Irene Kohlbergers SALVETE

Aurelius Augustinus

AURELIUS AUGUSTINUS
  
 
 
Wenn wir österreichische oder deutsche Kirchen besuchen, dann werden und immer wieder vier Gestalten begegnen, die barocken Kanzeln umgeben. Zum einen sind es die vier Evangelisten, die am Sims des Kanzel-Corpus sitzen und es ist nicht schwer zu erkennen, wer die einzelnen Figuren sind, wenn wir unsere Aufmerksamkeit den dazugehörigen Symbolen zuwenden. Matthäus hat einen Engel oder eine menschliche Gestalt an seiner Seite, Markus einen Löwen, Lukas einen Stier und Johannes einen Adler. Allen gemeinsam ist das aufgeschlagene Buch in ihren Händen, womit eindeutig auf ihren Beruf, auf die Texte der Evangelien hingewiesen wird, die von ihnen überliefert sind.
Eine andere Vierergruppe, die immer wieder abgebildet wird, besteht aus dem Hl. Ambrosius, dem Hl. Hieronymus, dem Hl. Gregor VI. und dem Hl. Augustinus, bekannt unter dem Begriff: Kirchenväter.
Ambrosius wird mit einem Bienenkorb dargestellt, als Hinweis auf eine Legende, die berichtet, dass Ambrosius als Kind im Garten eingeschlafen sei und in seinen Mund Bienen aus und ein geflogen seien, ihn aber nicht bedrohten. Diese Merkwürdigkeit hat man später so gedeutet, dass aus seinem Mund „honigfließende“ Rede kam, die viele Menschen zum christlichen Glauben geführt habe. Auch Augustinus wurde durch ihn nachhaltig geprägt und empfing durch dessen Hand in der Osternacht 387 die Hl. Taufe. Augustinus ist fast immer mit einem großen brennenden Herzen dargestellt, dem Symbol seines Lebens, dass getragen war von seiner leidenschaftlichen Liebe zu Gott.
Hieronymus ist der Wissenschaftler unter den Kirchenvätern – er übersetzte die Bibel aus
dem hebräischen Urtext ins Lateinische. Seine Vulgata bleibt jahrhunderte lang „die Bibel-übersetzung“ schlechthin. Er wird oft als Kardinal ( im urspünglichen Sinn verstanden = Türangel) oder als Büßer im härenen Gewand dargestellt, mit einem Löwen an seiner Seite. Diesem Löwen hatte er, der Legende nach, einmal einen Dorn aus der Pfote gezogen. Daraufhin blieb das dankbare Tier ständig an seiner Seite. 
Der Hl. Gregor VI. war als Papst eine überragende Gestalt, die im sechsten Jahrhundert für die Kirche wichtige Entscheidungen getroffen hatte. Sein Symbol ist das Papstkreuz und die Papstkrone.
Alle vier Kirchenväter tragen in einer Hand ein Buch, als Zeichen ihrer theologischen Schriften.
 
Die meisten von uns werden von Augustinus ein paar skizzenhafte Striche mit seiner Gestalt verbinden. Im Vordergrund steht zweifellos sein langer Weg zur Bekehrung, der durch viele Irrwege und durch seine jugendliche Getriebenheit zur Frau, markiert ist. Ich habe schon öfter den Begriff „Lebemann“ in Verbindung mit seiner Person gehört oder auch, dass er ein „ausschweifendes“ Leben geführt habe. Doch treffen beide Begriffe, die für uns moderne Menschen eine eindeutig genuß orientierte Lebensweise bedeuten, kaum zu, wenn es um den ringenden, einigen Irrwegen folgenden Heiligen geht, der als leidenschaftlicher junger Mann seine geschlechtlichen Begehrlichkeit – man könnte fast sagen – naturgemäß nachfolgen musste. Wie wir zwischen den Zeilen der entsprechenden Texte auch wahrnehmen können, wäre Mutter Monika auch schon zufrieden gewesen, wenn er ein ordentlicher Familienvater geworden wäre: standesgemäß verheiratet und für seine Kindern ein christliches Vorbild.
Das schlampige Verhältnis, wie wir sagen würden, in dem er bis zu seiner Taufe lebte, war alles andere als ein Raum für Ausschweifungen. Auch kümmerte er sich um seinen unehelichen Sohn Adeodatus mehr, als manche Familienväter. Hätte er die Ausschweifungen im modernen oder antiken Sinn wirklich gelebt, er hätte es in seinen Bekenntnissen sicher nicht verschwiegen.  
 
Der junge Aurelius.
 
Aurelius Augustinus wird an einer Zeitenwende geboren und zwar zur Zeit des langsamen Überganges vom Heidentum zum Christentum. Der Vater Patricius, lebensfroher Heide, Staatsbeamter, ist lebenslänglich Taufbewerber und lässt sich erst am Totenbette taufen.
Die geistig hoch stehende Mutter Monika ist Christin und wir ehren sie als Heilige. Über drei Jahrzehnte ringt sie mit Gott um die Seele ihres hochbegabten Sohnes.
Augustinus wird am 13. November 354 zu Thagaste, auf dem Boden des alten, stolzen Karthagerreiches geboren, das als römische Provinz Numidien in Nordafrika dem Großreich einverleibt wurde, wo damals eine blühende Kirche mit vielen Bischofssitzen bestand.
Nach dem Wunsch des ehrgeizigen Vaters soll Aurelius Rhetor, Lehrer der Beredsamkeit werden und vielleicht einmal ein hoher Beamter des Reiches. In der sittenschwachen Landeshauptstadt Karthago, wo er studiert, genießt er mit gleich gesinnten Freunden seine Jugend, lebt in wilder Ehe und wird mit 18 Jahren Vater eines unehelichen Sohnes, den er kühn Adeodatus „Gottesgabe“ nennt. Unterstützt von dem reichen Freund Romanianus wird er bald selbst Lehrer der Rhetorik, zuerst in Karthago, dann ab 382 in Rom und ab 385 in der kaiserlichen Residenzstadt Mailand, wohin ihm auch seine Mutter nachfolgt.
Hier tritt die große Gestalt des Mailänder Oberhirten in sein Leben. Erst aus beruflicher Neugier, aber bald aus wirklichem Interesse, hört er die Predigten des berühmten Bischofs.
Er wird Taufbewerber und empfängt zur unsagbaren Freude seiner Mutter, in der Osternacht des Jahres 387, gemeinsam mit seinem Sohn und einigen Freunden aus der Hand des Hl. Ambrosius die Taufe.
Augustins Christwerdung, wohl kein plötzliches Bekehrungswunder und doch ein Wunder der Gnade, bedeutet für ihn den völligen Bruch mit der Vergangenheit. Er legt seine Professur nieder, schenkt seine Besitztümer weg, um in seiner Heimat Thagaste mit gleichgesinnten Freunden in Armut und klösterlicher Gemeinschaft Gott zu dienen – ganz im Sinne des morgenländischen Mönchtums, das von Augustinus ins Abendland verpflanzt wurde.
Auf dem Rückweg nach Afrika stirbt in Ostia seine Mutter, nach der Landung in Afrika sein Sohn Adeodatus
 
AUGUSTINUS ALS BISCHOF UND GLAUBENSKÄMPFER
 
Aber schon nach wenigen Jahren wird Augustinus aus seiner Zurückgezogenheit hervorgeholt. Während eines Besuches in der Nachbarstadt Hippo wird Augustinus bedrängt, sich in den Dienst der Kirche zu stellen. Nach langem Zögern gibt er nach und lässt sich zum Priester weihen und beginnt seinen Predigtdienst zunächst als Mitbischof von Valerius und nach dessen Tod, vier Jahre später, übernimmt er das Amt des Bischofs von Hippo, das er zeitlebens ausüben wird.
Im 4. Jh. krachte das römische Reich in allen Fugen, was vor allem die Provinzen am Rande des Großreiches zu spüren bekamen. Die Angriffe der verschiednen Germanenstämme bedrohten das Reich in regelmäßigen Abständen, sodass die verfügbaren Kräfte immer wieder zusammengezogen werden mussten und für eine straffe Verwaltung, wie wir das aus der Zeit Jesu kennen, keine Möglichkeit mehr bestand. In dieses Vakuum der zivilen Verwaltung glitten nun, ob sie wollten oder nicht, die Bischöfe der christlichen Kirche.
Das bedeutete, dass der Bischof nicht nur für die Gläubigen Verantwortung zu tragen hatte, sondern gleichzeitig die Agenda eines Stadtpräfekten übernehmen musste; u.a. auch die Gerichtsbarkeit, die sehr viel Mühe und Zeit kostete.
Augustinus, überhäuft mit zermürbender Kleinarbeit, überlaufen mit Streitfragen und Nichtigkeiten, mit Briefen aus aller Welt, entfaltete er trotzdem eine die ganze Kirche umfassende Tätigkeit, als geistiger Vorkämpfer für die Einheit der Kirche und Reinheit des Glaubens: gegen das Heidentum von außen und gegen Häresie und Schisma von innen. Vor allem sind es die drei Irrlehren der Zeit, denen er in ununterbrochener Auseinandersetzung Rede und Antwort zu stehen hat.
 
Manichäern[1], Donatisten[2] und Pelagianer [3]
Im Kampf mit den Manichäern wird Augustin zum Anwalt der Menschenwürde, im Kampf gegen Pelagius zum großen Anwalt der Gnade. Ihm verdankt die Kirche die Ausbildung einer klaren Lehre über die Gnade und die heiligen Geheimnisse der Sakramente.
Den zermürbendsten Kampf hat er allerdings gegen die Donatisten zu führen, die mit den Mitteln der Gewalt ihrer „reinen Lehre“ zum Durchbruch verhelfen wollten.
 
Der überlegenen Schärfe seines rhetorisch geschulten Geistes, der Kraft und Anmut seines Wortes vermag aber kein Irrlehrer zu widerstehen. Viele kehren um, die übrigen hassen ihn umso mehr. Unermüdliche ist er am Werk, durch zahllose Schriften und Briefe, durch Synoden und Religionsgespräche versucht er die Irrenden zu überzeugen, die Getrennten zu gewinnen, die Gewalttätigen zu beruhigen und die Getreuen zu festigen.
Eine übermenschliche Anstrengung, die ihm dabei abgefordert wird, getreu seinem Grundsatz: “Tötet die Irrtümer, liebet den Irrenden!“
Wie sein Leben, so wird auch sein Tod ein Sinnbild seiner Zeit.
 429 erobern die Vandalen unter König Geiserich das blühende Nordafrika. Wohl sind sie Christen, doch fanatische Arianer[4], aufgehetzt durch die Donatisten, wüten sie gegen alles Katholische. Der 76 jährige Greis betet unter Tränen, tröstet, ermuntert, mahnt die erschreckten Hirten und die aufgescheuchte Herde, auzuharren. Er selber stirbt im dritten Monat der Belagerung in seiner Bischofsstadt, am 28. August 430.
Mit dem größten Denker Afrikas, dem bedeutendsten aller Kirchenväter, stirbt im Ansturm des jungen Germanentums auch das tausendjährige, morsch gewordene Reich der Römer.
Später werden die Langobarden seine Gebeine nach Europa bringen – nach Pavia- und sein Werk wird helfen die neue christlich- germanische Welt zu begründen.

 Werkauswahl:

Gottesstaat, Bekenntnisse, Reden zum Johannesevangelium, Über die Trinität, Über die Christliche Lehre, Enchiridion (Kompendium über das christliche Glaubensbekenntnis), Unterweisung der Katechumenen, Über den freien Willen, Glaube und Werke, Sitten der Kirche, Wert der Ehe, Traktate zu den Psalmen, 218 Briefe

 

 


[1] Manichäismus:
Welt ist beherrscht vom Kampf der zwei Urwesen, des Urguten und des Urbösen. Der Mensch steht mitten im Widerstreit von Licht und Finsternis, Geist und Materie.
Im Menschen selbst tobt der Gegensatz von Leib und Seele. Gut und böse ist er nicht durch Freiheit des Willens, sondern aus Notwendigkeit.
„Ich war der Meinung, nicht wir sündigten, sondern es sündigt in uns.“ (Bek 5,40)
 
 
[2] Donatisten:
Seit der diokletianischen Verfolgung (311) versuchten die Donatisten ihre Vorstellung von rechtmäßigen Bischöfen durchzusetzen – wenn nötig auch mit Gewalt. Sie wollten nur würdige Bischöfe gelten lassen. Sie, die sich als Nachfahren der Märtyrer betrachteten, waren die einzige „Würdigen“ um den christlichen Ämtern vorzustehen.
Eine furchtbare Folge dieses maurisch-punischen Sonderweges waren Bauernkriege (Circumcellionen) gegen die Staatsgewalt. Zur Zeit von Augustinus war ganz Nordafrika von dieser Sekte beherrscht.
 
 
[3]Pelagianismus:
Art Christlicher Stoizismus.
Mit der Kraft des eigenen Willens kann sich der Mensch von Sünde freihalten.
Die Wirkung der Erbsünde und der übermächtigen Begierlichkeit wird geleugnet.
Die Kinder erhalten durch die Taufe das ewige Leben. Christus hilft durch sein Beispiel und seine Lehre.
Eine Erlösungsgnade gibt es nicht.
Durch die Willensfreiheit ist der Mensch von Gott UNABHÄNGIG!
 
 
 
[4] Arianismus:
A. ist der Versuch das Problem Jesus Christus rational zu lösen. Wenn Jesus nur Mensch ist, der von Gott in besonderer Weise (Wunderberichte – Auferstehung) zum Mittler zwischen Gott und den Menschen erwählt wurde, dann wird die „Unbegreifbarkeit“ seiner Gottessohnschaft einer vernünftigen Lösung zugeführt.
 
 

 

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