Irene Kohlbergers SALVETE
Landschaft
Landschaft
Die Landschaft Persiens im Bereich Teheran-Kerman-Yazd- Shiraz-Isfahan-Teheran ist faszinierend, aber nicht besonders abwechslungsreich.
Unendliche Weiten werden begrenzt von Bergmassiven in bizarren Formen, die unmittelbar aus dem trockenen Wüstenboden aufragen. Nackt und ohne schützenden Mantel aus Gras, Sträuchern und Bäume ragen sie in den Himmel, manchmal auch schneebedeckt. Die hohen schneebedeckten Gebirgszüge erinnern an unsere Alpen. Doch unterscheidet sich das Panorama sehr eindrucksvoll von den uns gewohnten Bildern; erheben sich doch hier die schneebedeckten Gipfeln aus der Weite von Sandflächen – aus der Weite kleinststrukturierter Landschaft die sich flach und scheinbar öde vor unseren Blicken ausbreitet.
Die Karawanenführer kannten sie wahrscheinlich alle dem Namen nach, die Bergstöcke in der Nähe ihrer Wanderroute und betrachteten sie als willkommene Wegweiser auf ihrem Weg durch die Zeit, nein, eigentlich von Karawanserei zu Karawanserei, um die Waren sicher an ihren Zielort zu bringen.
Ich sehe sie vor mir die Reihe von Kamelen, wie sie hintereinander auf ihren überkommenen Pfaden dahinschreiten. Ich habe schon so viele Dokumentationen gesehen, dass mir diese Vorstellung ganz leicht fällt. Auch würde eine Kamelkarawane das schönheitshungrige Auge mehr erfreuen, als die Lastwagen, die in gemächlicher Geschwindigkeit auf schnurgeraden Autobahnen Kilometer um Kilometer abspulen.
Gleichzeitig entwickelt die Wüstenlandschaft aus sich heraus einen Zauber, der sich Fotos und Dokumentationen weitgehend entzieht. Wir haben kaum Zeit den Wüstenboden zu fühlen oder in die Landschaft hineinzulaufen – wir sind gleichsam in unserer Raumkapsel eingeschlossen, ohne Bodenkontakt, ohne Hitze oder Kälte zu fühlen - und dennoch…
Hier wird das Plasma der Welt sichtbar, hier enthüllen sich die Felsen in ihrer Nacktheit, unbedeckt von barmherzigen Grünpflanzen. Und dahinter präsentieren die schneebedeckten Gebirgszüge ihre kalte und klare Schönheit. Hier liegt alles bloß. Und das färbt auf den Menschen ab, muss auf den Menschen abfärben. Einerseits werden die eigenwillig geformten Felsen zu Wegweiser für die Karawanenführer, andererseits bedroht die wasserlose Wüste jedes Leben, das sich nicht vorsieht und dem notwendigen Wasser nicht die Aufmerksamkeit zuwendet, die ihm zukommt.
Und aus dieser Notwendigkeit wurde in Persien im 1. Jt v. Chr. ein geniales und hoch- effizientes System von unterirdischen Bewässerungskanälen entwickelt. Das in den Bergen reichlich vorhandene Grund - und Quellwasser wurde dazu gesammelt und in unterirdischen Kanälen in die umliegenden Städte und Dörfer geleitet. Die Kanäle liegen tief unter der Oberfläche, um möglichst geringe Verdunstung zu gewährleisten, haben eine Breite von etwa einem Meter und 1,80 m Höhe, so dass ein Mann aufrecht darin stehen kann. Ihre Länge beträgt im allgemein um 15 km, gelegentlich können sie aber auch über 70 km lang sein, wie diejenigen nach Yazd und Kerman. Beim Bau der Qanate werden zunächst im Abstand von etwa 50 Meter Schächte angelegt, von denen aus der Kanal gegraben wird. Die anfallende Erde schüttet man rings um die Schachtöffnungen auf, die wie riesige Maulwurfshügel den Verlauf der Qanate an der Oberfläche markieren. Nachdem der Bau abgeschlossenen ist, sorgen die Einstiegsschächte einmal für die Belüftung, zum anderen gewährleisten sie weiterhin Zugang zu den Tunnels. Um die Kanäle funktionstüchtig zu halten, müssen sie ständig ausgebessert und gepflegt werden.
In Peru habe ich ein ähnliches Bewässerungssystem kennen gelernt. Doch wurde es dort viel später entwickelt oder vielleicht in irgendeiner Weise vom Orient übertragen. Sicher ist nur, dass dieses System klaglos funktioniert, wenn es immer wieder gepflegt wird.
Die Erfindung der Windtürme (Badgir= Windfänger) ist ein weiterer genialer Schachzug der persischen Architekten, um der Hitze rund um die inneriranischen Wüsten zu begegnen. Die Funktionsweise der Badgirs ist denkbar einfach. Die im oberen Bereich der Türme angebrachten Luftschlitze oder schmalen Öffnungen, fangen an heißen Tagen den leisesten Windhauch ein. Durch das in mehrere Schächte aufgeteilte Turminnere wird die Luft, die sich auf ihrem Weg nach unten abkühlt, in die darunter liegende Räume geleitet. Häufig liegt direkt unterhalb des Turmschachtes ein flaches Wasserbassin, das die von oben kommende Luft zusätzlich anfeuchtet. Im Mauerwerk höherer Türme stecken häufig waagrecht an allen Seiten und über die gesamte Oberfläche verteilt Holzstäbe, die der Stabilisierung dienen.
Die aus Stampflehm oder Backsteinen erbauten Badgire stehen direkt auf den flachen Dächern der Häuser; bei Zisternenanlagen ragen sie neben der Kuppel, die über dem unterirdischen Wasserbecken liegt, direkt aus dem Boden. In den wüstennahen Städten, wie Yazd, bestimmen sie bis heute das Stadtbild.
Die Stadtlandschaft der Alltäglichkeit unterscheidet sich weder in Teheran, Shiraz oder Isfahan von der europäischer Städte. Hier wie dort viel Autoverkehr und gesichtslose Neubauten. Die Autofahrer halten sich mehr oder minder an die Verkehrsregeln, beachten die Ampelsignale in der korrekten Weise und setzen keine aggressiven Zeichen, wenn der Verkehr kein Weiterkommen erlaubt. Man plaudert in der Zwischenzeit und fährt weiter, wenn es wieder möglich ist.
Auffallend und befremdend wirken nur die übergroßen Plakate, die in den Städten an großen Kreuzungen aufgestellt sind. Es handelt sich dabei um die Gesichter von gefallenen Helden des letzten Krieges, die hier im Stil eines plumpen Realismus aufgemalt sind. Manchmal sind es einzelne Helden, dann wieder zwei und manchmal ganze Gruppen von jungen Männern, die auf den überdimensionierten Plakatträgern abgebildet sind, woraus ein merkwürdigen Kontrast zu den sonstigen Reklametafeln entsteht, die Toiletteartikel oder andere Konsumgüter anpreisen.
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Dass die Gesichter der beiden Ajatollahs – Khomeini und Kamani -allgegenwärtig sind, verwundert uns kaum, wird dadurch ihre gottähnliche Gegenwart doch ständig unter Beweis gestellt.
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