erbschaft antreten zu können. Damit setzte in Mannheim ein wirtschaftlicher und kultureller Aderlass ein.

 Mannheimer Schlossanlage:

Das Schloss als Residenz der Kurfürsten von der Pfalz. 1720–1760 erbaut, ist es nach  Versailles die größte geschlossene Barockanlage Europas. Die zur Innenstadt zeigende Schaufront weist eine Länge von 440 Meter auf und ist damit Endpunkt von sieben Parallelstraßen. Im Zweiten Weltkrieg völlig zerstört, wurde das Schloss bis 1968 in vereinfachter Form wiederaufgebaut. Seit April 2007 bietet das Mannheimer Schloss mit seinem neu eröffneten Schlossmuseum wieder Einblick in das Leben im Barock und Empire. Im Krieg zerstörte Räume wurden rekonstruiert, um hochwertigen Ausstellungsstücken eine Kulisse zu bieten. Der Besucher erhält Einblick in das Leben der pfälzischen Kurfürsten (besonders Carl-Theodor) und der badischen Prinzessin Stéphanie von Baden, einer adoptierten Tochter des französischen Kaisers Napoléon I.

Ich wandere vom Bahnhof zum Schloss und bin beeindruckt von der gewaltigen Ausdehnung des Baus. Um mich einzustimmen, besuche ich die heute altkatholische Palastkirche, die eigentlich nur ein riesiger rechteckiger Raum ist. Dennoch wirkt der Raum warm und „lebendig“, einerseits  durch architektonische Details und andererseits durch den Einsatz als Gotteshaus für eine Gemeinde, die ein sehr reges Pfarrleben führt. Durch den eindrucksvollen Altarraum, wo der Altar selbst auf eine Stufenpodest gestellt ist und sich das Altarbild als eine beeindruckende Kopie der Magierhuldigung von Tiepolo erweist, rückt das eigentlich Zentrum des Geschehens weit in den Kirchenraum herein.

             

Das Deckengemälde, das den Triumph der Kirche darstellt, bringt den hohen Raum dem Betrachter näher und ebenso die Galerien, womit die Seitenwände und die Rückwand durchbrochen werden. Alle diese architektonischen Details machen den Raum warm und auch schön. Dazu kommt, dass hier der Messias von Händel sehr früh aufgeführt wurde, Werke von Mozart erklangen und er selbst die Orgel spielte.

 Später gehe ich die wenigen Schritte hinüber zur Jesuitenkirche, die gleichzeitig mit dem Schloss errichtet wurde und unter den Kriegsereignissen schwer gelitten hatte. Doch gelang es in der Nachkriegszeit den Bau so wiederherzustellen, dass er heute einen harmonischen und authentischen Gesamteindruck erweckt. Dazu kommen noch einige wunderschöne Statuen, die vorausschauende Hände aus dem Gotteshaus gerettet hatten. An der Außenwand erinnert eine bronzene Tafel, dass hier Mozart seine geistlichen Werke dirigierte – und hier außerordentlich geschätzt wurde.

Zur 300-Jahr-Feier der Stadterhebung  wurde der Friedrichsplatz 1907 im Jugendstil erbaut. Besonders eindrucksvoll die Reigen von eindrucksvoll gestalteten Laternen, die in Reihen die Parkwege beleuchten.

               

Der „Rosengarten“, die Fassade der Konzertsäle, die im Krieg schwer zerstört wurden, erweist sich als Gesamtkunstwerk des Jugendstils, das für das Wiener Auge allerdings ein bisschen zu plakativ wirkt.

Der Wasserturm, der als Wahrzeichen der Stadt gilt, ist ein typisches Werk der Gründerzeit- ähnlich schön bzw. hässlich, wie wir das aus Wien kennen.

Die  Kunsthalle Mannheim wurde zum 300. Mannheimer Stadtjubiläum 1907 begründet. Ein traditioneller Schwerpunkt der Sammlung ist die deutsche und französische Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts sowie die internationalen  Skulpturen des 20. Jahrhunderts. Hinzu kommt ein umfangreiches Kupferstichkabinett, eine graphische Sammlung, Plakate, Werkkunst und aus der neueren Zeit Fotografien und Videoinstallationen.

Ich treibe mich in den Sälen herum und bin sehr beeindruckt von den modernen kraftvollen Bildern, die hier herumhängen: Als Vertreter des Jugendstiles Hans Christiansen, dazwischen ein Pechstein, ein Hodler, ein Nolde und ein Picasso…

 

Hans Christiansen

 

    Max Hodler  Picasso
  Otto Dix

Emil Nolde     Bernard Buffet

 

August Rodin "Schatten"

Camille Claudel "Bruder Paul als 16.Jähriger"

Wilhelm Lembruck

Ladenburg

Die Erstbesiedlung des Ortes erfolgte irgendwann zwischen 3000 und 200 v. Chr. Ladenburg bestand zunächst als keltische Siedlung Lokudunom (= „Seeburg“). 200 v. Chr. wurde der keltische Gaumittelpunkt vom Heiligenberg bei Heidelberg nach Ladenburg verlegt. Im Jahr 40 wurden suebische Elbgermanen von den Römern als Bauernmiliz angesiedelt. In den römischen Quellen werden sie Suebi Nicrenses („Neckarsueben“) genannt. 74 n. Chr. gründeten die Römer Auxiliarkastelle mit einem Lagerdorf, die Keimzelle der späteren Stadt.

220 besaß die Römerstadt ein Forum mit Marktbasilika, einen Wochenmarkt, Tempeln, ein Theater, Thermen, Paläste und eine Stadtmauer. Um 260 zerstörten Alemannen die Stadt. Einige Römer blieben aber und tradierten den römischen Ortsnamen. Kaiser Valentinian I. nahm 369 die Stadt ein und ließ eine Hafenbefestigung errichten, die nur vom Neckar aus betreten werden konnte. Mitte des 5. Jahrhunderts endete die römische Herrschaft im Raum Ladenburg endgültig. 469 erbauten die Merowinger hier einen Königshof. Der Frankenkönig Dagobert I. „verschenkte“ 628 Stadt und Gau an das Bistum Worms. Im 10. Jahrhundert wurden die ersten mittelalterlichen Stadtmauern errichtet. Kaiser Heinrich II., der Heilige, bestätigt dem  Bischof von Worms 1006 alle Besitzungen des Domstifts zu Ladenburg und fünf Jahre später verleiht er dem Bischof die Grafschaft zu Lobdengau.

Bischof Fleckenstein ließ 1412 an der St. Gallus Kirche den Südturm errichten, „weil ihm, als Bischof, zwei Türme zustehen“, somit ein Dom. Unter Bischof Johann von Dalberg erlebte Ladenburg die größte Blüte. 1512 besuchte sein Freund Kaiser Maximilian die Stadt. 1513 versöhnte sich Bischof Bettendorf mit den Wormsern und verließ Ladenburg, das Nebenresidenz blieb. Daraufhin ließ der calvinistsiche Kurfürst von der Pfalz am Karfreitag die St.-Gallus-Kirche plündern und katholische Bildnisse zerstören (Kurpfälzer Bildersturm).

Im Dreißigjährigen Krieg wurde die Stadt 1622 durch Peter Ernst II. von Mansfeld zum Teil zerstört und im Pfälzischen Erbfolgekrieg (1689–1693) von den Franzosen geplündert. 1705 einigten sich die Brüder Kurfürst Johann Wilhelm und Bischof Franz Ludwig von Pfalz-Neuburg auf einen größeren Gebietsaustausch. Ladenburg fiel dabei samt Neckarhausen komplett an die Kurpfalz.

Nach der Französischen Revolution wurde Ladenburg im Rahmen der Koalitionskriege 1799 besetzt. Danach ordnete Napoleon die politische Landkarte in Europa in seinem Sinne. Die Kurpfalz wurde aufgelöst und die Stadt fiel an Baden, wo sie bis 1863 Amtssitz blieb und dann in das Bezirksamt Mannheim eingegliedert wurde.

Von den Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs blieb Ladenburg weitestgehend verschont. Mit Auflösung des Landeskreises Mannheim kam Ladenburg 1973 zum neuen Rhein-Neckar-Kreis.

Ladenburg besticht meine Phantasie durch das Versprechen einer Fachwerkssiedlung mit mittelalterlicher Umfassungsmauer und Museum für Römische Archäologie. Um nach Ladenburg mit Öffis zu kommen, muss man zuerst nach Mannheim und von dort drei Stationen nordwärts fahren. In Ladenburg angekommen, versuche ich mich zu orientieren, was aber leicht gelingt. Sehr bald sehe ich die Türme der Bischofskirche und befinde mich in einem mauerumfassten Bereich, der zwischen Kinderspielplatz und archäologischem Areal changiert. Ich möchte sehr gern St.Gallus innen bewundern, aber wieder einmal „zuagsperrt“.

St. Gallus

Stadtmuseum

Das Museum dagegen ist, „O Wunder!“ geöffnet. Und es ist eine hervorragende römische Sammlung hier zu bewundern, die von Bodenquerschnitten bis zu einem gut erhaltenen Mithrasfries reicht. Habe schon immer eine besondere Liebe zu den Mithrasheiligtümern verspürt, weil sie so ein tapferer Versuch sind, das eigenen Leben in einen religiösen Sinnzusammenhang zu stellen.

Und hier fand sich ein Fries, wo Ahura Mazda mit Mithras an einer Festtafel liegen, eine zweifellos sehr seltene Darstellung. Darüber hinaus fand sich in einem Brunnen eine Jupiterstatue, die ursprünglich auf einer Säule thronte.

Daneben gibt es Schalen und Waffen und Erklärungen zum Thema Kanalisation – alles Dinge, die in allen wichtigen Städten des Römerreiches zu finden waren. Im ersten Stock des Museums befinden sich mittelalterliche Funde – weiters Holzschnitzerein religiösen und profanan Ursprungs und viele Dinge, die einfach nur alt sind und gesammelt wurden. Faszinierend, die gut erhaltene Stadtmauer und der dazupassende Stadtturm.

Auch lassen sich die Fachwerkshäuser nicht lumpen – sie sind außergewöhnlich schön restauriert- manchmal schon ein bisschen zu sehr. Immer wieder trifft der Blick ein besonders malerisches Haus, das in früheren Zeiten sehr oft rein landwirtschaftlichen Zwecken diente. Heute sind sie alle zu Wohnhäusern umgebaut, die alten Bauernhöfe, Wirtshäuser und Stallungen. Ich durchwandere die alten Gässchen und wünsche mir nur, dass es ein bisschen wärmer wäre. Beschließe die neue reformierte Kirche zu besuchen, um der grimmigen Kälte zu entkommen, aber diese ist ebenso wie St. Gallus „zugesperrt“.

              

Bin enttäuscht und ärgerlich, aber was soll ich machen? Zurückwandern und am ungeschützten Bahnhof warten, bis der erlösende Zug Richtung Mannheim kommt.

              

 

SPEYER

Der salische König und spätere Kaiser Konrad II. ließ vermutlich 1025 den Bau mit dem Ziel beginnen, die größte Kirche des Abendlandes zu errichten. Urkundliche Schriftquellen über die Gründung des Speyerer Domes sind nicht überliefert. Aufgrund einer naturwissenschaftlichen Untersuchung konnten durch Bauanalyse (Achsknick) und Astronomie (Sonnenaufgang) als Orientierungstage für das Langhaus Montag, 25.September 1027 und für den Chor Freitag, 29.September 1027 (Fest des Erzengels Michael) ermittelt werden.

             

Eine Legende berichtet, Konrad habe in aller Frühe den Grundstein zum  Kloster Limburg (bei Bad Dürkheim) gelegt, sei dann mit seiner Gemahlin Gisela und seinem Gefolge nach Speyer geritten, um dort den Grundstein zum Dom sowie zum Stift Sankt Johannes zu legen. Um die für den Bau benötigte Menge von Stein und Holz nach Speyer zu bringen, wurde extra ein Kanal vom Pfälzerwald zum Rhein gebaut. Als Errichtungsort für den Dom wurde bewusst ein Sporn gewählt. Dieser war vom Untergrund her trocken und aus Festgestein. Dass der Dom auf sumpfigem Boden „schwimme“, ist geologisch nicht nachweisbar.

Weder Konrad II. noch sein Sohn Heinrich III. erlebten den Abschluss der Arbeiten. Erst unter dem Enkel Heinrich IV. wurde der Bau im Jahr 1061 geweiht. In der Forschung wird dieser Bauabschnitt als „Speyer I“ bezeichnet. Der Bau umfasste einen Westbau, ein dreischiffiges Langhaus mit anschließendem Querhaus. Der Chor war schon damals von zwei Türmen flankiert. Die ursprüngliche Apsis trat nach außen hin rechteckig in Erscheinung, war innen jedoch gerundet. Das  Mittelschiff des Langhauses besaß eine flache Decke, die Seitenschiffe jedoch wurden eingewölbt - es entstand der erste nachantike große Gewölbebau (abgesehen von der Aachener Pfalzkapelle) nördlich der Alpen.

Knapp 20 Jahre nach der Vollendung von Speyer I ließ Heinrich IV. den Dom zur Hälfte einreißen, um ihn noch größer wieder aufzubauen: Im Mittelschiff wurde die Decke abgetragen, der Bau wurde um fünf Meter erhöht. Statt der flachen Holzdecke entstand das größte Kreuzgratgewölbe  im damaligen Reichsgebiet, auch der Wandaufriss erfuhr entscheidende Veränderungen.

Im Ostteil wurde der Bau bis auf die Fundamente abgetragen und auf bis zu acht Metern starken Fundamenten neu gegründet. Es blieben lediglich die unteren Geschosse der  CHorflankentürme, sowie Teile des Querhauses erhalten. Doch blieb die Krypta von Speyer I  nahezu unberührt.

Im Todesjahr Heinrichs IV., 1106, war der neue Dom fertig gestellt: Mit einer Länge von 444 römischen Fuß (134 Meter) und einer Breite von 111 römischen Fuß (33 Meter) war er eines der größten Bauwerke seiner Zeit. In der Länge übertraf den Speyerer Dom die Abteikirche von Cluny mit ihrer Vorkirche, der umbaute Raum jedoch ist beim Speyerer Dom mit über 40.000 Kubikmetern größer. Diese Veränderungen unter Heinrich IV. sind in der Forschung als „Speyer II“ bekannt, wobei im heutigen Bau zwischen Bauteilen von Speyer I und Speyer II unterschieden wird.

Speyer zählte damals nur rund 500 Einwohner. Es hatte wohl machtpolitische Gründe, dass Kaiser Heinrich IV. einen derart großen Bau in dem nach heutigen Maßstäben winzigen Städtchen bauen ließ. Die römischen Kaiser hatten nicht nur weltliche, sondern auch kirchliche Macht. Der daraus resultierende Konflikt mit dem damals gerade erstarkten  Papsttum kulminierte im Investiturstreit zwischen Heinrich IV. und Papst Gregor VII.

Die Größe und Pracht des Speyerer Doms unterstrich neben dem politischen,  den religiösen Machtanspruch des Kaisers.

 Im Pfälzischen Erbfolgekrieg brachten die Speyerer Bürger 1689 ihre Möbel und ihren Hausrat in den Dom, in der Hoffnung, ihre Habe sei dort vor den erwarteten französischen Truppen sicher. Mehrere Meter hoch stapelte sich der Hausrat im Dom. Die Hoffnung der Bürger erwies sich als trügerisch: Am 31. Mai 1689 brachen die Soldaten den Dom auf, plünderten die Kaisergräber und steckten Einrichtung und gelagerte Möbel in Brand. Durch die gewaltige Hitze wurde das Gewölbe im Westteil brüchig und stürzte ein. Der Ostteil hingegen hielt den Flammen stand. Er wurde durch eine Mauer abgeschlossen und wurde für Gottesdienste weiter benutzt. 1755 mussten der obere Bereich des stehen gebliebenen Westbaues mit den beiden Türmen wegen Einsturzgefahr abgetragen werden.

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war genügend Geld vorhanden, den Westteil des Doms wieder aufzubauen. Unter Franz Ignaz Michael Neumann, dem Sohn des berühmten Barockbaumeisters Balthasar Neumann, wurde 1772-1778 die klaffende Lücke im westlichen Teil des Langhauses in der ursprünglichen Form geschlossen. Das fast völlig abgetragene Westwerk wurde unter Einbeziehung der romanischen Vorhalle durch eine zeitgemäße barocke Fassade ersetzt. Sie hatte jedoch nur gut 100 Jahre bestand. Dieser frühe Akt einer rekonstruktiven Denkmalpflege lässt sich mit den trotz allem eher begrenzten Geldmitteln der Stadt erklären: Ein barocker Neubau des Langhauses hätte auch den Neubau des Chores zur Folge haben müssen, um einen ästhetisch ansprechenden Raumeindruck zu erhalten.

1794 verwüsteten Revolutioenstruppen den Dom und das Gotteshaus wurde profaniert. Dabei ging die ganze Innenausstattung verloren. Unter Napoleon nutzten die französischen Truppen den Dom als Viehstall, Futter- und Materiallager. 1801 wurde das Bistum Speyer aufgehoben. 1806 war sogar geplant, den Dom abzureißen und als Steinbruch zu verwenden, was der Mainzer Bischof Joseph Ludwig Colmar verhinderte.

Nach der Niederlage Napoleons wurde das Bistum 1817 wieder eingerichtet und der Dom diente wieder als Bischofskirche; 1818-1822 wurde er saniert und 1822 neu geweiht. 1846–1853 schufen die Maler Johann von Schraudolph und Joseph Schwarzmann im Auftrag  Ludwig I. von Bayern Freseken im Nazarener Stil.

Im Auftrag des Bayerischen Königs Ludwig I., des Österreichischen Kaisers Franz I. und des Herzogs Adolf von Nassau erfolgte die Neuerrichtung des Westbaus 1854–1858 im neoromanischen Stil. Heinrich Hübsch, einer der renommiertesten Architekten des frühen  Historismus, orientierte sich frei am ursprünglichen Westbau, indem er Mittelturm und zwei kleinere Flankentürme aufgriff, wich jedoch von der Vorlage sowohl bei der Materialwahl wie bei den Proportionen erheblich ab.

Die Erneuerung der Westfassade und die Ausmalung des Domes wurden im 19. Jahrhundert als „großes Werk“ angesehen. Ludwig I. war der Überzeugung, dass seit langer Zeit nichts Größeres geschaffen worden sei als die Fresken im Speyerer Dom. Um die Wende zum 20. Jahrhundert kam es allerdings zu einem Stimmungsumschwung: Georg Dehio beklagte 1916 sogar, unter den Unglücken, die den Dom getroffen hätten, seien die Veränderungen des 19. Jahrhundert nicht die kleinsten gewesen.

Vor dem Westwerk öffnet sich eine breite Straße nach Westen, die von interessanten Barockbauten begleitet wird.

Gleichsam paralell zur Hauptstraße entdecke ich die Kirche der Dominikanerinnen, wo Edith STEIN, die gefeierte Heldin des heurigen Jahres etwa zehn Jahre als Lehrerin gewirkt hat.

Altpörtel Stadtturm

Dominikanerinnen Kirche

Von Speyer geht es zurück nach Ludwigshafen, wo das älteste Bauwerk ein Kirchturm ohne Langhaus aus dem 19.Jh. die Stellung hält und heute eine Pizzaria beherbergt.

Wir streben aber nach dem Wilhelm Hackmuseum, wo uns eine interessante Ausstellung erwartet: „I love ALDI

Das Prinzip ALDI ist eines der erfolgreichsten Geschäftsmodelle Deutschlands: Masse bzw. Menge (im Ein - und Verkauf) als oberstes Gebot; danach kommt Verzicht: Verzicht auf Zwischenhändler, Verzicht auf aufwändige Markenwerbung, Verzicht aufschillernde Wareninszenierungen und großes Sortiment.

 
 

Häuschen aus Tostbrot

Längst ist das Phänomen ALDI ein gesellschaftliches Thema geworden. Es geht dabei nicht um die Marke ALDI, sondern um das System, das in dieser Marke Kultstatus erreicht hat.

Unter dem Titel “I love ALDI “ reflektieren 36 KünstlerInnen im Wilhelm Hack Museum auf ihre Weise Fragen der industriellen Lebensmittelproduktion, der Billigware und des postmodernen Konsumverhaltens. In fünf Kapitel (Verpackung, Inhalt, Konsum, Kunst, Gesellschaft) entfaltet sich die Ausstellung. Ich wandere durch die Installationen und betrachte die Bilder - den eindrucksvollen Interpretationen von gesellschaftlichen Aspekten - und lerne erkennen, dass die Reflexion unseres Konsumverhaltens doch vielleicht mehr bewirken kann, als wir allgemein annehmen.

 Später besuchen wir zum Abendessen das Gasthaus Henninger (weinhaus-henninger.de) in Kallstadt, Weinstraße 93

              

Wir bestellen Original Pfälzer Saumagen und essen damit dasselbe, wie Helmut Kohl und seine Gäste, die er, egal woher sie kamen, mit der Besonderheit der Pfälzer Dreifaltigkeit bewirtete: Pfälzer Saumagen, Pfälzer Bratwurst und Pfälzer Leberknödel…Ich kann zwar nur für mich sprechen, aber mir hat der Saumagen vorzüglich geschmeckt…

Dass Helmut Kohl Speyer als Repräsentationsort wählte, wo die Salier ihren monumentalen Dom errichteten, darüber ließe sich sicher auch Einiges vermuten…

Danke Eva, danke Ulrich für die Zeit in Heidelberg!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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